Renaissance - Live at Carnegie Hall

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MARLEON
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Renaissance - Live at Carnegie Hall

Beitrag von MARLEON »

RENAISSANCE - LIVE AT CARNEGIE HALL

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Wer Yes mag, wird Renaissance lieben! – Wer Renaissance nicht mag, wird vermutlich auch im Yes-Forum falsch sein!

Renaissance? Renaissance ist für mich wohl eine der faszinierendsten Entdeckungen meiner Reise durch die Welt der Musik. Noch nie zuvor habe ich Musik gehört, die so unglaublich harmonisch, so unvergleichbar schön, so traumhaft melodisch und einerseits leicht, jedoch andererseits klanglich so dicht sein kann, bis sich die aufgebaute Spannung in außergewöhnlicher Weise in einem Finale entfaltet, was noch tagelang in den Gehörgängen des geneigten Musikhörers nachhallt.
Kurzum: Renaissance spielen Musik, die nicht von dieser Welt ist. Sie erzeugen eine Klangwelt, so kraftvoll und dabei so schön, dass sie kaum von Menschenhand geschaffen worden sein kann. Daran hat die glockenreine, engelsgleiche Stimme Annie Haslams einen großen Anteil.
Dass es sich hier um (menschen)handgemachte Musik handelt hört man. Genau wie man ohne großen Sachverstand zu benötigen hört, dass hier jeweils Meister ihres Fachs am Werk sind. Einen himmlischeren Leadgesang als den Annie Haslams kann ich mir nicht vorstellen. Was Jon Camp als Bassist, Background- und später sogar Leadsänger abliefert, verlangt nach Respekt. Ashes are Burning ist nur ein Beispiel dafür, was er als Instrumentalist zu spielen in der Lage ist. In den weniger epischen Songs läuft nichts ohne Michael Dunford, der mit seiner akustischen Gitarre die Basis für Annies Gesang bildet. Für treibendes, songdienliches, jazziges, rockiges und was auch immer für ein Schlagzeugspiel benötigt wird ist Terrence Sullivan zur Stelle. Das instrumentale Sahnehäubchen ist jedoch John Tout. Sein Klavierspiel veredelt jeden Song und lässt ihn erst zur Blüte kommen.

Aber nun genug geschwärmt und ein paar Informationen zum Album selbst.
Es handelt sich bei der „Live at Carnegie Hall“ um ein Doppelalbum, was an drei ausverkauften Abenden in der ……na? ehrwürdigen Carnegie Hall aufgenommen wurde. Damals galt es noch in feinen Kreisen als Sakrileg, dass derart würdevolle Häuser mit gemeiner Rockmusik konfrontiert wurden.Während der Konzerte wurde die Band von dem New York Philharmonic Orchestra unter Leitung von Tony Cox verstärkt. Man könnte also sogar von einem „Sinfonie-Album“ sprechen.
Eine Besonderheit an diesem Live-Album im Vergleich zu bekannten Studioversionen ist, dass zum einen der Song Ashes are Burning im Vergleich zur Studioversion durch ein langes Basssolo erweitert und entsprechend umarrangiert wurde. Zum anderen nimmt dieses Livealbum den Titelsong und Ocean Gypsy des zu dem Zeitpunkt noch gar nicht erschienenen Albums „Songs of Scheherazade“ vorweg. (Sowas konnte sich damals höchstens Pink Floyd erlauben.)
Das Konzertalbum umfasst also die Ära von Prologue bis Sheherazade and other Stories, wobei die ersten beiden Renaissance-Alben (mit Jane und Keith Relf) unberücksichtigt bleiben.
Das zu besprechende Konzertalbum ist das erste, was ich von Renaissance gehört habe. Von dem ersten bis zu letzten Ton an, hat mich diese Band verzaubert. Nun werden die ersten sagen, dass die Musik dann ja furchtbar langweilig und glattpoliert sein müsse. Genau das ist es nicht!
Aber lest selbst:

1. PROLOGUE
Das Album beginnt mit der Einspielung eines Orchesterstückes der "Revolutionary Étude" von Frédéric Chopin. Dann die Ankündigung der Band „Let’s have a warm welcome please for Renaissance“, bevor zum Applaus das Piano einsetzt. Die Basslinie reisst die anderen Musiker mit und führt zum Einsatz von Annie Haslams Gesang, der (zunächst) unisono von den Männern untermalt wird.
Prologue“ ist als Opener doppelt sinnvoll eingesetzt, weil es von dem 1972 erschienenem Studioalbum desselben Namens das erste Stück gewesen ist, das die Fans von der neuen Besetzung um Annie Haslam hören konnten. Obwohl Annie singt und jubiliert, ist es eigentlich ein Instrumental-Track, denn er enthält keinen Text. Dieses Singen ohne Text und ohne Textsilben (wie „dada“ oder „schubidu“) nennt man übrigens „Vocalese“.
Bei 3:20 endet das Vocalese vorerst und wieder übernimmt der Bass die Führung und das Piano die Melodie. Das wird dann beinahe jazzig, was, wie sich später herausstellt, typisch für Renaissance ist. Nach einer frisch-fröhlichen Melodie singt Annie bei 5:20 eine langsame, in Moll gehaltene Melodie, die bei 6:07 wieder in das erste Thema des Stückes mündet.
Eigentlich ein hübsches etüdenhaftes Stückchen, das nach mehrmaligem Album-Durchlauf aber auch ein bisschen kribbelig macht, weil man weiß, dass dies nur der Appetithappen für die wirklich großen Titel ist, die noch folgen werden.

2. OCEAN GYPSY
Nicht zuletzt Moll-Akkorde der akustischen Gitarre und die dissonanten Streicher im Hintergrund, sondern vor allem der tragische Text tragen zur deprimierenden Stimmung dieses Songs bei. Einziger Kontrast ist der wie immer glockenklare Gesang von Haslam. Es liegt nahe, dass dieser Song an „Turn of the Century“ von Yes erinnert. Inhaltlich geht es bei Ocean Gypsy jedoch um die ausgebeutete trostlose und trotzdem liebevolle Seele der „Meereszigeunerin“, die nie Liebe erfahren hat und von deren Tod keiner außer der Natur Notiz nimmt. Besonders auffällig ist auch das Klavier, das den ganzen Song hindurch eine eigene Stimme spielt, die manchmal nicht in den Zusammenhang mit dem Bandsound zu bringen ist, was eine fast mystische Komponente darstellt.

Bemerkenswert ist auch der Übergang von Strophe zu Refrain, der durch einen folkigen Rythmuswechsel gekennzeichnet ist. Nun auch noch mit Klavierspiel und fast jazzigem Schlagzeug verdichtet sich der Klang auf eine für Renaissance typische und einzige Art und Weise. Auch wenn das Lied instrumental eigentlich eher leicht ist, haut es mich an solchen Stellen (öfters auf dem Live-Album zu finden) förmlich um.

Die zweite Strophe wird vom einmal nicht nur songdienlichen, sondern diesmal solistisch auffallenden Bass untermalt. Dies erinnert nicht nur an den Jazz, der öfters mal anklingt, sondern gibt dem Song auch was Sphärisches. Dies ist vor allem im auf die Strophe folgenden instrumentalen Zwischenspiel zu hören. Dieses Instrumental wird durch das wunderbar leichte und melodische Klavierspiel geführt. Mit Hilfe des stärker in den Vordergrund rückenden Schlagzeuges und der dramatischeren Melodieführung spitzt sich der Song zu. Die Klimax ist in Annies textlosem Gesang zu finden, der den stärksten Moment des Songs besiegelt.

Ein letztes Mal erklingt der Refrain und der Song klingt langsam aus. Ein kleiner Hoffnungsschimmer in dem ansonsten sowohl textlich als auch instrumental trostlosem Lied liefert der Dur-Akkord des Klaviers, mit dem der Song endet.

3. CAN YOU UNDERSTAND
Die ersten drei Minuten gehören der Einleitung zum Song. Keyboarder John Tout und Bassist Jon Camp werfen sich hier gegenseitig die Triolen zu, bevor die akustische Gitarre den Background für Annies Gesang webt. Ein erst orientalisch, dann russisch anmutendes Thema wird teils unisono von Gesang, Bass und Orchester vorgetragen. Michael Dunford hatte die Melodie einmal gehört und für eine russische Volksweise gehalten. Es stellte sich jedoch heraus, dass sie ein Thema aus der Filmmusik von Maurice Jarre (Vater von Jean Michel) zu Doktor Schiwago ist. Im folgenden Link könnt Ihr einen Ausschnitt hören (Track 24):
http://www.amazon.de/Dr-Schiwago-M-G-M- ... l_1#disc_1.
Überhaupt ist dieses Lied kaum einer Stilrichtung zuzuordnen. Neben dem bereits Geschriebenen klingt die Musik teilweise nach mittelalterlichen Weisen. Der Folkcharakter ist zudem immer präsent, bis dann in einer Art „Überblendung“ Haslams über den Männerchor zu einem längeren mit Streichern untermalten Klaviersolo übergeleitet wird. Danach wird das Triolen-Motiv wieder aufgegriffen, was zum Ende beschleunigt und intensiviert wird.
Auf dem Studioalbum Ashes are burning ist dies der Opener.


4. CARPET OF THE SUN

“Would like to do a song that is definitely one of my [Annie] favourites. It’s quite a short song: Carpet of the sun.”
"…if I was late I had to leave to hear your wondrous stories…" Achso, falsches Lied, aber irgendwie erinnerte mich dieser Dreiminüter -und damit kürzeste Stück des Albums - an den bekannten Yessong. Das liegt wohl auch daran, dass beide instrumental eher unauffällig und gleichförmig sind. Das Spektakulärste ist hier wohl Annie selbst, die hier zwischen Oktaven hin- und her springt und mit melismatischem Gesang glänzen und beeindrucken kann. Instrumental lebt dieser Annies Liebling von dem Akkordspiel der akustischen Gitarre, den leicht abstrakten Melodien des Klaviers und dem gewohnt fetzigem Bassspiel, was bei diesem leichten Lied jedoch stärker im Hintergrund steht.

5. RUNNING HARD
Beginnend mit einem furiosen Pianointro wird besonders instrumental das Motiv Running Hard verdeutlicht. Einem Vergleich mit Keith Emersons Klaviereskapaden kann sich Tout hier nicht entziehen. Sehr treibend und stakkato führt er durch ein zweiminütes Solo, was nur leicht vom Bass untermalt wird. Nach einem kurzen orchestralen Zwischenspiel, was an die Symphonic Live von Yes erinnert, beginnt der eigentliche Song. In einem für Renaissance recht flotten Tempo gesellt sich das Schlagzeug hinzu und Annie schaltet sich ein. Sie macht sich in diesem stärker rockorientierten Stück sehr gut und weiß zwischen akzentuiertem und rythmischem Gesang und „Haslam’schen Höhenflügen“ eine gute Balance zu finden. So muss Renaissance-Rock klingen!
Später gewinnt das Orchester wieder mehr an Bedeutung und die Instrumentalisten der Band nehmen sich zurück. An dieser Stelle ist der Song durch die textlose Gesangsmelodie (La, la, la – wir erinnern uns: Vocalese) geprägt, die teilweise im Chor gesungen wird. Diese geht in einen bedrohlich wirkenden Orchesterpart übe, während von der Band nur dumpfe Begleitakkorde zu vernehmen sind. Die Streicher und Blasinstrumente gehen in einen Dialog. Mal schräg, mal harmonierend, jedoch immer treibend – mit ungewissem Ausgang… am Ende mündet alles in einer weitere „ah, aah, aaah“-Figur Haslams.
Der Song ist nun im letzten Teil wesentlich langsamer gestaltet und besinnlich gehalten. Nach dieser Hetzjagd wirkt alles etwas träge und erschöpft. Dies führt hauptsächlich dazu, dass das Orchester, namentlich die Bratschen, stärker ins Gewicht fallen. Das Motiv, was anfangs durch das Klavier gespielt wurde, wird jetzt durch die Bläser-Stimme gespielt.
So schnell wie der Song begonnen hat, endet er auch, obwohl inzwischen fast zehn Minuten vergangen sind. Eigentlich finde ich das knapp zehn Minuten dauernde Running Hard eher einfallslos (was das völlig falsche Wort ist), jedoch hat es seine ganz besondere Qualität in dieser Livefassung darin, dass es von einem hervorragenden und gewinnbringenden Zusammenspiel von Orchester und Band lebt – das hört man selten!


6. MOTHER RUSSIA...
…vom Album Turn of the Cards ist eine Referenz an den russischen Schriftsteller Alexander Solschenizyn. In seinem autobiographisch beeinflussten Roman „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ beschreibt er die Zustände in einem sibirischen Arbeitslager. Iwan D. ist der Protagonist dieses Songs, der zu Recht ein wenig traurig klingt.
Herzstück ist ein dreiminütiger Gesang ohne Text, in dem Annie Haslam zeigt, dass die menschliche Stimme ein wunderschönes Instrument sein kann. Ebenso bemerkenswert das Intermezzo der Soloinstrumente Flöte und Klarinette, die den Zwischenapplaus des Publikums zu Recht erhalten.


7. SCHEHERAZADE
Eingangs hört man hier, wie sich das Orchester in Form bringt und Bläser und Streicher gestimmt werden. Dies ist auch sinnvoll, da in keinem Stück auf dem Album das Orchester so intensiv und bedeutungsvoll eingesetzt wird.
Darauf folgt erst einmal eine Geschichte, die John Tout zum besseren Verständnis des Songs erzählt:
Thank you very much. What we’d like to play for you now, is a song or a collection of songs that will, in fact, take up the entire second side of our forthcoming album. If I can, I’d like to give you an outline of the basic story, because if you know it it might you understand it a bit better.

The story is basically of 1001 Arabian nights and the particular part of the story that we are doing is as follows. The sultan of Bagdad finds out that his wife has been unfaithful to him. And because of this, he has (laughter in the audience), yeah, I thought you’d been into it, ehm, because of this, he has her beheaded and in order that no women might ever be unfaithful to him ever again, he decides to take a virgin bride and each night after having taken his dastardly pleasure, has her beheaded in the morning. That way she can’t cheat on him, you see. It’s really quite clever when you think about it. [I don’t wanna start a ??? war.]

So, anyway, in the end Scheherazade, who is the lady who features prominently in the story, manages to become the sultan’s bride and on the night that she is actually with him and he’s doing his dastardly dates she begins to tell a story, which weaves a magic [???] as it says in the book over the sultan. And therefore for a 1001 nights after that the sultan just can’t live without these stories in the end renounces his bloody vow, marries Scheherazade. They have a big party and everybody lives happily ever after.

That’s an extremely basic version of it. It took me about three months to read the book. But anyway, this is our interpretation of three parts of that story: 1 The Sultan, 2 The Young Prince and Princess, which is one of the stories that Scheherazade tells him, and 3 The Festival. And the overall title is The Song of Scheherazade.


Und jetzt möchte ich für diejenigen, die des Englischen nicht mächtig sind, das Ganze in drei Sätzen auf Deutsch zusammenfassen. Der Sultan wurde von seiner Frau betrogen. Damit das nicht wieder passiert, schläft er fortan nur noch mit Jungfrauen, die er am nächsten Tag umbringen lässt. Eines Tages wird Scheherazade ihm zugeführt. Sie fängt an ihm Geschichten zu erzählen, die der Sultan unbedingt zu Ende hören möchte und sie deshalb 1001 Nächte nicht umbringt, bis sie schlussendlich heiraten.

Nach dieser Einstimmung folgen 26 Minuten Musik am Stück. Wie soll man das in einem Text beschreiben? Ich sehe mich hier überfordert und werde einen verhältnismäßig kurzen Überblick probieren, da man dem Stück eh nicht gerecht werden kann.

Aaaalso, gleich zu anfangs entführt der mächtige Bläsersatz den Hörer in orientalische Gefilde. Ein Gong setzt mehrfach ein und die Band lässt das Orchester machen, bis sie schließlich selbst das Zepter ergreift und mit einsteigt, wobei dies zunächst auf reine Rythmusarbeit beschränkt ist. Ein besonderes Hörerlebnis bieten die Musiker hier - es könnte sich auch um dramatische Filmmusik handeln. Sowohl hohe als auch tiefe Passagen sind zu hören und wechseln sich ständig ab.
Nach diesem furiosen Einstieg, der wohl die aggressive Stimmung von „The Sultan“ charakterisieren soll, wird es ruhiger und langsamer. Der überragende Bass Camps und die Chorgesänge erinnern wieder an Renaissance. In gefälligem Tempo „rifft“ die Band vor sich hin bis der Gesang einsetzt. Und da ist sie wieder, die engelsgleiche und ausdrucksstrake Stimme Haslams, die jedes Lied erst zu einem Renaissance-Song macht. Obwohl… Moment… das ist ja gar nicht Haslam?! Man ist so an sie gewöhnt, dass man, obwohl der Unterschied deutlich ist, nicht im ersten Moment realisiert, dass John Tout den Lead-Gesang übernimmt. Dass er in erster Linie Instrumetalist ist, merkt man, weil er sympathisch unsicher wirkt, was er aber gar nicht muss, da er seine Sache sehr gut macht! Diese Passage klingt nun fast folkig, wird dann aber fast wieder episch und zwar dann wenn Annie und John zusammen singen und das traumhafte Klavierspiel in Verbindung mit den schwermütigen Bläsern den geneigten Renaissance-Hörer das Herz aufgehen lässt. Annie und John singen fortan durchgängig in Strophe und Refrain als Duett.
Ein längeres Klaviersolo, das zum Schluss vielfältig begleitet wird, leitet in den zweiten Teil über. Hier singt Annie wieder alleine und verkörpert Scheherazade, die dem Sultan die Geschichte „The Young Prince and Princess“ erzählt. In diesem Teil stehen Text und damit natürlich auch Annie sehr stark im Vordergrund, sodass die instrumentale Begleitung nicht weiter erwähnenswert ist.
Nun wird er sehr ruhig. Die Streicher werden zunächst nur gezupft, was ein bisschen an eine Tropfsteinhöhle erinnert. Flöten tirilieren, die Streicher rasen, ein neuer Tag bricht an. Der textlose Gesang Haslams erinnert an den Opener Prologue. Ein längerer Instrumentalteil, der mich an die Zauberflöte erinnnert, ist die letzte Ruhe vor dem Finale. Der Klang verdichtet sich wieder und die akustische Gitarre schaltet sich ein. Es wird feierlich – „The Festival“!
Annie besingt die Hochzeit des Sultans und Scheherazade. Hören wir doch mal rein:

Food piled high on woven leaves for all to eat
Drums and flutes at every turn
The music winding, twisting through the crowded streets
Caravans from far away bring people laughing
People come to see the sultan in Baghdad today
Klingt nach einem rauschenden Fest und alles wartet nur auf eins:
The sultan and Sheherazade are one
She told him tales of sultans and talismans and rings
A thousand and one nights she sang to entertain her king
She sings, Scheherazade, Scheherazade, Scheherazade, …

und ganz vielen weiteren Scheherazade-Rufen, wobei Annie hier immer höher kommt und der letzte Ruf ein beeindruckendes Ende dieser in Musik gegossenen Geschichte mit Happy-End ist.

Annie: “Thank you, thank you very much. It really does takes an audience as well as band, to make it a really, a really nice evening. So thank you very much.”
Wer hier wohl wem dankt?

MarLEON dankt Renaissance für dieses sehr besondere Stück Musik. (MARleon auch.)

8. ASHES ARE BURNING

Mit diesem Longtrack klingt das Live-Album aus – und es ist ein überwältigender Ausklang. Mit 23 Minuten ist Ashes are Burning fast doppelt so lang wie die Studio-Version. Es ist das einzige Stück dieses Albums, das nicht vom Orchester begleitet wird. Bei „Ashes“ wollte Jon Camp endlich einmal zeigen, was man aus einem Bass alles heraus holen kann. Und er hat reichlich Gelegenheit dazu. Sein frei improvisiertes Solo dauert über 4 Minuten, wobei der Bass bereits Minuten vorher und auch nach dem Solo noch den Ton angibt. Das Publikum geht clapwise mit. Dieser Teil des Albums wird nicht von allen Rezensenten positiv bewertet , weil er sehr verspielt und etwas bizarr klingt. (Ich kann diese Kritik nachvollziehen, ihr aber nicht zustimmen.) Der Höhepunkt und krönende Abschluss des Konzerts ist jedoch der siebeneinhalb minütige Schlussteil, der Annie noch einmal Höchstleistung abverlangt und einen riesigen Spannungsbogen zieht. Bei 15:12 wird es plötzlich ganz still.
Klavier und Bass führen ihre Figur mit einem Ritatando zu Ende, nachdem wenige Sekunden zuvor das Schlagzeug ausgestiegen ist.
...
Leichte Irritation im Publikum. Soll/darf man klatschen. Der letzte Ton ist kaum verhallt, da schleicht sich fast zaghaft die Orgel wie aus dem Nichts herein.
Eine Abfolge von vier Akkorden, die sich einige Male wiederholen, bis Annie Haslam ruhig und zurückhaltend ihre Botschaft singt:
Imagine the burning embers
They glow below and above
Your sins you won't remember
And all you'll find there is love
Ashes are burning brightly
The smoke can be seen from afar
So now you're seeing how far...


Und dann - bei 16:43 der Moment, der mir noch heute Schauer der Ergriffenheit über den Rückenjagt, wenn die Band einsetzt...
Ashes are burning the way
Ashes are burning the wayyyyyyy

Ich habe mir immer vorgestellt, dass in dem erwähnten leisen Teil das Licht weitestgehend reduziert wurde, und an genau diesem wayyyyyyy die Spots Annie in strahlendes Licht tauchen. Genau so klingt es.
Der Gesang schwebt nun ausschließlich in der obersten Tonlage und ... entschwebt. Die letzten vier Minuten gehören den Instrumenten. Der Bass spielt ein Mantra zu der bereits erwähnten Akkordfolge und - ich wäre enttäuscht gewesen, wenn es nicht so wäre - kurz vor dem Schlussakkord kehrt Annie noch einmal zurück und verkündet: Ashes are burning the waaaaay.

Dann ist das Stück vorbei. Das Konzert ist aus. "Thank you very much indeed." Das Publikum ist völlig zu Recht aus dem Häuschen. Ein außergewöhnliches Konzert ist auf einem Album verewigt worden, das die Fans immer wieder gerne auflegen und das als eines der ganz großen Live-Alben in die Musikgeschichte eingegangen ist.

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Topographic
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Re: Renaissance - Live at Carnegie Hall

Beitrag von Topographic »

Eine Hammer-Rezi für eines der genialsten Alben der Musikgeschichte - ein absolutes Inselalbum. Chapeau und großen Dank an euch! [smilie=sign1_dolllol.gif]
Das Album hatte ich mir vor wasweißich wie viel Jahren von meiner Freundin zum Geburtstag gewünscht - und nie bekommen. Sie hatte es sich zuvor angehört und sich dann entschlossen, die Do-LP doch gleich selbst zu behalten. Irgendwann hat sie sich meine gesamte Renaissance-Sammlung einverleibt - ich hab sie bis heute nicht mehr komplett...

Mother Russia ist und bleibt mein absoluter Lieblingssong von Renaissance - die Version auf diesem Livealbum ist unvergleichlich.
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MARLEON
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Re: Renaissance - Live at Carnegie Hall

Beitrag von MARLEON »

:) Wir danken für die positive Rückmeldung...

...und können deine Freundin sehr gut verstehen ;)
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Quiet
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Re: Renaissance - Live at Carnegie Hall

Beitrag von Quiet »

Eine der besten Live-Platten aller Zeiten, absolut hervorragend.Schade, daß es keine Filmaufnahmen von diesem Konzert gibt.
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JJG
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Re: Renaissance - Live at Carnegie Hall

Beitrag von JJG »

Vielen Dank für die Rezi an zwei unserer Nordlichter. Tolle Infos und interessante Einschätzung des Albums.
Übrigens hatte ich gerade dieses Doppel-LP in Warnemünde am letzten Sonntag in meiner Hand.
Es gibt eben noch gute Händler, die tolle Scheiben im Angebot haben.
"We are truth made in heaven, we are glorious" (Anderson/Stolt 2016)

Saaldorf
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SOON
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Re: Renaissance - Live at Carnegie Hall

Beitrag von SOON »

wau ähm wow ! da habt ihr -oder sagt man Du- euch ja mächtig ins Zeug gelegt.
Die Scheibe ist es aber auch wert! beide Daumen oben!
MAKE PROG NOT WAR ! ---> ---> My 2024 Album Faves
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MARLEON
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Re: Renaissance - Live at Carnegie Hall

Beitrag von MARLEON »

SOON hat geschrieben:wau ähm wow ! da habt ihr -oder sagt man Du- euch ja mächtig ins Zeug gelegt.
Das wissen wir auch nicht. Weißt du? Ich nicht...

Ich danke auf jeden Fall für dein Interesse an unserer Rezi. Das freut uns :)
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Roland
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Re: Renaissance - Live at Carnegie Hall

Beitrag von Roland »

Wenn auch mit Verspätung, da ich in Urlaub war:

Das ist eine der schönsten Rezis die ich je gelesen habe.

...und Renaissance begleitet mein Leben seit ich sie 1975 mit dem Scheherazade Album kennengelernt habe.

Als Einstieg in die Renaissance Diskographie ist "Live At Carnegie Hall" ohne Zwiefel das beste Werk.

Marleon, Du findest hier im Forum ein paar gaaaanz große Renaissance/Annie Fans. [smilie=wink.gif]


Nachtrag: Oh Mann, reingefallen. Ich habe eben erst die Unterschrift gesehen..............

Ich dachte zunächst Marleon sei ein neues Mitglied. :lol:
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MARLEON
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Re: Renaissance - Live at Carnegie Hall

Beitrag von MARLEON »

Das freut mich, uns, alle :)
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