Leonard Cohen Hamburg 14.07.13

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Aprilfrost
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Leonard Cohen Hamburg 14.07.13

Beitrag von Aprilfrost »

Wie beginnt man einen Konzertbericht, wenn man am liebsten schweigen möchte? Worte werden diesem Auftritt kaum gerecht. Leonard Cohen kam, sang und eroberte die Herzen der ca. 8000 Fans in der O2-World in Hamburg.
Woran lag es?
An der schon beinahe mystischen Aura, die den legendären 78jährigen umweht?
An den wohlwollenden Fans, die die Legende (wieder) einmal live erleben wollten?
An den spielfreudigen Musikern, die auch nach 3 Stunden kein Stück müde wirkten?
An dem Bühnenvorhang, der in seiner Breite und Höhe in wechselnden wundervollen Farben erstrahlte?
An den Klassikern, die man mitsingen kann, es aber nicht tat, um ja keinen Ton des Meisters zu überhören?
An den ernst blickenden, aber präzise singenden Backgroundsängerinnen?

Ja, sicher auch. Der Hauptgrund war aber die Art und Weise, wie Leonard Cohen den ZuhörerInnen das Gefühl gab, einzig nur ihretwegen nach Hamburg gekommen zu sein. Die Musiker kamen mit (15 Minuten Verspätung - warum auch immer), wie von der Live-in-London-DVD bekannt in grauen Anzügen und Hüten auf die Bühne. Einzig der Schlagzeuger Rafael Gayol aus Mexiko erschien in weißem Hemd und schwarzer Weste. Und dann ging es eher verhalten los mit "Dancing to the End of Love". Was das Publikum nicht daran hinderte, gleich nach dieser ersten Nummer in Begeisterungsstürme zu verfallen. Der erste Teil der Show dauerte auf die Minute genau eine Stunde. Die Setlist (s.u.) habe ich nicht festgehalten, aber Cohen gab alle Klassiker, seine Greatest Hits, zum Besten und mehrere Stücke von "The Future" und von "Old Ideas".
Nach der Pause (20 Minuten) wurde es dann lebendiger. Cohen griff sogar mehrmals selbst zur Gitarre, z. B. bei "Suzanne". Die Sängerinnen Sharon Robinson, Charley und Hattie Webb bekamen jeweils ein Solo bzw. ein Duett, die beide genau so intensiv waren wie die Musik von Leonard Cohen himself. Nach einer weiteren Stunde und dem Titel "Closing Time" verließ der große Sänger die Bühne, lautstark gefeiert von einem Publikum außer Rand und Band.
Natürlich kam er wieder, um mit einem Augenzwinkern den Song "I tried to leave you" zu intonieren. Er kam nicht einfach wieder, sondern tänzelte wie ein junger Hüpfer auf die Bühne. Von Ermüdung keine Spur. Nach inzwischen 2 Stunden puren Musikgenuss gab es einen Nachschlag von noch einmal 45 Minuten. Sämtliche Musiker bekamen reichlich Gelegenheit für Soli, insbesondere der Spanier Javier Mas an vielseitigen und vielsaitigen Instrumenten. Der Hammond-Orgel-Sound wurde von dem Jazzrocker Neil Larsen in ein gutes Licht gerückt. Nach allem, was man lesen kann, handelt es sich bei der Band um hochkarätige Musiker. Cohens Musik bietet sicher kein Podium, auf dem die musikalischen Qualitäten voll ausgelebt werden können. Man merkte aber, dass nicht einer der Instrumentalisten seine Fähigkeiten auch nur annähernd ausgereizt hat. So locker und entspannt kamen die Töne von den Saiten, Tasten und Trommeln.

Am Ende ging man mit dem Gefühl nach Hause: wir hätten noch stundenlang zuhören können, aber das hätte kaum einen Unterschied gemacht. Und wenn er weiter bei guter Gesundheit bleibt, wird Cohen sicher auch in 10 Jahren noch Konzerte von dieser Länge geben.

Wenn ich jetzt noch etwas Kritisches schreibe, soll das nicht den Glanz des Abends schmälern, sondern lediglich meine ganz persönlichen Wünsche ausdrücken:

- Cohen hätte gerne mehr mit dem Publikum reden können. Die meisten sind der englischen Sprache mächtig, wie die Reaktionen auf seine wenigen kurzen Ansprachen beweist.
- Die Sängerinnen hätten gerne noch mehr zur Geltung kommen können. Das hätte den Erfolg des Großmeisters nicht geschmälert.
- Aufgrund der aktuellen politischen Lage hätte ich gerne den Song "Democracy (is coming to the USA)" gehört.

Sonst nichts. Der Sound war große Klasse. Ich saß bühnennah vor dem Mischpult. Jedes "Pling" kam deutlich rüber. Es war einer der ganz großen musikalischen Abende in meinem Leben. Thank's Mr. Cohen!

Die (unvollständige) Songauflistung [in alphabetischer Reihenfolge]:

Ain’t no Cure for Love
Amen
Bird on a Wire
Closing Time
Come Healing
The Darkness
Everybody Knows
Famous Blue Raincoat
First we take Manhatten
The Future
Hallelujah
I tried to leave you
I’m your Man
Love calls you by your Name
Lover Lover Lover
The Partisan
Sisters of Mercy
So long Marianne
Suzanne
Take this Waltz
Waiting for a Miracle
Save the last Dance for me

Alexandra Leaving (Sharon Robinson)
If it be your Will (The Webb Sisters)

Hier noch ein paar Tubes:

[youtube]5yLp7PjDnic[/youtube]

[youtube]WheVNEGQa0E[/youtube]

[youtube]x5FPGCyTekA[/youtube]
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SOON
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Re: Leonard Cohen Hamburg 14.07.13

Beitrag von SOON »

Mann, Mann, Mann -es ist zum verrückt werden! :(
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Aprilfrost
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Re: Leonard Cohen Hamburg 14.07.13

Beitrag von Aprilfrost »

SOON hat geschrieben:Mann, Mann, Mann -es ist zum verrückt werden! :(
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SOON
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Re: Leonard Cohen Hamburg 14.07.13

Beitrag von SOON »

Nachdem ich mich beruhigt hatte, habe ich mir die Tuben angeschaut.
Da habe ich ein großartiges Konzert verpasst.
Mal sehen ob sich noch eine Gelegenheit ergibt.

[smilie=thumbsup.gif] thx for the information, Mr. Frostie!
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Royale
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Re: Leonard Cohen Hamburg 14.07.13

Beitrag von Royale »

Ich konnte Frosti ja noch nie ab und nun schreibt er auch noch so schön über ein so tolles Konzert ... ;) ;) ;)

(...ich war zur selben Zeit bei Muse in der Berliner Waldbühne, war aber auch toll. Drei Jahre zuvor hatte ich ebenda Cohen erleben dürfen: hier)
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