Peter Machajdik - The Immanent Velvet

Hier werden Albumreviews aller Bands gesammelt.
Antworten
Benutzeravatar

Topic author
JJG
Ehren-Admin
Beiträge: 9754
Registriert: Fr 27. Okt 2006, 16:20
Wohnort: Bad Lobenstein
Has thanked: 1472 times
Been thanked: 1098 times

Peter Machajdik - The Immanent Velvet

Beitrag von JJG »

Warum das neue Album von Peter Machajdik nicht so veröffentlicht worden wäre, wenn unser Yes-Forumstreffen in 2011 in Bretten
nicht stattgefunden hätte, kann der geneigte Leser in den nachfolgenden Zeilen lesen.

Es gibt Alben, die zu ganz bestimmten Zeiten passen und genau die Stimmung des Hörers wiedergeben. So auch mir …

Peter Machajdik – The Immanent Velvet

Es gibt Künstler, die immer neue Herausforderungen suchen und sich nicht in die Schubladen pressen lassen, die wir manchmal
gerne erfinden um unsere musikalischen Vorlieben zu strukturieren. Im Jahre 2012 erschien das vorliegende Album und strahlt
schon durch die Farbgebung des Covers und vermittelt durch das gewählte Motiv seine Weite. Das Foto wurde von Peters
„besserer Hälfte“, Simona Bielakovà, gemacht und dient auch als Vorlage für einen Videoclip zum Album.

[youtube]VxGvUmZTYGc[/youtube]

Bild

Tracks:
The Immanent Velvet Part (I-III)
Dreamy Angel
Linnas
Fountains Of Immanency
Four Impressions: (On the Sun dividing the Grass, Ion the Nightsky throwing down the Stars, Lightwhite Clour, Lowlands)
Silent Wanderings
Inside The Sleeping Carpels
The Namah Theme
The Oberbaum Bridge At Dusk
Karma

Herausragend ist die Idee alle Stücke nachwirken zu lassen. Deshalb wurden auf der CD die Pausen zwischen den Stücken erweitert. Peter gibt
hier dem Hörer die Möglichkeit die Töne „ausatmen“ zu lassen. Das zeigt wie intensiv er die Töne der Instrumente (vorwiegend Klavier) einwirken
lassen will.

Das Titelstück ist eine Piano-Trilogie und eine würdige Ouvertüre für das gesamte Album. Hier zeigt sich schon, dass nicht eine Vielzahl von Noten
dargeboten wird, nein er bedient sich weitgehend eines gewissen Minimalismus, bricht aber an vielen Stellen daraus aus, was dann besonders
wirkungsvoll ist.

Waren früher Adaptionen Werkzeuge für Rock- und Jazzmusiker klassische Stücke in recht eigenwilligen Formen zu präsentieren oder sich am Werk
des Künstlers anzulehnen, so dient es für Mr. Machajdik im nächsten Stück, „Dreamy Angel“ als Weiterentwicklung des Stückes „Lonely Angel“
(Meditation für Violine und Streichorchester) vom lettischen Komponisten Pēteris Vasks.
Das aufsteigende Thema am Anfang und Ende des Stückes ist dessen Weiterentwicklung.

Die persönliche Begegnung mit einem weiteren Künstler des Baltikums, dem Estnischen Komponisten
Arvo Pärt, ist die Grundlage für die Komposition „Linnas“. Linnas = Stadt ist eine Komposition die mich an den Überflug über die alte Hansestadt
Reval, jetzt Estlands Hauptstadt Tallinn, erinnerte. Ein wundervoller Anblick, wenn man diesen Flecken Erde in wenigen Minuten überschwebt und die
roten Dächer der Innenstadt des Zentrums eingebettet sieht und diese dann mit den vorgelagerten Inseln im Blau des Finnischen Meerbusens auf
sich einwirken lässt.

An einen Film über Leonard Bernsteins Inszenierung der „Moldau“ wurde ich erinnert, als ich „Fountains of Immanency“ das erste Mal hörte.
Die vielen kleinen Quellen, die sich dann zu einem wundervollen Fluss fügen. Auch hier hat Peter wieder eine geniale Idee, die man auf den ersten „Blick“
nicht gleich erkennen muss. Er lässt hier drei Pianisten spielen, die einander nicht hören, aber dasselbe Stück intonieren, somit eine Zeitverschiebung
und Echos erzeugen, brillant!

Vielleicht sollte man sich auch mal richtig Zeit nehmen um die Heimat des Komponisten, die Slowakei, zu besuchen. Vielleicht findet man dann all die
Orte, die die Inspirationen für die „Four Impressions“ waren. Genau zwölf Minuten und zwölf Sekunden braucht Peter dazu, dass die Musik das Grass durch
die Sonne teilen lässt, er die an den Nachthimmel geworfenen Sterne bewundert und die lichtweiße Farbe im Tiefland seiner Heimat erstrahlen lässt.

Die Stillen Streifzüge (Silent Wanderings) sind eine Hommage an das wundervolle „And You And I“ von Yes. Wobei hier die ersten Noten dieselbe Dauer
haben wie das Stück meines Lieblingsalbums. Mich erinnert es auch die Filmdokumentation von Klaus Bednorz „Die Ballade vom Baikalsee“ und dessen
musikalisches Hauptthema „Sehnsucht nach Sommer“ von Knut Becker. Aber das führt jetzt hier wohl zu weit. An der Gitarre ist hier übrigens
Ondrej Veselý zu hören.

Die Auswahl der Musiker für das Album ist exzellent, so wie die Produktion herausragend ist, kein PC-generiertes Album, man hört die Töne, wie sie im
Aufnahmezimmer schweben, die Pedale und Tasten gedrückt werden und lässt so die Verbundenheit zu den musikalischen Themen authentisch werden.

Natürlich ist ein Album nur interessant, wenn nicht jedes Geheimnis gelüftet wird. Ob Mister Machajdik mit dem Stück „Inside the sleeping Carpels“
die Fruchtblätter in der Natur oder vielleicht sogar seine eigenen Kinder meint, ist für mich noch zu klären.

Mit dem nachfolgenden Stücken „The Namah Theme“ und „The Oberbaum Bridge at Dusk“ reist der Künstler in seine eigene, jüngste Vergangenheit
zurück. Viele Worte möchte ich dazu nicht verlieren und auf sein Album „Namah“ verweisen und ein Bild der Brücke einstellen.
Quelle. Wikipedia
Bild

Einen würdigen Abschluss bildet „Karma“ und hier kann ich auch das Geheimnis lüften, warum das Album nicht ohne das Yes-Forums- Treffen wäre
wie es ist. Dort traf Peter auf den Keyboarder Robert Mulch, der bei diesem Titel mitwirkt. Hier lässt Peter mehrere Pianisten ein musikalisches Thema
spielen. Der Clou – die Pianisten kennen sich nicht und werden nur durch Peter zusammengeführt, er ist also auch ihr Schicksal und das Schicksal
dieser Komposition. Zusätzlich lässt er verschiedene Stimmen mit einander kommunizieren. Warum das Stück genau bei 4:33 abbricht und auf den
100.Geburtstag welchen Künstlers es fällt, will ich hier ebenfalls offen lassen.

Frage – welche Sprachen hier miteinander verwoben werden stelle ich als Aufgabe – Wer findet es heraus. Übrigens lag ich auch mit einer Sprache
daneben, also keine Angst.
"We are truth made in heaven, we are glorious" (Anderson/Stolt 2016)

Saaldorf
Benutzeravatar

Aprilfrost
Keymaster
Beiträge: 9265
Registriert: Mo 7. Apr 2008, 16:20
Has thanked: 164 times
Been thanked: 112 times

Re: Peter Machajdik - The Immanent Velvet

Beitrag von Aprilfrost »

JJG hat geschrieben:Warum das neue Album von Peter Machajdik nicht so veröffentlicht worden wäre, wenn unser Yes-Forumstreffen in 2011 in Bretten
nicht stattgefunden hätte, kann der geneigte Leser in den nachfolgenden Zeilen lesen.

Frage – welche Sprachen hier miteinander verwoben werden stelle ich als Aufgabe – Wer findet es heraus. Übrigens lag ich auch mit einer Sprache
daneben, also keine Angst.
Auf beide Fragen finde ich keine Antworten, aber Du hast etwas Schönes, Geheimnisvolles zur Musik geschrieben. Irgendwann werde ich mir das Album anhören und dann Deinen Text dazu lesen.
Benutzeravatar

SOON
Website-Betreiber
Beiträge: 11883
Registriert: So 9. Mär 2008, 16:20
Has thanked: 665 times
Been thanked: 770 times

Re: Peter Machajdik - The Immanent Velvet

Beitrag von SOON »

Danke für diese wunderbare Rezension.
Es ist immer wieder beeindruckend was du alles -egal in welchem Genre- an Facetten, in Musik, entdeckst und passende Worte dafür findest.
The Immanent Velvet steht, wie auch die letzte CD, hier als Ausnahme in meiner Sammlung.
Für mich ist gerade Klaviermusik ein eher ungewohnter Hörprozeß.
Durch JJG's Beschreibung und mehreren Durchläufen kann ich aber dennoch einige Haltepunkte finden, die ihre Magie nur durch konzentriertes Hören entfalten.
MAKE PROG NOT WAR ! ---> ---> My 2024 Album Faves
Benutzeravatar

Topic author
JJG
Ehren-Admin
Beiträge: 9754
Registriert: Fr 27. Okt 2006, 16:20
Wohnort: Bad Lobenstein
Has thanked: 1472 times
Been thanked: 1098 times

Re: Peter Machajdik - The Immanent Velvet

Beitrag von JJG »

Wenn ein Review fertig ist, dann fallen mir später noch viele Gesichtspunkte ein, die
noch nicht genügend betrachtet wurden.


Bild
Vorab ein Beispiel für eine herausragende Künstlerin, die auch auf dem Album zu hören ist.
Floraleda Sacchi. Als Hörbeispiel ihres Schaffens möchte ich mal ein [wik]Astor Piazolla[/wik]-Stück verlinken,
welches hier also Solo-Stück für Harfe arrangiert wurde:
https://soundcloud.com/#floraleda/piazzolla-oblivion

Auf The Immanent Velvet (Song: Inside the sleeping carpels) ist sie gemeinsam mit einem Cellisten: Piero Salvatori,
Pianisten: Daniel Garel und dem Jan Pöschl Youth Orchestra zu hören.

P. Machajdik hat für mich einen musikalischen Hintergrund, der zu einem guten Stück Parallelen zu Künstlern
aus dem finnisch-ugrischen und west-slawischen (logisch) Sprachraum kommt und für mich auch
ländlich geprägt ist und sowohl karge Berglandschaften und fruchtbare Ebenen reflektiert. Also nicht die
schwermütige, melancholische Klassik Russlands oder die Mittel- und Westeuropas. Schnittmengen sind dann
für mich dann aber wieder Strawinsky und Lizst.

Gerade weil Peter auch diesen Hintergrund (Sibelius, Strawinsky ...) hat, passt er auch gut zu Jon Anderson
und weiß Stücke wie "Close To The Edge" richtiger zu arrangieren als so mancher anderer Anderson/Yes-Fan/Kenner.

Aber das ist nur meine Theorie. Um auch mal Kritik an Jon Anderson zu üben. Das was Jons frühere Stärke war,
nämlich die Musik/Musiker... zu vereinen ihre Stärken herauszukitzeln und auch zum Ziel zu kommen:
-> ein Album/ein Werk/ein großes Konzert ... zu machen ist ihm leider abhanden gekommen, was aber auch auf
seine Nahtod-Erfahrung zurückzuführen ist. Jon sollte sich schleunigst ins Flugzeug setzen und das Projekt mit Peter
zum Abschluss bringen. Dann hätte Jon gleich 3 Alben in 2013 am Start.

Aber hier geht es um Peters Werk. Eine weitere Paralelle gibt es für mich zu Bela Bartok,
dessen Lebensweg ja auch durch Bratislava führte. Grandios sein [wik]http://de.wikipedia.org/wiki/Allegro_barbaro[/wik], welches
den Prog-Fans ja von ELP bekannt sein dürfte. Emerson hat für das Stück aber einen ganz anderen Ansatz.
Peter verwendet die für Bartoks Kompositionen chrakteristischen harten Schläge in abgemilderter Form.
"We are truth made in heaven, we are glorious" (Anderson/Stolt 2016)

Saaldorf
Benutzeravatar

Topic author
JJG
Ehren-Admin
Beiträge: 9754
Registriert: Fr 27. Okt 2006, 16:20
Wohnort: Bad Lobenstein
Has thanked: 1472 times
Been thanked: 1098 times

Re: Peter Machajdik - The Immanent Velvet

Beitrag von JJG »

[youtube]_ICzHi8BdMo[/youtube]
"We are truth made in heaven, we are glorious" (Anderson/Stolt 2016)

Saaldorf
Benutzeravatar

Topographic
Keymember
Beiträge: 2943
Registriert: So 24. Feb 2008, 15:20
Has thanked: 61 times
Been thanked: 412 times

Re: Peter Machajdik - The Immanent Velvet

Beitrag von Topographic »

Eine großartige und intensive Auseinandersetzung mit diesem Album, danke dafür Jan!!

Peters Alben brauchen immer Zeit - und auch die notwendige Stimmung. Bei allem scheinbaren Stillstand - die Entwicklung seiner Stücke ist extrem spannend und oft verrätselt. Mich bringt diese Musik "niveauvoll" (im Gegensatz zur "Entspannungsmusik ;) ) zur Ruhe, verlangsamt die Abläufe, lässt durchatmen. Eine ähnliche Wirkung wie das Lesen von Sten Nadolnys Büchern.
Schade nur, dass Peter auf diesem Album fast alle seine Stücke sehr minimalisiert instrumentiert - manchmal wäre mir ein Touch von "Namah" schon lieber. Aber "Immanent Velvet" ist was ganz Besonderes.

polonaise
Beiträge: 13
Registriert: Mi 26. Aug 2009, 07:29
Wohnort: St. Pölten

Re: Peter Machajdik - The Immanent Velvet

Beitrag von polonaise »

THE IMMANENT VELVET & NAMAH (mit JA)

Seit 1. Mai gibt es für Deutschland und Österreich ein Preis-Angebot

http://petermachajdik.weebly.com/deat.html
Antworten

Zurück zu „Albumvorstellungen“