CHICAGO, Mainz 19.6.2011

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DocFederfeld
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CHICAGO, Mainz 19.6.2011

Beitrag von DocFederfeld »

„Alive Again“
CHICAGO. Mainz, Zitadelle 20. Juni


Die Musik von CHICAGO begleitet mich nun seit beinahe 30 Jahren. 1982 habe ich die Single “Hard To Say I’m Sorry” und die “Chicago 16” kennengelernt und zu Weihnachten habe ich mir damals das 4LP-Album “At Carnegie Hall (IV)” gewünscht, das bis heute zu meinen Lieblingslivealben (und zu meinen meistgehörten LP’s überhaupt) zählt. Es gibt auch keine andere Band, von denen ich so viele LPs im Schrank habe – die komplette Diskographie von 1-18. Live habe ich Chicago allerdings bis zum Sonntag noch nicht erlebt. Ich weiß gar nicht, ob es zwischen den frühen 80ern, als Chicago auch im deutschen Fernsehen zu sehen waren (RockPop in Concert aus Dortmund 1982) und der Europatour 2008 überhaupt Auftritte in Deutschland gab.

2008 hatte ich ein Ticket für Stuttgart, das ich wieder verkauft habe, weil mir das, was ich von der Gruppe im Internet und auf DVD gesehen hatte, gar nicht gefiel. Die Alben fand ich schon lange viel zu glatt, zu steril. Trotzdem habe ich den Verkauf später ein wenig bedauert, einfach weil mich die Musik der Gruppe schon so lange begleitet hat und ich die alten Alben immer noch gerne höre. Als jetzt noch einmal die Chance kam, die Band live in Mainz zu sehen, habe ich mir doch wieder ein Ticket gekauft. Meine Erwartungen vorher waren allerdings sehr niedrig gehalten.

Immerhin – von den sieben Urmitgliedern der Band sind bis heute vier durchgehend seit 1967 dabei; allerdings spielt der Saxophonist und Flötist Walter Parazaider nur noch bei den Konzerten innerhalb der USA mit. Die Gründe dafür kenne ich nicht. Er wird bei Auslandstourneen durch Ray Herrmann ersetzt. Robert Lamm (Keyboard), Lee Loughnane (Trompete) und James Pankow (Posaune) waren in Mainz mit auf der Bühne. Auch die anderen Musiker sind fast alle schon sehr lange in der Band: Jason Scheff hat 1985 Peter Cetera als Bassist und Leadsänger abgelöst, eine schwierige Aufgabe, etwa vergleichbar mit Ray Wilsons Rolle bei Genesis. Tris Imboden, auch erst der zweite Schlagzeuger in 44 Jahren, ist seit 1990 dabei; der exzellente Gitarrist Keith Howland seit 1995, nachdem es auf seiner Position seit dem Tod von Terry Kath 1978 ständige Wechsel gab.

Wirklich neu in der Band ist der zweite Keyboarder Lou Pardini (vorher u.a. bei Santana und Stevie Wonder), der 2009 Bill Champlin abgelöst hat. Außerdem gibt es erstmals seit den 70er Jahren (Laudir de Oliveira) wieder einen zusätzlichen Percussionisten - Drew Hester, der dem Sound sehr gut tut.

Ich weiß nicht, ob die beiden Neuen daran schuld sind, aber meine Erwartungen wurden in Mainz um ein vielfaches übertroffen. Ich war begeistert von einer spielfreudigen, sehr gut gelaunten Band, die 120 Minuten ohne „Las Vegas“-Showelemente Gas gegeben hat. Schon der Beginn mit dem fast 15minütigen „Ballet For A Girl In Buchannon“, meinem Lieblingsstück der Band, war toll. Aber auch danach gab es quer durch die Bandgeschichte jede Menge Klassiker wie z.B. „Dialogue“ oder „Beginnings“. Natürlich wurden auch die Hitballaden gespielt, aber trotzdem war es ein druckvolles Rockkonzert mit vielen glänzenden Soli von den drei Bläsern und Keith Howland. Von den ersten 17 Studioalben (Ausnahme „Chicago XIV“) gab es jeweils mindestens einen Song, wobei der Schwerpunkt auf der Zeit bis 1975 lag – ich war auch etwas überrascht, dass kein einziges Album nach dem Ausstieg von Peter Cetera berücksichtigt wurde, nicht einmal die doch äußerst erfolgreiche „19“ oder das letzte Studioalbum „Stone Of Sisyphus (XXXII)“. Das spricht natürlich auch dafür, dass Chicago wohl selbst nicht so ganz überzeugt sind, von dem Output, der danach kam.

Ich kann und will keinen der Musiker besonders herausheben, es haben wirklich alle überzeugt, gerade auch Ray Herrmann, der ja eigentlich nur „Ersatz“ ist, aber dessen Sopransaxophonsolo bei „Just You ‚N’ Me“ einer der Höhepunkte des Abends war. Auch Jason Scheff hat, im Gegensatz zu einigen alten Liveaufnahmen, die ich kenne, toll gesungen. Ich habe Peter Cetera nicht vermisst. Ich kann nur sagen: Weiter so. Ich würde jederzeit wieder zu Chicago gehen.

P.S. Vorgruppe waren die Jacob Karlzon 3, ein Jazz Piano Trio, die mir ebenfalls sehr gut gefallen haben.

Meine Fotos: Tris Imboden war hinter seinem Schlagzeug und der Percussion versteckt. Das Foto ist beim Auftritt der Jacob Karlzon 3 entstanden, bei dem er seitlich auf der Bühne stand und zugehört hat.

Tris Imboden
James Pankow (1)
Keith Howland (1)
Ray Herrmann
Lee Loughnane
Jason Scheff (1)
Lou Pardini
Band in action (1)
Jason Scheff (2)
Lee Loughnane (2)
Band in action (2)
Robert Lamm
James Pankow (2)
Keith Howland (2)
Ray Herrmann (2)
Encore
_______________________________________________________________

Setliste

01. Ballet For A Girl In Buchannon
02. Does Anybody Really Know What Time It Is?
03. Dialogue (Pt. I & II)
04. Alive Again
05. Call On Me
06. Old Days
07. Along Comes A Woman
08. Wake Up Sunshine
09. If You Leave Me Now
10. (I've been) Searching So Long
11. Mongonucleosis
12. Baby, What A Big Surprise
13. Hard Habit To Break
14. You're The Inspiration
15. Street Player
16. Just You ‘N’ Me
17. Beginnings
18. Saturday In The Park
19. Hard To Say I'm Sorry / Get Away
20. I'm A Man
21. Feelin’ Stronger Every Day

- ENCORE -

22. Free
23. 25 or 6 to 4

__________________________________________________________

The Chicago Transit Authority (1969): 2, 17, 20,
Chicago II (1970): 1, 8, 23,
Chicago III (1971): 22,
Chicago V (1972): 3, 18,
Chicago VI (1973): 16, 21,
Chicago VII (1974): 5, 10, 11,
Chicago VIII (1975): 6,
Chicago X (1976): 9,
Chicago XI (1977): 12,
Hot Streets (1978): 4,
Chicago 13 (1979): 15,
Chicago 16 (1982): 19,
Chicago 17 (1984): 7, 13, 14,
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JJG
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Re: CHICAGO, Mainz 19.6.2011

Beitrag von JJG »

Vielen Dank für den Bericht!
Obwohl "If you leave me now" immer eine Edelschnulze für mich war, liebe ich den Song.
"We are truth made in heaven, we are glorious" (Anderson/Stolt 2016)

Saaldorf

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Re: CHICAGO, Mainz 19.6.2011

Beitrag von DocFederfeld »

JJG hat geschrieben:Vielen Dank für den Bericht!
Obwohl "If you leave me now" immer eine Edelschnulze für mich war, liebe ich den Song.
Ja, das war eine tolle Ballade. Das große Problem war, daß Chicago danach immer mehr auf dieser Schiene gefahren sind und Alben wie 18, 19 und Twenty-1 (schreibt sich so ;) ) nur noch Balladen enthielten.

Ich sehe da viele Parallelen zu Genesis (nicht streng musikalisch, aber von der Entwicklung her), für die "Follow You, Follow Me" einen ähnlichen Umbruch bedeutete.

Glücklicherweise haben Chicago live gezeigt, daß sie eben eine Rockband mit Gebläse sind und keine amerikanischen Flippers :mrgreen:
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JJG
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Re: CHICAGO, Mainz 19.6.2011

Beitrag von JJG »

DocFederfeld hat geschrieben:Glücklicherweise haben Chicago live gezeigt, daß sie eben eine Rockband mit Gebläse sind und keine amerikanischen Flippers :mrgreen:
So hab ich sie auch nie gesehen, obwohl ich nur 2-3 Scheiben kenne und sie auch schon lange nicht mehr gehört habe.
Vielleicht sollte ich das mal wieder tun. 8-)
"We are truth made in heaven, we are glorious" (Anderson/Stolt 2016)

Saaldorf

ingo
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Re: CHICAGO, Mainz 19.6.2011

Beitrag von ingo »

Nach diesem Bericht wird bei mir aus gespannter Erwartung richtige Vorfreude. Muss mich allerdings noch bis zum 2. Juli gedulden.
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SOON
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Re: CHICAGO, Mainz 19.6.2011

Beitrag von SOON »

Danke für den tollen Bericht und die Bilder.
Scheint immer noch eine tolle Liveband zu sein.
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Topographic
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Re: CHICAGO, Mainz 19.6.2011

Beitrag von Topographic »

Jetzt kommst du und schreibst einen so tollen Bericht - dabei hab ich das Stuttgart-Konzert nun gestrichen, damit ich mit SOON zu RTF kann. Wie man's macht, ist es wohl falsch... :lol:

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DocFederfeld
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Re: CHICAGO, Mainz 19.6.2011

Beitrag von DocFederfeld »

topographic hat geschrieben:Jetzt kommst du und schreibst einen so tollen Bericht - dabei hab ich das Stuttgart-Konzert nun gestrichen, damit ich mit SOON zu RTF kann. Wie man's macht, ist es wohl falsch... :lol:
Naja, man kann sich halt nicht teilen und RTF wird sicherlich ein Erlebnis werden ;) . Mann sollte auch nicht vergessen, daß Chick Corea 70 Jahre alt ist, also noch älter als Robert Lamm. Man sollte mitnehmen, was geht.
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