Rick Wright - Broken China

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Aprilfrost
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Rick Wright - Broken China

Beitrag von Aprilfrost »

Richard Wright – Broken China 1996


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Track Listings

1. Breaking Water (2:27)
2. Night of a Thousand Furry Toys (4:24)
3. Hidden Fear (3:27)
4. Runaway (3:58)
5. Unfair Ground(2:22)
6. Satellite (4:07)
7. Woman of Custom (3:43)
8. Interlude (1:16)
9. Black Cloud (3:21)
10. Far from the Harbour Wall (6:08)
11. Drowning (1:37)
12. Reaching for the Rail (6:29)
13. Blue room in Venice (2:48)
14. Sweet July (4:13)
15. Along the Shoreline (4:36)
16. Breakthrough (4:17)

Total Time: 59:13

Line-up/Musicians

Rick Wright / keyboards, vocals and programming
Anthony Moore / computer programming and arrangements, on the telephone (2)
Manu Katche / drums
Sinead O'Connor / vocals (12, 16)
Tim Renwick / guitar (2, 4, 6, 9, 12), lead guitar (15), rhythm guitar (16)
Dominic Miller / guitar (5, 8, 11, 14), acoustic guitar (16)
Steve Bolton / rhythm guitar
Sian Bell / cello
Kate St John / oboe, cor Anglais
Maz Palladino / backings vocal

Oh, was sind das für Töne? Synthetische, klar. Im ersten Track Breaking Water bewegen wir uns unter Wasser. Große und kleine Luftblasen steigen um uns auf und von rechts nach links kreuzt ein Wal direkt vor uns. Halt, das ist ja überhaupt kein Video, sondern eine CD, aber die Musik – denn das ist diese Komposition von Geräuschen auf jeden Fall – versetzt uns in die Lage, die Szene vor unserem inneren Auge zu sehen.

Worum geht es auf dieser CD? Wenn ich alles richtig verstanden haben, bekommen wir eine Geschichte erzählt. Eine Geschichte über das Leben eines (weiblichen) Menschen*. Und Track 1 handelt wohl vom vorgeburtlichen Leben. Nicht "Nous sommes du Soleil" sondern "Nous sommes de la Mer".

Night of a thousand Furry Toys führt uns auf eine Reise wie auf einem Zauberteppich.Der Sound umgibt uns wie ein warmer Sommerwind. Die „Gilmour“-Gitarre und das Cello schweben auf dem Synthi-Klangteppich dahin. Der Text lässt uns auch nicht im Dunkeln über das Ziel der Reise: das Land der Kindheit. „It’s another world, it’s a better world - that’s what we have found." Rick Wright singt direkt, und Anthony Moore (der die Lyrics beigesteuert hat) singt übers Telefon.

Dessen ungeachtet gibt es Hidden Fears in der Kindheit. Die Musik drückt große Leere und Verlassenheit aus. „This pain no child should feel.“

Die nächsten vier Tracks sind instrumental. Runaway beginnt zaghaft mit stampfenden Geräuschen, ähnlich denen bei „Welcome to the Machine“. Das Stück gewinnt an Drive, und es ist wohl doch eher Manu Katche als ein Drum Computer, der das Weglaufen verstörend in rhythmische Musik umsetzt.

Unfair Ground klingt ein wenig bedrohlich. Die Gitarren quietschen, jammern, quengeln wie ein Kind, das der Verzweiflung nahe ist. Im Hintergrund synthetische Hunde, unverständliche Männerstimmen. Ein Horror-Spielplatz.

Satellite ist dann rhythmischer mit raffinierten Drums, die den Bass bei einer einfachen Melodie unterstützen.

Woman of Custom - das Kind als (junge?) Frau, die in ihrem bisherigen Leben ihre Gefühle weggeschlossen hat, damit sie weder Schmerz, Angst noch Ärger spürt. Musikalisch wird ihre Isolation aufgebrochen. Eine Akustikgitarre wirkt in dieser synthetischen Musikwelt warm und tröstlich. „Suddenly she opened her eyes that fill with tears and come alive”. Wieder singt Rick.

Black Cloud
. “Fly on a Windshield”? Die schwarze Wolke schwebt über uns. Ist es die Ruhe vor dem Sturm, die Ankündigung des Weltuntergangs, vielleicht sogar ein schwarzes Loch? Man spürt, dass etwas passieren wird, aber was?

Der nächste Titel steuert einen ersten Höhepunkt an. Far from the Harbour Walls steht die Frau und fragt sich, ob es nicht besser wäre, diesem Leben ein Ende zu setzen. Dramatisch setzen die Musiker ihre Entscheidung, sich ins Meer zu stürzen, in Szene. Ein Gänsehaut-Song, ob laut oder leise gehört. „And dark as it grows at night, with fear of light’s change she’s drowning away.“ Die Musik steigt Halbton um Halbton höher, bis sie über uns zusammenschwappt.

Folgerichtig heißt der nächst Instrumental-Track Drowning.Gedämpfte Töne, wie von weit weg, und sie werden nicht einfach leiser, sie ersterben.

Nun der Wendepunkt: Reaching for the Rail. Die Frau wird leben. Sie weiß noch nicht, wie dieses Leben aussehen wird, doch sie sinkt nicht mehr. Um sie herum wieder unverständliche Männerstimmen, die jetzt aber gemütlich und heiter klingen und nicht mehr bedrohlich wie auf dem Unfair Ground. Die Welt hat sich nicht verändert; „the same taste to everything, the same unbroken chain that still remains.“ Sie selbst ist es, die sich verändern wird.
Ein wunderbares Duett von Rick Wright und Sinéad O’Connor. Sie singt ausschließlich in Alt-Lage und wirkt dabei zerbrechlich, aber nicht sentimental.

Im Blue Room in Venice kommt die Frau zur Ruhe. Sie hat ihren Gefährten (gesungen von R. W.) bei sich, der sich nun um sie bemüht und sie versteht. „I stretch out my hand to reach you ... how I missed you … my hand is here.”
Die friedliche Atmosphäre setzt sich in Sweet July fort, einem friedlichen Instrumental-Stück.

Wir folgen der Protagonistin auf ihrem Weg Along the Shoreline. Ein heiteres Lied voller Erleichterung und Wärme. Der Text ist durchsetzt mit Wörtern wie warmth, sun, harmony, light , usw. Und endlich hören wir nach dem in Moll gehaltenen Album eine Auflösung in Dur.

Mit Breakthrough, einer Art Reprise, endet das Album. Sinéad O’Connor erinnert daran, dass das Leben nicht einfach ist, aber dass es sich lohnt, sich auf das Leben und die Menschen einzulassen. Der Schlusssatz hätte auch von Konfuzius stammen können:
„They’re never going to make it easy,
of this you can be sure.
You feel untied, beatified
And loved for evermore.”

Folgerichtig schließt das Album auch musikalisch ambivalent mit einem offenen Akkord.


Zugegeben, dieses Album ist nicht tanzbar! Die Musik geht in den Kopf und nicht ins Bein. Phasenweise ist es düster und sperrig. Ist es deswegen ein depressives Album? Ein klares Nein! Rick Wright gelingt es auf einmalige Weise durch Töne die Höhen und Tiefen eines Lebens auszudrücken. (Na ja, die Euphorie fehlt.) Man spürt auf diesem Album besonders, dass er weniger für die Kompositionen als vielmehr für die Atmosphäre auf den Pink Floyd-Alben zuständig war. Stimmungsmäßig bewegt sich die Musik zwischen Dark Side of the Moon und Wish you were here. Man hört die 20 Jahre Abstand zu den Floyd-Alben nicht an den erweiterten technischen Möglichkeiten, sondern an der (musikalischen) Reife Wrights. Jemand sagte mal, wenn das ein PF-Werk geworden wäre, es hätte eingeschlagen wie ein gigantischer Meteorit. Aber auch so berührt es die Gemüter, die keyboardgetragene ruhige Musik mögen.

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* später habe ich erfahren, dass Wright in dem Album die Depression seiner Frau verarbeitet
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