Þursaflokkurinn - Þursar (5CD Box)

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Max
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Þursaflokkurinn - Þursar (5CD Box)

Beitrag von Max »

Im Urlaub 2008 habe ich wegen des Regenswetters mal einen Text über meinen Neuerwerb, die 5-CD Box von Þursaflokkurinn, geschrieben.

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Die meiste Musik aus dem unkonventionelleren, folkig-proggigen Bereich, die wir Deutschen so normalerweise hören, kommt zumeist aus Großbritannien. OK, manche haben auch eine ganze Menge aus Italien auf Lager, aus den USA gibt es auch einiges an guter Progmusik, vielleicht kennen einige auch noch Musik aus Frankreich oder Griechenland. Aber – seien wir ehrlich – aus Island steht (außer Sigur Rós) bei den meisten nichts im Plattenschrank.

Dabei gibt es aus diesem Nordland eine hochinteressante Truppe, die aber außerhalb Islands erst im Internet-Zeitalter bekannt wurde und nun sogar 1000 Suchergebnisse bei Google erzielt und ein kleines Forum bei Facebook hat: Hinn Islenski Þursaflokkur (zu Deutsch: der isländische Koboldhaufen), verkürzt auch Þursaflokkurinn (Koboldhaufen).

Wahrscheinlich hatte die ab 1978 aktive Gruppe den Prog-Zug verpasst; und Musik von einer Insel, die mehrere hundert Kilometer von der nächsten Großstadt und dem nächsten Festland entfernt ist schallt die Musik auch nicht nach Zentraleuropa herüber. In der Heimatlande war die Gruppe aber sehr beliebt und hat dort einen ganz ordentlichen Hörerkreis. Immerhin kam die Gruppe auch nach Friesland „á hljómleikum“, was „In Concert“ bedeutet und auch der Name der Live-LP der Gruppe ist.

1978 wurde die Gruppe nahe bei Reykjavìk gegründet und bestand von da an aus Egill Ólafsson (Gesang, Keyboard und Akustikgitarre), Gitarrist Þórður Arnason, Fagottist Rúnar Vilbergsson (nur von 1978 bis 1980 und von 1983 bis 1984), Bassist Tómas Tómasson und Schlagzeuger Ásgeir Óskarsson. 1979 gesellte sich Karl Sighvatsson an den Tasteninstrumenten zu der Gruppe; leider verstarb er im Jahre 1991.

Zwei Studioalben und ein Livealbum brachte die Gruppe bis 1980 hervor, allesamt drei geniale Alben, auf die ich unten genauer eingehen werde; dann erfolgte 1981 ein Stilwechsel vom Folkrock zum ArtPop/New Wave hin. Aber auch dies half dem internationalen Erfolg nichts, den Durchbruch erreichten sie nie, sodass die Gruppe sich auflöste, ab und an wieder auf lokalen Festivals spielte und 1984 ihr letztes Album aufnahm, aber nie veröffentlichte.

Zumindest von 1978 bis 1980 auf ihren ersten drei Alben blieb die Band aber musikalisch hervorragend; ich hätte für das Gesamtwerk keinen passenden Vergleich parat, dafür ist das zu vielseitig und fremd. Und das nicht nur von der Musik, sondern auch vom Text her: die Stücke werden komplett in Isländisch gesungen, wobei es sich meistens um alte isländische Texte handelt, die entweder mit Musik von Egill Olafsson oder von alten Volksweisen unterlegt wurden; natürlich alles im Gewande der Rockmusik, von zart über skurril bis heavy. Die Textthemen erschließen sich mir nicht wirklich in all dem Buchstaben- und Runenzeichengewirr; anscheinend handelt es sich bei den Songs der ersten Alben aber – wie das World Wide Web so meint – um die Themen, die das isländische Volk der letzten 1000 Jahre so beschäftigt haben: Tänze, Spaßlieder, Hymnen an Verstorbene und vieles mehr.

Musikalisch gesehen kann man - wenn überhaupt - Parallelen zu Gruppen wie Magma oder Gentle Giant erkennen, aber auch das trifft nur auf manche Stücke zu. Am Naheliegendsten ist wohl der Vergleich mit den holländischen Focus. Das Abgedrehte behielt die Gruppe trotz neuer kommerzieller Direktion auch von 1981 bis 1984 bei, aber es wurde deutlich poppiger, minimalistischer und steriler – die akustischen Instrumente verschwanden fast ganz und wurden durch Synthesizer und Keyboards ersetzt, sodass der Fagottist nicht mehr dabei war, aber zwei Jahre später wieder in der abrupt beendeten „Renaissancezeit“ der Band zurückkehrte – wenn man dem Booklet der Bonus-CD glauben kann.

Diesen Februar (2008) feierte der Trollhaufen nach langer Un- oder Wenigtätigkeit dann ihren dreißigsten Geburtstag mit einer Tour mit der isländischen Kammerband Caput, wovon auch eine sehr empfehlenswerte CD/DVD entstanden ist.

Außerdem hat die Gruppe den Hörern ein sehr schönes Schmankerl gelassen, eine Art schwarze musikalische „Schatzkiste“, die man so nie für möglich gehalten hätte: alle 4CDs der Gruppe in einer Box mit einer Bonus Disc, die die unveröffentlichten Aufnahmen aus 1984 mit Livetiteln und Outtakes der anderen Alben zu einer fünften CD vereint.

Besonders erfreulich ist es, dass in der Schachtel die 1980er Live CD auch dabei ist; denn die gab es bisher nur als kostenpflichtiges Download – und viele (so auch ich) mögen es lieber, wenn sie eine legal gepresste CD mit allem Drum und Dran im Regal stehen haben.

Die Scheiben sind alle sehr edle Mini-Vinyl-Replikas, die in getrennten Digipaks stecken, welche wiederum in einen schwarzen, matten Hartpappschuber sitzen. Erst über diesem ist die Hülle geschoben, die man auf dem obigen Bild erkennen kann und auf der das Logo der Band (fünf Mal das Runenzeichen Thorne in einem Kreis) sowie der Bandname zu finden sind. Glänzend ist in die ansonsten matte Pappe das Logo der Gruppe mehrfach gekachelt eingebaut, sodass die Runenzeichen im Licht praktisch fluoreszieren; das kann man auf dem Foto leider nicht erkennen.

Die komplette Bandbiographie wurde in 5 Teile geteilt und auf die Klappen der schwarz umrandeten Digipacks gedruckt – im Hintergrund immer das Albumcover in matt, sodass man den Text auch gut lesen kann (auch wenn ihn wohl kein Einheimischer oder isländisch Beherrschender zu verstehen vermag).

Zusätzlich gibt es auch noch ein Booklet, in dem die Besetzung, die Liedtexte sowie Fotos und Zeitungsartikel liebevoll zusammengestellt wurden. Nur blöd, dass man außer den Bildern auch hier nichts bis wenig davon versteht.

Empfindlich sind die Digipacks schon: die Booklets scheinen manchmal aus normalem, dünnen Druckerpapier gefertigt zu sein – die Hüllen sind sehr kratzanfällig und sollten unbedingt in der Schachtel aufbewahrt werden.



Optisch ist die Schachtel trotz der Empfindlichkeit also schonmal erster Güte. Ein bisschen „internationaler“ hätte es aber schonn sein können; jeder Isländer versteht Englisch und auch fast jeder anderer, und ich hätte gerne die Bandbiographie genauer gekannt, was mir auf Isländisch aber nicht gelingt. Also 14/15 Punkten für das Äußere, denn so ein schickes Design habe ich lange nicht mehr gesehen – vor allem nicht von einer Gruppe, die fast keiner kennt und deren Verkaufszahlen den 4stelligen Bereich wohl nicht überschreiten werden.
Doch kommen wir nun mal zur Musik selbst, chronologisch mit dem Debütalbum beginnend.
Zunächst aber noch zwei Anmerkungen: da ich keine isländische Tastatur habe, habe ich das „Þ“ an einigen Stellen als „Th“ aufgelöst, das „ð“ als „d“ und das „Æ“ als „ae“. Das „T“ in den Writing Credits steht für „Texte von“ und das „M“ für „Musik von“,wobei „trad.arr.“ bedeutet, das ein traditionelles Musikstück arrangiert wurde, und zwar von dem, dessen Namen daneben steht.


Hinn Ìslenzki Þursaflokkur

http://file1.carookee.com/forum/YES-FOR ... Same.jpg?w

1.Einsetumaður Einu Sinni – T: BergÞórsson M: trad.arr. Ólafsson - (5:28)
2.Sólnes - M: Ólafsson - (5:03)
3.Stóðum Tvö Í Túni – T/M: trad.arr. Ólafsson - (4:03)
4.Hættu Að Gráta, Hringaná – T/M: trad.arr. Ólafsson - (2:45)
5.Nútíminn - M: Ólafsson T: Bjóla - (4:59)
6.Búnaðarbálkur - M: Ólafsson - (4:17)
7.Vera Mátt Góður - T/M: trad.arr.Thursaflokkurinn - (0:52)
8.Grafskript - T/M: trad.arr.Thursaflokkurinn - (6:42)


Egill Ólafsson:
Leadgesang, Klavier und Akustikgitarre
Ásgeir Óskarsson: Schlagzeug, Percussion, Handtrommel und Klingel
Tómas Tómasson: Bassgitarre und Harmonium
Rúnar Vilbergsson: Fagott, keltische Trommel
Þórður Arnason: alle Gitarren

aufgenommen: Juli-September 1978


Das erste Thursaflokkur-Album ist größtenteils eine Sammlung von alten isländischen Volksliedern, erweitert durch zwei Instrumentalstücke und ein Gesangsstück mit Text von einem Heern Bjóla, bei denen die Musik von Bandleader Egill Ólafsson geschrieben wurde.
Hörer von Folkrockmusik werden das Prinzip des Umarrangierens von Volksliedern schon von Gruppen wie Fairport Convention oder Steeleye Span kennen, welche mit dieser Art von Musik großen Erfolg hatten. Zwar bleibt der Erfolg bei Thursaflokkur aus, doch handelt es sich auch hier um zeitlose Musik und kreative, genial gemachte Coversongs, denen man ihr Alter garnicht anmerkt.
Wie die Gruppe „Gentle Giant“ schaffen es auch die Kobolde, in für Progverhältnisse kurzen Songs (zwischen einer knappen Minute und sieben Minuten Länge) sehr viel Inhalt und Feeling unterzubringen und ein hochinteressantes,wenn auch mit einer halbe Stunde recht kurzes Werk zu erschaffen.
Das Cover des Albums mutet zunächst etwas merkwürdig infantil an: ein alter Isländer mit Vollmondgesicht und dicker Jacke steht unter blauem Himmel mit dem Namen des Albums auf einem Schild auf einer rundum grünen Wiese. Im Hintergrund in einer Reihe weitere Männer. Wenn ich die Musik vorwegnehme, kann ich sagen, dass das perfekt passt. Schauen wir uns aber mal zunächst die Songs einzeln an:
Direkt nach Einlegen der Mini-Vinyl-CD schallt ein fröhlich stampfendes, aber merkwürdig krummes Thema aus den Lautsprechern, der Anfang von der Volksweise Einsetumadur Einu Sinni. Textlich geht es in diesem schon einige Jahrhunderte alten Lied um einen Einsiedler, der einem Vogel und seinem Gesang lauscht und einen schönen Tag dort verbringt. Während das Hauptthema durch einen stampfenden Bass, Fagott, textlosen Gesang, Basstrommel und Akustikgitarre gebildet wird, wird in den erzählenden Strophen auf das Schlagwerk verzichtet. Beeindruckend ist hier das Arrangement der im Hintergrund schwebenden E-Gitarre und des Fagotts, und der hymnische 3/4-Takt Refrain mit Schlagzeug. Im letzten Refrain rockt die Gruppe dann ordentlich los, während Sänger Egill Ólafsson nun jodelt. Ein wundervoller Opener, der von der Stimmung her eher an germanische Volkslieder anknüpft: sehr eingängige Musik, die beim ersten Hören sehr simpel wirkt, aber bis ins kleinste Detail durcharrangiert ist und einfach Spaß macht. Schaut man im Internet ein paar Bilder aus Island betrachtet, schließt sich der Kreis... man bekommt so ein gutes Gefühl, was Island eigentlich ist und was die Musik so reizvoll macht. Die verträumte, unwirkliche Stimmung - bei Thursar aber bodenständiger als die für mich zu feenhaften Sigur Rós.
Mit Sólnes gibt es direkt das erste Instrumentalstück zu hören. Der Hauptteil des Liedes besteht aus einer ruhigen, friedlichen Klavierakkordfolge, zu der eine sehr an Steve Hackett erinnernde schwebende, mit Echo versehene E-Gitarre, teilweise zusammen mit dem Fagott und dezenten E-Bass-Tönen, eine isländische Idylle aus den Boxen zaubert. Hier bestechen die drei Mitwirkenden eindeutig mit schönen, an die Klassik erinnernden Melodien und gefühlvollem Spiel. Zwischendrin setzt auch mal die komplette Band ein und sorgt für etwas Abwechslung, dass es doch nicht zu eintönig wird.
Das nächste Stück, Stóðum Tvö Í Túní, geht aber dann wieder in Richtung Rock, es beinhaltet sogar ein wenig Psychedeliaeinflüsse. In den Strophen hört man außer Bass, Fagott, einer keltischen Trommel und Gesang nichts, bis im Hintergrund hohe E-Gitarrentöne umher flattern und den kantig-bluesigen Refrain mit vollem Bandeinsatz einleiten. Hier ist die Gitarre ordentlich verzerrt und lässt sogar Parallelen zu der Frühphase von Pink Floyd erkennen. Geschickt wird am Schluss die Melodie der Strophen akustisch mit textlosem Gesang und der Mandoline wiederholt.

Hættu Að Gráta Hringaná ist wieder ein Kandidat, der mit seinem Wechselspiel aus ruhiger Musik (Strophe) und verspielt-tanzender Musik (Refrain) sehr an den Opener erinnert. Die Instrumentierung ist hier wieder akustisch, bis auf den E-Bass und die leise, quietschende E-Gitarre.
Das nächste Lied, Nútíminn, beginnt sehr temperamentvoll mit lauten Akustikgitarrenakkorden, krummem Rhythmus, rockiger E-Gitarre und einem Bass, der das Lied sehr an The Who erinnern lässt. Während der Anfang eher einfacher ist, wird es im Mittelteil dieses gerade eben 5 Minuten langen Stücks mittendrin in freiere Gefilde - hier ist wieder die als Effektgerät genutzte E-Gitarre präsent, wo Ólafsson wieder seinen Trollgesang hinzufügt. Mit dem eingängigen Refrain und der ersten Strophe geht das Stück wieder zu Ende.

Das Instrumentalstück Búnaðarbálkur, das bis weit später noch ein Live-Favorit der Band blieb (siehe „A hljomjékum“) besticht wiederum durch das ausgefeilte Arrangement - hier hört man die Trollbande zu einem Rhumba- und Bolerorhythmus (beides irgendwie vermengt) quietschen, jaulen und jodeln; Klavier, Fagott, Drums und Bass sorgen für ein schönes Fundament. Sehr gelungen und wohl am nächsten an dem, was wir wohl so als Prog bezeichnen würden.

Nach einem kurzen akustisch instrumentierten Volklied, Vera Mátt Góður, geht es zum Höhepunkt und Coda der CD über. Grafskript ist das längste Lied und zusätzlich in seiner Art einzigartig. Zu Harmoniumakkorden, Windgeräuschen, Schlagzeug, dezenten E-Gitarrentönen und Paukenschlägen wird hier eine düstere Melodie vorgetragen. Es handelt sich unverkennbar um einen Begräbnismarsch, wobei der Text eine Grabinschrift ist.
Musikalisch ist die CD erster Klasse; ich mag Folk, ich mag Prog, und Rock ebenso. Allerdings istdas Nachfolgeralbum ein wenig geschlossener und bunter, daher muss ich also 14/15 Punkten verteilen.


Þursabit

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1.Sigtryggur vann - T/M: trad./Ólafsson - 3:24
2.Brúðkaupssálmur - T/M: trad. - 0:35
3.Brúðkaupsvísur - T: Leirulaek M: Ólafsson - 3:00
4.XXX - Árnason - 0:07
5.Æri-Tobbi - T: vitlausi M: Ólafsson - 6:32
6. Frá Vesturheimi - M: Ólafsson/Sighvattson/Árnason/Óskarsson/Tómasson - 6:15
7. Gamall Skriftagangur - T: trad. M: Ólafsson - 5:40
8. Bannfæring - T/M: Ólafsson/trad.arr. Ólafsson - 3:47
9. Sjö sinnum - T: trad. M: Ólafsson/Sighvattson/Árnason - 6:45
10. Tóbaksvísur - T: trad. M: Ólafsson - 3:40


Egill Ólafsson: Leadgesang, E-Piano
Ásgeir Óskarsson: Schlagzeug, Percussion, Gesang
Tómas Tómasson: Bass, Gesang
Rúnar Vilbergsson: Fagott
Þórður Arnason: alle Gitarren, Gesang
Karl Sighvattson: Hammondorgel, Gesang

aufgenommen:: Mitte 1979


Weiter geht’s mit dem Zweitwerk, das – wenn ich den Inhalt schonmal vorausnehmen darf - eine buntere Melange als das kühlere Debütalbum präsentiert. Zu Deutsch heißt der Albumtitel "Rückenschmerzen"...ich weiß nicht warum. :P :lol:

Rockiger geht es jedenfalls hier zu, und die Hinzunahme von einem Hammondorganisten sowie die fremdartige Musik von Ólafsson der hier selbst die Musik komponiert machen es vielseitig, aber auch aufeinander abgestimmt.

Eingängig und skurril geht es mit Sigtryggur Vann... los: aus der Ferne kommandiert eine Stimme, dazu arhythmische Schläge von der Band. Wunderbar akurat und hart beginnt ein poppiges kleines Stückchen, eingeleitet von E-Piano und Hammondorgel. Herrlich näselnder Gesang kommt dazu, im Refrain leicht nach ABBA klingend, wobei auch hier der progressive Teufel im Detail liegt. Ein Gitarrensolo gibt es auch, bis das Stück nach einer weiteren Strophe und einem Refrain das Stück zu Ende geht. Verblüffend auch hier der moderne, zeitlose Sound – sowohl aufnahmetechnisch als auch musikalisch bedingt. Bis auf ein paar dezente Synthesizer im Hintergrund ist hier jedes Instrument analog (so wie ich es mag), aber dennoch modern (wie ich es auch gern mag).

Weiter geht es mit den Brautgesängen, die nach einem kurzen A-capella-Auftakt (Brúðkaupssálmur ) ordentlich Fahrt in die Scheibe bringen. Ein marschierender Rhythmus von E-Piano, Schlagzeug, E-Bass und Hammondorgel rollt stets weiter, dazu stimmungsvoller Gesang von Egill Olafsson, im Hintergrund Geräusche von einem Volksfest, inklusive Biergläsern und Gelächter. Sehr erinnert mich das an die frühen Yes, aber doch wieder etwas anders.

Dann gleiten kurz einige Gitarrentöne aufwärts (XXX), bis ein leises E-Piano eine krumme Tonfolge spielt (AEri-Tobbi). Darunter später ein holpriger Schlagzeugryhthmus, mächtige, effektgeladene E-Gitarren-Powerchords sagen gewisse Spacerockanleihen voraus. Nach krumm-jazzigem Gefrickele kommt ein hektischer Rhythmus von E-Piano und Hammondorgel, dazu singt Egill Ólafsson ein bisschen in Peter-Schilling-Manier, hallversehen und ein wenig an Psychedelic angelehnt. Dann auf ein Mal bedrohlicher Trollgesang zu Hammondorgel, und so geht das klangliche Spektakel weiter. Herrlich! Am Ende wird eine Instrumentallinie noch mit A-capella-Gesang fortgesetzt und lässt das jazzige Frá Vesturheimi beginnen. Nach dem ruhigen E-Piano-Anfang geht’s mit schneller Akkordfolge in guter Jazzrockmanier weiter, um im Mittelteil Soft Machines „Slightly All The Time“ schön sanft und mit unverkennbaren Canterburyanleihen in die späten 70er/frühen 80er zu holen. Unübertroffen hier aber die Radioaufnahme aus '79 (auf CD5) mit Sessionhammondorganisten Lárus H. Grimsson, der hier in der Mitte ein gutes Flötensolo hinlegte. Caravan lässt grüßen!

Eine versteckte Suite verbirgt sich am Ende der CD, etwa 20 Minuten lang und in 4 Tracks unterteilt. Der erste ist das gediegene,sehnsüchtig-melancholische (Gamall) Skriftagangur, mit sanfter Hammondorgel und hallversehener Gitarre. Die Gesangsstimme die sonst so schön affektiert jodelt verwandelt sich hier in eine traurige Stimme, die genau zur Musik passt. Kaum hat man den isländischen Nadelwald in der Dämmerung verlassen, tanzen schon die Wikinger um das Lagerfeuer und brüllen zu wilden Trommelgeräuschen herum. Ein ganzer Chor setzt ein, bis sich eine Melodie herauskristalliert, die das rockige Bannfaering inkl. Schlagzeugsolo bildet.
Sjö sinnum... besteht in der ersten Hälfte aus schwebenden Flächensounds, bis ein kirchenliedähnlicher Choral gesungen wird. Danach geht es rockig und bombastisch dem Ende zu, das durch die akustische Ballade Tobaksvísur mit flehendem Gesang, Akustikgitarre und Ziehharmornika. Ein sehr nachdenklicher und gelungener Schlussstrich.

Im Überblick kann man sagen, dass das Zweitwerk noch einen Tick besser als der Vorgänger ist, besonders ob des Cocktails aus Jazz, Canterbury, Psychedelic, Rock, Prog, Folk und Kirchenmusik. Hier also 15/15 Punkten, der Höhepunkt der Isländer.


Á hljómleikum [Live in Concert]

http://file1.carookee.com/forum/YES-FOR ... Live.jpg?w

1.Bjarnaborgarmars - (Einleitungsmarsch) - 0:41
2.Búnaðarbálkur - M: Ólafsson - 4:21
3.Orðsending - T: Jósefsson/Thursaflokkurinn M: Thursaflokkurinn - 10:03
4.Brúðkaupsvísur - T: Leirulaek M: Ólafsson - 3:36
5.Bannfæring - T/M: Ólafsson/trad.arr. Ólafsson - 4:01
6.Sjö sinnum Pt.1 - M: Sighvatsson/Árnason/Ólafsson - 2:15
7.Norður við Íshaf (grasljóð VIII) - T: Pálsson M: Ólafsson - 11:14
8.Sjónvarpsbláminn - T/M: Ólafsson - 10:08
9.Jón var kræfur karl og hraustur - T: Jónas Árnason M: Tómasson - 3:24

Egill Ólafsson: Leadgesang 3-8, E-Piano
Ásgeir Óskarsson: Schlagzeug, Percussion, Gesang
Tómas Tómasson: Bass, Leadgesang 9
Rúnar Vilbergsson: Fagott, Percussion
Þórður Arnason: alle Gitarren, Gesang
Karl Sighvattson: Hammondorgel, Gesang

aufgenommen:: 18.09.1980

Kommen wir nun zur Live-CD unserer Isländer. Wie man oben unschwer erkennen kann, sind hier im Gegensatz zu den Studioscheiben Longtracks vorhanden, sogar gleich drei, welche man auf keiner anderen Hinn-Islenski-Platte hören kann.
Aber legen wir nun mal die CD ein...
Barnaborgarmars ist nichts anderes als ein kurzer Bläsermarsch, der vom Tonband kommt. Währenddessen kommen die sechs Musiker auf die Bühne; das Publikum klatscht.
Vergleichsweise ruhig startet die Band in ihr 50minütiges Programm mit dem ruhigen Fagott-Epiano-Anfang des Debütalbumsongs Búnaðarbálkur. Doch das ist nur die Ruhe vor dem Sturm: der krumm-treibende Hauptteil des Stückes geht hier deutlich besser und rasanter ab als im Studio; die Klangqualität ist sehr gut, das Schlagzeug leider aber etwas zu „matschig“, einen druckvollen Sound kann man hier nicht genießen. Hier könnte ein ordentliches Remaster auf keinen Fall schaden. Trotzdem sehr schöne Version, hätte nicht gedacht, dass die 6köpfige Band dieses komplexe Stück so gekonnt auf der Bühne rüberbringt.
Mit Orðsending geht es sehr nahe in Richtung Klassik und Jazz - mit Orgelakkorden und leisem, rasanten Rhythmus geht es los, dazu rezitiert Egill Olaffson einen Text, mal redet er, mal schreit er verzweifelt. Leise kommt das E-Piano, ein sanftes Schlagzeug und das Fagott hinzu und bringen gemächlich ein bisschen Drive und Spannung hinzu. Ausgiebig wird hier improvisiert, gelassen und mit größter Spielfreude. Spätestens in der Mitte sind die Klassikanleihen dann verschwunden, ab dann kann man eher von Jazzrock reden.
Weiter geht’s mit dem „Thursabit“-Part, beginnend mit den Brautgesängen, allerdings um den A-cappella-Into erleichtert. Brúðkaupsvísur, sehr engangiert und schnell gespielt. Im Solo tippt Árnason die Gitarrensaiten nur leicht an, was trotz eines kleinen Spielfehlers sehr gut passt. Weiterhin gibt es zum Schluss die obligatorische Blues-Outro, die im Studio gefehlt hat. Nun braucht man sie sich nicht mehr nur zu denken. :)
Bannfaering mit seinem krumm-rockenden Rhythmus geht live hier besonders ab; die Hammondorgeln jaulen, und vermehrt kommt Árnasons verflangete E-Gitarre dazu. Erhebend ist hier bei der Liveversion das „santa Maria mater domini nostri“ das zum Schluss zu Orgel und Schlagzeug rezitiert wird.
Der erste schwebende Teil von Sjö sinnum... mit seinen quirligen Hammondorgeln wird hier zu einer schönen Einleitung für das jazzige Norður við Íshaf (grasljóð VIII) umfunktioniert. Dieses hat einen netten swingenden Rhythmus und gibt Herrn Sighvatsson die Gelegenheit, ein bisschen auf dem Akkordeon zu spielen. Eine kleine Loungejazzpassage sorgt ein bisschen für Auflockerung, bis das gelungene Anfangsthema in einen lustigen Teil aus dem Trollgejodele und wildem Geklopfe auf Stühlen und Trommelrändern übergeht. Der Troll der hier auf der CD herumgeistert scheint selbst im ernsteren Fagottjazz nicht zu wissen dass hier das Gejauchze nicht angebracht ist. ;-) Sei's drum, das Publikum findet das allerdings recht lustig – ebenso wie die Ansagen, deren Verstehen leider den Isländern vorbehalten ist. Ein bisschen Sprechgesang gibt es hier und da, bis die Isländer plötzlich in Sky-Manier mit deutlichem Bass und rasendem Rhythmus losrocken, dazu ein herrliches Gitarrensolo. Danach geht’s wieder jazzig, wenn auch eher canterburymäßig wieder mit Gesang weiter, bis die Trolle einen stetig rollenden Marsch ganz im Sinne von „Grafskript“ einleiten, aber deutlich spaciger geraten: Sjónvarpsbláminn. Nach sanfter plingender E-Piano-Schlafliedmelodie gesellen sich langsam die anderen Musiker dazu und verwandeln besagtes Schlaflied in eine psychedelische Improvisationsorgie verwandeln. Unten piept die Orgel, die E-Gitarre spielt Fanfaren, das Fagott trötet wild nebenbei, und auch die Becken bleiben von ewigen Wirbeln nicht verschont. Nach 8 Minuten sind sie dann fertig, bis nach ewiger Ansage plötzlich ein punkig rockendes Stück beginnt. Hier sind die Isländisch Sprechenden sicherlich im Vorteil, denn die können den Lärm schon voraussehen wenn sie die Ansagen verstehen.
Bei Jón var kræfur karl og hraustur sind nur noch Árnason, Tómasson und Óskarsson auf der Bühne und legen ordentlich los; Tómasson brüllt sich die Seele aus dem Leib und bringt das Konzert so recht fetzig zu Ende. In diesem Kontext sehr gelungenes Endstück.

Das Konzert ist sehr gut gelungen und für Hinn-Islenski-Verhältnisse sehr jazzig ausgefallen; der Sound und die stellenweise vorhandene Langwierigkeit bringen dann aber eine Bewertung von 13/15 Punkten rein.


Gaeti eins verid...

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1.Pínulítill karl 3:53
2.Gegnum holt og hæðir 3:34
3.Nú er heima! 3:27
4.Sérfræðingar segja... 3:42
5.Gibbon (Hylobates) 5:23
6.Fyrst var ekkert 4:59
7.Þögull eins og meirihluttin 3:20
8.Vill einhver elska...? 4:25
9.Ranimosk 5:53

Egill Ólafsson: Gesang, Keyboard
Ásgeir Óskarsson: Schlagzeug
Tómas Tómasson: Bass, Keyboard
Þórður Arnason: Gitarre

aufgenommen:: Ende 1981-Anfang 1982

1981, ein Jahr nach ihrer Live-CD brachten die Isländer ihre nächste Studio-CD heraus, die deutlich einfacher, elektronischer und steriler daherkommt. Bei Progpuristen wurde sie bereits als sehr schlecht bezeichnet (bei den BBS 3/15 bzw. 4/15 Punkten). Mein eigenes Urteil ist aber, dass das vierte Album überhaupt nicht so schlimm ist, wie überall gesagt wird. Im Gegenteil: in großen Teilen handelt es sich um sehr guten, entspannten Pop – relaxter Minimalismus.

Direkt der Opener Pínulítill karl gefällt mir zum Beispiel sehr gut; hier wird auf einem schönen, funkigen Rhythmus durch die Akustikgitarre und den Gesang improvisiert. Ich spreche beim Gesang von Improvisation, weil der Text praktisch zum größten Teil aus immer wieder wiederholten Worten besteht. Toll ist hier das Akustikgitarrensolo und der chromatische mehrstimmige Gesange. Diese herrlich lässige Stimmung gefällt mir recht gut und kann auch beim zweiten Lied, Gegnum holt og hæðir festgestellt werden. Hier geht der Rhythmus eher in die Reggae-Ecke; in der Mitte gibt es ein sehr interessantes E-Gitarrensolo, im Untergrund heulen die Synthesizer und auch der exotische Gesang überzeugt hier. Sehr fremdwürdig mutet Nú er heima! an, bei dem es nochmal einen holprigen Rhythmus zu hören gibt, bei dem die Trollstimme von Olafsson dominiert und ab und an „ein Mann“ brüllt, relativ eigenartig und abseits vom Mainstream – die anderen Instrumenten sorgen wie bei den anderen Songs wieder für einen 80s typischen Untergrund. Sérfræðingar segja... beginnt mit Schreibmaschinengeräuschen und ist eigentlich das erste Stück, das mit seinem Sprechgesang und den Powerchords der E-Gitarre wirklich an New Wave erinnert. Ansonsten ist es wieder praktisch das selbe, was wir auch schon von den ersten drei Liedchen kennen.
Der Gibbon, mit wissenschaftlichem Namen Hylobates (wie man im Booklet nachlesen kann), ist nicht nur ein kleines Äffchen, sondern auch der nächste Track, der mit seinem spritzigen Drummaschinenbeat, den krummen Keyboards und der interessanten Schlagzeugarbeit wie eine isländische Version von Genesis' „Mama“ wirkt, aber insgesamt auch besser gemacht - liegt wohl daran, dass ich mit „Mama“ nie warm geworden bin. Der sehr krumme, angespannte Gesang sorgt auch hier wieder für eine merkwürdige, kühle Stimmung. Nun fährt die Band mit Fyrst var ekkert fort, welches an den Stil der anderen Songs anknüpft: eine krumme Hauptlinie, ein psychedelisch angehauchter Schlagzeugrhythmus und dezente Keyboards dominieren das Klangbild. Während der gesang am Anfang merkwürdige Linien singt bekommt der Song in der Mitte nach einem unüberhörbarem abrupten Wechsel zwischen Moll und Dur richtig Fahrt und geht fast schon in die Postrock-Richtung. Beim nächsten Stück, Þögull eins og meirihluttin, gibt es endlich mal etwas Rock im Stile vom letzten Stück der Live-Platte zu hören. Hier spürt man sehr deutlich die Punkeinflüsse, die die Band 1981 erfahren hat. Der drivende Rhythmus rettet das Stück aber, und die Tatsache, dass Schlagzeuger Óskarsson die Musik komponiert hat, macht es sehr interessant und bringt es dann in den grünen Bereich. Nach der eher schwachen Ballade Vill einhver elska...? mit Verkaufsstandgeschrei kommen wir zum Höhepunkt des Albums, Ranimosk. Hier handelt es sich um einen instrumentalen Marsch mit ruhig-verträumter Gitarren-Keyboard-Arbeit, der eine Art moderne Version vom 1978er „Grafskript“ darstellt. Ein hochinteressantes Stück, das sich endlich aus den New-Wave-Gefilden herausbegibt und sehr nah in die Progecke gerät.
Als Fazit kann ich sagen, dass die rezensierte CD für Pop-Verhältnisse erstaunlich gut gelungen ist und auch recht oft in meinen CD-Spieler findet. Das Relaxte ist bei unseren Isländern recht selten, zumal die andere Musik zwar ausgelassen und auch sehr gut bis überragend, aber nicht richtig entspannt ist. Hier ist das der Fall... natürlich kommt das nicht an die Vorgängeralben heran, hat aber eine Bewertung von 10/15 Punkten sicherlich verdient. Nach dem ersten Hören waren es erst noch 7, aber nach mehrmaligem Hören hat sich das deutlich vermehrt.


Ókomin forneskjan

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Ókomin forneskjan
1.Ókomin forneskjan (1984) - T/M: Ólafsson - 5:05
2.Of stórt... (1984) - T/M: Ólafsson - 3:04
3.Fjandsamleg návist III (1983) - T/M: Ólafsson - 4:04
4.Súpa a la carte (1983) - T/M: Ólafsson - 6:04
5.Hverju á að trúa - Arab? (1984) - M: Ólafsson/Tómasson/Jónsson - 2:41
Live 1978 und 1981
6.Sérfræðingar segja (1981) - T: Þorleifsson M: Ólafsson - 4:04
7.Harley Davidson (1981) - T: Eldjárn M: Ólafsson - 5:46
8.Anarkí (1981) - T/M: Ólafsson - 3:53
9.Svífur uppi á silfurhimni (1978) - T/M: Ólafsson - 5:27
10.Lísu-blús (1978) - T: Megas M: Ólafsson - 6:01
Demos 1980
11.Sveinninn er samningi bundinn (1980) - T: Eldjárn M: Ólafsson - 2:40
12.Fram allir vöðvar (1980) - T: Eldjárn M: Ólafsson - 2:00
13.Sálmur fyrir gullauga aka Gegnum holt og hæðir (1980) - T: Eldjárn M: Ólafsson - 3:46
Albumtracks live im Radio und bei Festivals
14.Gegnum holt og hæðir (1991) - T: Eldjárn M: Ólafsson - 4:12
15.Frá Vesturheimi (1979) - M: Ólafsson/Sighvattson/Árnason/Óskarsson/Tómasson - 7:49
16.Þögull eins og meirihlutinn (Í Speglinum) (1982) - T: Guðmundsson M: Óskarsson - 3:25


Egill Ólafsson: Leadgesang, Keyboard, E-Piano, Akustikgitarre
Ásgeir Óskarsson: Schlagzeug, Percussion, Gesang
Karl Sighvattson: Hammondorgel, Gesang
Tómas Tómasson: Bass, Keyboard, Gesang
Rúnar Vilbergsson: Fagott, Percussion
Þórður Arnason: Gitarren, Gesang
Lárus Grimsson: Hammondorgel, Flöte (15)


Was man auf dieser CD zu hören bekommt kann man direkt schon auf dem Cover erkennen. 5 Trolle sitzen ums Lagerfeuer, in Schwarz-Weiß, in der Mitte ein Troll, der gerade vom Stein zum Troll wird (so scheint es mir jedenfalls wenn ich mich an irgendein Trollmärchen richtig erinnere ;-)).
Und der eine, links abgebildete Troll, der auf dem Bild besonders ins Auge fällt, hat einen Steckdosenstecker in der Hand und scheint damit nicht wirklich etwas anfangen zu können. Die 5 Trolle sind natürlich die Band, aus alten Zeiten, der in der Mitte (der Halbtroll) vielleicht der Flötist der zeitweise in der Band war - und der Bandleader (der linke Troll) wird mit elektrischem Strom konfrontiert,verkörpert von dem Stecker, und experimentiert damit rum. Was bei diesem Experiment mit modernen Sounds (Elektronik) herauskam, kann man hier hören - im typischen Hinn-Islenski-Sound, teils live, teils im Studio. Eingeteilt habe ich das Album frei nach der Rückseite der CD...
„Ókomin forneskjan“ ist im eigentlichen Sinne nur der erste Part der CD, der Rest sind die Bonustracks die man – unter Rücksichtnahme der ursprünglichen CD - auf dieser getrennten Scheibe untergebracht hat. Die Kritik, dass es auf den CDs keine Bonustracks gibt, ist also falsch... man hat sie nur getrennt untergebracht.

Die Platte beginnt mit dem Stück Ókomin forneskjan, das eine herrliche Mischung aus akustischer und elektronischer Musik darstellt. Runar Vilbergsson spielt hier am Fagott mit, die Akustikgitarre hat die E-Gitarre ersetzt. Dazu kommt gleich doppelte Keyboardladung von Bassisten Tómasson und Bandleader Ólafsson und rundum gelungener mehrstimmiger Gesang dazu. Das ist reiner Postrock, der mit der Musik von „Gaeti eins verid...“ nichts mehr zu tun hat. Eher kommt diese düstere, aber rundum warme Musik an Runrig heran.
Ganz anders ist da das im selben Jahr entstandene Of stórt..., eine schöne Ballade nur mit E-Piano, Gesang und Schlagzeug. Eine Art Demo wahrscheinlich... ganz nett, aber mit drei Minuten Spielzeit nicht weltbewegend.
Ein Jahr früher nahmen Tómasson, Ólafsson und Óskarsson das New-Wave-artige Fjandsamleg návist III, das auch gut auf „Gaeti“ gepasst hätte, auf. Schön ist hier der locker-jazzige Rhythmus und Gesang. Súpu à la carte geht wieder eher in die Richtung des ersten Songs, ist sehr düster und mit flehendem Gesang versehen. In den 6 Minuten geschieht hier auch einiges, aber leider wieder ohne Fagott. Das letzte Stück des unveröffentlichten Albums ist Hverju á að trúa - Arab? war wahrscheinlich als ein „Überleitungsexperiment“ gedacht; hier gibt es drei Minuten lang athmosphärische Keyboardgeräusche zu hören, dazu diverse Soundschnipsel (als „Raddir“ im Booklet bezeichnet). Die Co-Writing-Credit von Ásgeir Jónsson stammt vom Produzenten, der hier maßgeblich beteiligt war. Die Musik scheint direkt von der Küste zu kommen, denn hier rauschen die Wellen und schlagen gegen das Ufer, darüber kreischen die Möven und schaukeln die Schiffe im Meer.
In diese Soundcollage begibt sich nun das Stück Sérfræðingar segja von „Gaeti eins verid..“. Erstaunlich, wie gut die frühe Liveversion dieses Stücks aus dem August 1981. Etwas zügiger geht es hier zu, mit tollem Schlagzeugrhythmus und viel Spielfreude. Pop bleibt es zwar dennoch, aber besser als im Studio ist die Version allemal. Noch interessanter wird es beim nächsten Lied, Harley Davidson, auch aus 1981, das von der Art her auch gut auf eines der frühen Alben gepasst hätte. Im Hintergrund schweben Gitarrentöne, dazu singt Ólafsson mit E-Piano-Begleitung eine bombastische Ballade, teilweise mit Bandbegleitung. Sehr schönes Stück, das mit „Gaeti...“ eigentlich nichts zu tun hat. Das nächste Stück heißt Anarki und klingt wie eine isländische Version von „Skandal im Sperrbezirk“, anscheinend aber mit politischem Text. Hier wurde der Minimalismus wieder gut zu einem gelungenen New-Wave/Rock-Stück umgewandelt. Interessant, dass die teilweise „nur“ befriedigende bis gute Popmusik live deutlich besser war. Einige Livealbum täten hier noch Not, nicht nur aus 1981, sondern auch aus 1978. Aus dem Jahr kommt nämlich die Aufnahme von zwei überragenden Folkrockstücken, das erste Svifur uppá silfurhimni, ein treibendes Stück mit Akustikgitarre von Egill Ólafsson, stimmungsvollem Gesang, einem rollenden Rhythmus und wildem Fagott. Die hymnisch-aggressive Strophe wechselt sich mit dem wütenden Refrain ab, zwischendrin gibt es wildes Gebrülle und freejazziges Gequietsche von Gitarre und Fagott. Hut ab. Lisù-blus ist da eher gediegener und besticht durch schwebenden Gesang sowie Árnasons psychedelische Gitarrenarbeit. Eine Hammondorgel sucht man aber bei beiden Stücken vergeblich, denn sie kommen beide aus der Frühphase der Band. Trotzdem in seiner melancholisch-psychedelischen Romantik wunderbar.
Mit ein paar Aufnahmen aus 1980 geht es weiter, sehr im Stil von den drei Longtracks des Livealbums gehalten. Los geht’s mit Sveinninn er samningi bundinn, ein jazziges Stück mit krummem Gesang, wildem Percussionrhythmus und funkiger Gitarre. Tolles Stück, leider in diesen 28 Jahren nie ans Tageslicht gekommen. Koboldartig ist Fram allir vöðvar mit Klavier, Gesang und Schlagzeug. Genial hier die mehrsilbigen Betonungen auf einem beschwingten Rhythmus und das selbstbewusste Gebrülle. Das nächste Stück ist nicht nur musikalisch sondern auch historisch interessant. Es handelt sich um eine klassische Klavier-Gesang-Demo von Gegnum holt og hæðir, hier als Sálmur fyrir gullauga bezeichnet. 2 Jahr später wurde das Stück auf „Gaeti eins verid...“ als funkige Rocknummer veröffentlicht, von der es eine fantastische Liveaufnahme anno 1991 mit Fagott gibt. Die Wärme, die im Studio gefehlt hat, gibt es hier genug – liegt wohl daran, dass es das Festival für den 1991 verstorbenen Ex-Organisten von Hinn Islenski Karl Sighvattson war. Dazu muss die Band natürlich komplett auftauchen, und das Lied ist über die Jahre noch besser geworden.
Nun gibt es ein Schmankerl aus dem finnischen Radio '79, eine spektakuläre Liveversion von Frá Vesturheimi... – tolle Soundqualität und musikalisch noch gelungener als auf „Thursabit“. Aus für mich unerklärlichen Gründen fehlt hier Karl Sighvattson an der Orgel, weswegen man Lárus Grimsson eingestellt hat. Der legt aber hier ein tolles Querflötensolo hin, schön beschwingt und fröhlich, im Endteil leicht bluesig rockend mit tollem Bass. „Caravan lässt grüßen“ schrieb ich oben...jetzt, wo ich die Aufnahme höre, wird das noch deutlich. Zum Schluss gibt es noch das Punkstück von „Gaeti“ Þögull eins og meirihluttin in einer 1982er Aufnahme...hier am Ende passt das garnicht, aber besser am Ende als garnicht,zumal der rauhe Klang live der Aufnahme gut tut und das Stück als Komposition vom Schlagzeuger eine Art Monolith in der Bandgeschichte ist.

Am Anfang habe ich spontan meine gefühlten Bewertungen für die 16 Songs der CD abgegeben; das was da rauskam, wurde dieser großartigen Bonus-CD aber nicht gerecht. Gefühlte 13 Punkte sind das für mich, denn das Ganze ist hier nicht nur größer als sein Teil, sondern noch einen Tick größer, allein schon wegen der bunten Musikstile und des historischen Werts,und wegen des tollen Covers und des Sounds. Also, 13/15 Punkten für CD 5.
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Aufgerundet 14/15 Punkten kommen dann am Ende für das gesamte Boxset raus.

Ich denke, diese Bewertung ist recht nahe an meiner Gefühlten und wird dieser genialen Progtruppe aus Island gerecht. Deren Diskographie ist fast perfekt und sollte – am besten komplett - in jeder Progsammlung stehen. Für einen Preis von 75$ +12$ Versand, also etwa 60 Euro kann man die vorgestellte Box beim sehr zuverlässigen Händler Greg Walker aus Amerika kaufen.Hier der Link dorthin: http://synphonic.8m.com/country/iceland.htm
Charlie Heidenreich aus Deutschland hat sie wie ich glaube auch in seiner Liste, man kann sich bei einer Bestellung bei ihm womöglich einen Teil der Versandkosten sparen. Kontakt: freakCha@aol.com
Auch er ist als Händler sehr empfehlenswert und zuverlässig.
Anderswo bekommt man das Ding eher nicht, zumindest wüsste ich nicht wo... höchtens ab und zu bei eBay zu völlig überteuerten Preisen.

Zum Reinhören gibt es einen Link bei Myspace, mit Aufnahmen von „Brudskaupsvisur“ (von Same) und „Bunadarbalkur“ (von Thursabit) von der Live-CD 1980, zusätzlich als Kostprobe der „Gibbon“ von „Gaeti eins verid...“

Ich hoffe, dass die Besprechung der Islenski-Box nicht zu lang geworden ist, aber es war mir ein Bedürfnis auf die 5 Alben mal detaillierter einzugehen. Nur Verrückte werden diesen überlangen Aufsatz ganz lesen, aber es wäre schön, wenn wenigstens in ein paar Personen hier vielleicht ein bisschen Interesse geweckt worden ist. Einzigartig ist die Band auf jeden Fall, und bis jetzt waren alle, die ich kenne und die den Trollhaufen kennengelernt haben, begeistert – zumindest mit den ersten drei Alben und zufrieden mit dem Fünften.

Royale
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Re: Þursaflokkurinn - Þursar (5CD Box)

Beitrag von Royale »

Max, du bist ein Angeber. :P
(bzw. ein großartiger Rezensent! Respekt!)
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nixe
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Re: Þursaflokkurinn - Þursar (5CD Box)

Beitrag von nixe »

Ich war & bin verrückt genug!!! & DANKE dafür!!!
Ich bin auf diesen Thread aufmerksam geworden, weil ich dank Charly (Freakshow) sie seit einigen Jahren besitze!!!
"Wenn Du damit klar kommst, daß sie isländisch singen, wird es ein Highlight!!!" so in etwa seine Worte.
Aber das ich hier noch jemanden finde, der sie hat & auch noch eine absolute Rezension schreiben kann - Hut ab!!!
Tschüß
nixe

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