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Big Blue Ball (Peter Gabriel & friends) - Big Blue Ball

Verfasst: Fr 27. Nov 2009, 17:31
von Eric
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Big Blue Ball ist das Ergebnis einer mehrjährigen internationalen Projektarbeit, die Gabriel und der walisische Musiker Karl Wallinger (bekannt als Mitglied von World Party und The Waterboys) zusammen ins Leben riefen und verwirklichten. In den Jahren 1991, 1992 und 1995 luden Gabriel und Wallinger Musiker, Dichter und Songwriter aus allen Winkeln der Erde jeweils für eine Woche in die Real World Studios ein. Ziel des Projekts war, dass die Künstler aus den unterschiedlichsten Kulturen zusammen arbeiten, musizieren, Songs schreiben und aufnehmen konnten, um so ein einzigartiges musikalisches Gesamtwerk zu erschaffen, das die verschiedenen musikalischen Einflüsse zusammenführt und neu kombiniert.

Im Gegensatz zu anderen Alben wie Passion oder Ovo, bei denen Gabriel ebenfalls mit einer Vielzahl von Musikern aus aller Herren Länder zusammenarbeitete, ist Gabriel diesmal nur ein Künstler unter vielen. Nur bei 5 der 11 Titel wirkt er als Musiker mit, bei 3 Songs auch als Sänger. Ansonsten übernahm er die Rolle des Produzenten - zusammen mit Stephen Hague (bekannt hauptsächlich als Produzent von Erasure, OMD und den Pet Shop Boys) Karl Wallinger.
Aus der Vielzahl von Songs, die bei den Aufnahme-Sessions entstanden waren, kristallisierten sich dann nach und nach die Songs heraus, die es auf das Album schaffen sollten. Nicht alle Musiker, die an den Sessions beteiligt waren, sind am Ende auch tatsächlich auf dem Album zu hören. Unter den mitwirkenden Musikern finden sich viele alte Bekannte aus Gabriels Umfeld wie Sinead O'Connor, Deep Forest, Papa Wemba oder Hossam Ramzy. Von Gabriels Stammmannschaft" sind Ged Lynch, Manu Katche, Angie Pollock und Richard Evans vertreten.
Eigentlich hätte das Album schon 1995 fertig werden können. Im Laufe der Jahre war eine Veröffentlichung immer mal wieder im Gespräch. Aber schließlich haben wir es mit Peter Gabriel zu tun und bei dem ticken die Uhren ja bekanntlich etwas anders - oder zumindest langsamer. Die letzten Overdubs und finalen Aufnahmen erfolgten so auch erst in 2007. Doch bevor der blaue Ball sich endlich auf unseren Plattentellern drehen konnte, musste erst noch ein anderer großer blauer Ball ein weiteres Mal den noch viel größeren gelben Ball umkreisen. Jetzt endlich hat das Warten ein Ende und Big Blue Ball liegt uns vor.

01 Whole Thing (Original Mix)
Der erste Song des Albums überzeugt mit einer eingängigen Melodie und hat unverkennbare Singlequalitäten. Peters Gesang schwebt über dem Arrangement aus Gitarren, Drums und Bass und dominiert den Song. Nach dem ersten Refrain drängen Gitarren und Schlagzeug stärker in den Vordergrund. Nach dem zweiten Refrain wird es in einem kurzen Intermezzo mit verzerrten Gitarren sogar richtig rockig. Besonders gut gefällt mir an dem Lied der meist mehrstimmige Gesang Gabriels. Dass der Song bereits Anfang der 90er aufgenommen wurde, merkt man Whole Thing nicht an. Die Gitarrenrocknummer klingt frisch und modern und hätte wenn überhaupt wohl eher auf Up als auf Us gepasst.

02 Habibe 07:12
Hat der Opener Whole Thing noch nicht erahnen lassen, dass es sich bei Big Blue Ball in erster Linie um ein von World Music geprägtes Album handelt, so entführt uns Hossam Ramzy mit Habibe in die Welt von Tausendundeiner Nacht. Der mit 7 Minuten längste Track des Albums (ursprünglich war er sogar über 20 Minuten lang) startet mit Natachas eindringlichem Gesang, begleitet vom Saz, der türkischen Laute. Zusammen mit den Streichern ergibt sich ein dichter Klangteppich, der nach einer guten Minute von einem kraftvollen orientalischem Rhythmus aufgerissen wird. Der Groove lädt zum Tanzen ein oder zumindest zum Mitwippen. Für westeuropäische Ohren ist der Song sicherlich gewöhnungsbedürftig. Aber wer unvoreingenommen hinhört, wird schnell feststellen, dass es sich eigentlich um eine recht eingängige Nummer handelt. Ein wenig fühlt man sich an Stings Desert Rose oder gar Tarkans Simarik erinnert, nur dass Habibe bei weitem nicht so radiotauglich ist.

03 Shadow: 04:27
Nein, das sind nicht die Gypsy Kings. Das ist Papa Wemba mit Band begleitet von Juan Cañizares an der Flamenco Gitarre. Die Stimmen von Papa Wemba und Reddi Amisi ergänzen sich wunderbar. Hier vereinen sich afrikanische Einflüsse und Latinoklänge zu einer herrlichen stimmungsvollen Synthese. Wer bei Habibe noch still sitzen bleiben konnte, der wird spätestens durch Shadow vom Sofa gerissen und zum Tanzen animiert. Der Song verbreitet einfach gute Laune und macht Spaß.

04 altus silva 06:07
Dass keltische Klänge in Kombination mit afrikanischen Rhythmen ganz famos klingen können, wissen wir spätestens seit Afrocelt Sound System. Der Song altus silva bildet da keine Ausnahme, sondern wird durch das französische Techno Duo Deep Forest sogar noch richtig radiotauglich. Über das Piano Riff legt sich Joseph Arthurs samtweiche Stimme, die im Refrain dem gälischen Gesang des Afrocelt Sound System Sängers Iarla Ó Lionáird Platz macht, bis die beiden Stimmen zum Schluss zusammen erklingen. Hier treffen zwei wirklich fantastische Stimmen aufeinander. Abgerundet wird das Arrangement durch irische Flöten und einen wabernden Bass. Ein schöner Song zum Träumen.

05 Exit Through You 05:52
Wäre da nicht die leicht verzerrte Stimme von Joseph Arthur in den Strophen, dann wäre Exit Through You eigentlich ein typischer Gabriel Song. Da sind diese charakeristischen Keyboardsounds und Programming Effekte, die auf Us und teilweise auch auf Up immer wieder durchklingen. Der Refrain erinnert entfernt an More Than This, insgesamt aber weniger gitarrenlastig, sondern eher bass- und rhythmusbetont. Zum Schluss gibt es sogar noch ein wenig Gabrielese vom Feinsten, wie man es z.B. von No More Apartheid kennt. Arthur und Gabriel haben den Song angeblich in nur einer Stunde geschrieben. Wenn unser Peter doch nur öfter ein solches Arbeitstempo an den Tag legen würde.

06 Everything Comes From You 04:42
Everything Comes From You ist wohl der düsterste und melancholischste Song des ansonsten recht fröhlichen Albums. Wie ein Mantra wiederholt Sinead O'Connor beschwörerisch immer wieder die selben Zeilen zur gleichen Pianomelodie. Das Klanggebilde aus Piano, Flöten, Mandoline und Backing Vocals wird mit der Zeit immer eindringlicher und bedrohlicher. Für mich ist der Song ein ganz großes Highlight auf Big Blue Ball und zählt klar zum Besten, was ich bisher von Sinead kenne.

07 Burn You Up, Burn You Down 04:
Und wieder was zum Tanzen. Auf der Still Growing Up-Tour war Burn You Up, Burn You Down der Partykracher schlechthin. Eigentlich sollte der Song ja bereits auf der Up erscheinen. Aber da hätte er wohl wirklich nicht besonders gut hingepasst. Allzu groß sind die Unterschiede nicht zur Single Version von 2003. Aber die Big Blue Ball-Version erscheint mir ein wenig luftiger und rockiger daher zu kommen. Die Vocals sind stärker im Vordergrund. Gefällt mir persönlich einen Tick besser als 2003!

08 Forest 06:16
Ethno-Klänge vermischt mit einem stampfenden Bassdrum Beats. Klingt wie Deep Forest, aber die beiden Franzosen mischen hier gar nicht mit. Noch einmal ist die Stimme des 2003 verstorbenen Hukwe Zawose zu hören, mit dem Gabriel schon bei Animal Nation zusammen gearbeitet hat. Dann ist auch wieder Levon Minassians Doudouk im Einsatz, das schon auf dem Album Us Songs wie Fourteen Black Paintings die ganz besondere Note verlieh. Dazu kommt noch jede Menge scheppernder Percussion von Arona N'diaye, etwas Rhythmusgitarre und fertig ist eine gefällige Ethno-Pop-Nummer. Nichts Weltbewegendes, so etwas hat man schon häufiger gehört aber insgesamt schön umgesetzt.

09 Rivers 05:44
Der Song lebt gänzlich von Martas exotischem Gesang. Die Instrumentierung mit Keyboardflächen und Flöten dient in erster Linie nur der stimmungsvollen Untermalung und der Verstärkung der Atmosphäre. Ein Song zum Entspannen und zum Zurücklehnen.

10 Jijy 03:59
Und ein Rap ist auch dabei. Keine Angst, Gabriel hat weder Sido noch Bushido in die Real World Studios eingeladen. Rossy rapt melodisch auf eine recht sympathische Weise. Zusammen mit dem Bass, der Percussion und vor allem den funky Bläsern wird da eine ganz spaßige Nummer raus.

11 Big Blue Ball 04:50
Der letzte Track lässt es wieder etwas ruhiger angehen. Die Instrumentierung ist fast ausschließlich akustisch gehalten mit Akkordeon, akustischen Gitarren und Orgel. Der Song hätte auch einem Eric Clapton Album entsprungen sein können. Ganz entspannt und unaufgeregt kommt die leicht folkige Nummer daher und glänzt mit einem sehr schönen Refrain, zu dem die hohe Stimme Karl Wallingers sehr gut passt. Dass Gabriel an diesem Song überhaupt beteiligt ist, merkt man ihm nicht an.


Fazit: Wer ein zweites Passion erhofft oder befürchtet hat, der wird enttäuscht bzw. erleichtert sein. Big Blue Ball ist keine schwer zugängliche Wordlmusic, sondern eine Sammlung von überwiegend recht eingängigen (Pop-)Songs mit Worldmusic-Einflüssen. Zwar hat es insgesamt 18 Jahre von den ersten Aufnahmen bis zur Veröffentlichung gebraucht. Dennoch klingt das Album frisch und lebendig. Peter Gabriel hat sich zurückgenommen und konnte der Versuchung widerstehen, alles zu sehr auszutüfteln und überzuproduzieren. Diese Akzeptanz kleiner Unvollkommenheiten und die daraus entstandene Leichtigkeit hat man von Gabriel zuletzt Anfang der 80er Jahre gehört. Man merkt dem Album stark an, dass es im Sommer eingespielt wurde, so ist ein schönes stimmungsvolles Sommeralbum herausgekommen, das eine große Lebensfreude versprüht. Obwohl hier die unterschiedlichsten musikalischen Einflüsse aufeinanderprallen, wirkt das Gesamtwerk dennoch wie aus einem Guss. Den meisten Songs ist die Spielfreude der Musiker und der Spaß an dem Projekt deutlich anzumerken. Warum es fast zwei Jahrzehnte dauern musste, bis das Projekt vollendet werden konnte, wird wohl ein Rätsel bleiben müssen. Big Blue Ball ist kein Album, auf das es sich lohnen würde, so lange zu warten. Aber wenn es dann kommt, dann darf man sich darüber schon freuen.

Re: Big Blue Ball (Peter Gabriel & friends) - Big Blue Ball

Verfasst: Fr 27. Nov 2009, 18:24
von BBQ.Master
Ich finde das Album insgesamt sehr stark. Es ist nur schade, dass es relativ unbekannt geblieben ist. Einige Songs haben ein wirkliches Hit-Potential, bestes Besipiel ist wohl "Exit Through You".

Re: Big Blue Ball (Peter Gabriel & friends) - Big Blue Ball

Verfasst: Fr 27. Nov 2009, 21:35
von Eric
BBQ.Master hat geschrieben:Ich finde das Album insgesamt sehr stark. Es ist nur schade, dass es relativ unbekannt geblieben ist. Einige Songs haben ein wirkliches Hit-Potential, bestes Besipiel ist wohl "Exit Through You".
Ja, wirklich schade. Man hätte ja auch mal die eine oder andere Single auskoppeln können, da gab es mehrere potenzielle Hits! Nicht nur Exit Through You, auch Whole Thing und altus silva gehen sehr gut ins Ohr.

Re: Big Blue Ball (Peter Gabriel & friends) - Big Blue Ball

Verfasst: Sa 28. Nov 2009, 18:32
von SOON
ich habe die Vinylversion (die Fertigungstechnisch nicht so dolle ist!) aber bis jetzt hat die Musik bei mir nicht gefunkt.
Muss mir da noch ein paar Hördurchläufe geben!