[REVIEW] Tony Levin - World Diary (feat. Bill Bruford)

Bei Yes: Schlagzeuger 1969 - 1972 / 1991 - 1992
Instrumente: Schlagzeug, Perkussion & Mellotron
Geburtsdatum: 17.05.1949
Geburtsort: Sevenoaks (Kent)
Aktueller Status: Im Ruhestand
Ehemalige Bands: ABWH, King Crimson, Genesis, UK, Earthworks
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Eric
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[REVIEW] Tony Levin - World Diary (feat. Bill Bruford)

Beitrag von Eric »

Tony Levin - World Diary

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Tony Levin ist der vermutlich am meisten gebuchte Session-Bassist der Welt und sicherlich auch einer der berühmtesten. Hauptsächlich ist er durch seine langjährige Arbeit mit King Crimson und Peter Gabriel bekannt. Allerspätestens seit seinem Mitwirken auf dem Anderson Bruford Wakeman Howe-Album und bei der anschließenden Tournee ist schnauzbärtige Glatzkopf auch den Yes-Fans ein Begriff.

Mit World Diary legte Tony 1995 sein erstes Soloalbum vor.

Tracklist
1. Chasms (mit Shankar [double violin, vocals])
2. The Train (mit Ayub Ogada [Nyatiti & vocal])
3. We Stan In Sapphire Silence (mit Jerry Marotta [Taos Drums] und Brian Yamakoshi [Koto])
4. Smoke (mit Bendik [Tenor Sax])
5. Etude In The Key Of Guildford (mit Bill Bruford [Simmons Electronic Drums])
6. Espresso & The Bed Of Nails (mit Nexus [Percussion Ensemble])
7. Mingled Roots (mit Levon Minassian [Doudouk])
8. Nyatiti (mit Ayub Ogada [Nyatiti & vocal])
9. Jewels (mit Bill Bruford [Simmons Electronic Drums])
10. La Tristesse Amoureuse De La Nuit (mit Levon Minassian [Doudouk])
11. Heat (mit Nexus [Percussion Ensemble])
12. I Cry To The Dolphined Sea (mit Bendik [Tenor & Soprano Sax] und Jerry Marotta [Drums])
13. The Sound Of Goodbye (mit Brian Yamakoshi [Koto])

Der Albumtitel ist auch Programm für dieses Konzeptalbum - und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht:
Zunächst wurde das Album an den unterschiedlichsten Orten auf der ganzen Welt eingespielt - angefangen von den Real World Studios in Bath und Bill Brufords Haus über Paris, Toronto, Oslo und New York bis hin zu einem Hotelzimmer im Hotel Atlantik in meiner Heimatstadt (wenn jemand mal dort sein sollte, fragt nach Zimmer Nr. 184 ).

Tony und seine Musiker sind nun nicht extra zu diesen Orten gereist, um dort Musik aufzunehmen; die AUfnahmen entstanden allesamt "nebenbei" während Tonys Tourneen durch die Welt. Alle mitwirkenden Musiker waren dann auch entweder gerade zusammen mit ihm auf Tour oder er traf sie an den jeweiligen Orten. Die Kompositionen und Aufnahmen sind allesamt spontan in kurzer Zeit - teilweise nur wenigen Stunden - vollendet worden. So klingt auch alles spontan aus der Situation heraus entstanden. Nichts ist überproduziert. Die einzelnen - meist instrumentalen - Stücke sind allesamt sehr spärlich instrumentiert (in der Regel nur Tonys Bass sowie das Instrument seines jeweiligen Weggefährten).

Weiterhin ist das Album musikalisch wohl eindeutig dem Fach Worldmusic zuzuordnen - mit einigen Jazz-Anleihen. Schaut man sich die Liste der beteiligten Musiker durch, ist das auch kaum überraschend. Liest sich diese Liste doch beinahe wie ein Who is Who der Realword (Peter Gabriels World Music Label) Musiker, allen voran der unvergleichliche Sound des Violinisten Shankar oder des Doudouk-Spielers Levon Minassian. Daneben kommen noch so exotische Instrumente wie Koto (altertümliches Saiteninstrument mit Seidensaiten) diverse Percussioninstrumente oder auch Tonys Espressomaschine zum Einsatz. Das alles hat natürlich durchaus Ähnlichkeit mit Peter Gabriels Worldmusic Alben wie z.B. Passion oder Rabbit Proof Fence. DUrch die sehr starke Präsenz des Basses, den Jazz-Elementen und vor allem durch die sehr reduzierte Instrumentierung und Produktion hat das Album aber die nötige Portion Eigenständigkeit. Auch die Kompositionen gehen gänzlich in eine andere Richtung. Vieles ist rein akustisch, oft werden recht simple Patterns gespielt, doch zwischendurch zeigen Tony und die anderen Musiker immer wieder, was für Weltklassemusiker sie doch sind. Bei Tony bin ich immer wieder aufs neue überrascht, was für Sounds er aus seinem Instrument hervorzaubern kann.

Schließlich gibt es zu fast jedem Stück ein paar Liner Notes von Tony. Und hier scheint es sich in der Tat um so etwas wie Auszüge aus einem Tagebuch zu handeln - abgedruckt wurden jeweils handschriftliche Notizen - meistens auf dem Papier mit dem Emblem des jeweiligen Hotels, in dem Tony gerade wohnt. Das scheint entweder eine Macke von ihme zu sein (kann dem Mann vielleicht mal jemand ein richtiges Tagebuch schenken?) oder es handelt sich hier um einen gut gemachten Marketing Gag. Wie auch immer, es macht Spaß zu lesen, insbesondere während man dazu die jeweilige Musik hört und sich dann in die damalige Stimmung von Tony hineinversetzen kann, als die Musik entstanden ist.

Das Album ist sehr ruhig und meditativ gehalten. Kein Vergleich Tonys Output bei King Crimson oder z.B. Liquid Tension Experiment. Auch von seinen anderen Soloalben, die stärker im Jazzrock anzusiedeln sind, hat das Album wenig gemein. Wer es schnell und laut braucht, der wird mit dem Album nicht unbedingt glücklich werden. Aber wer sich auch an ruhiger, meditativer Musik erfreuen kann und gegenüber Worldmusik-Einflüssen aufgeschlossen hat, dem sei das Album wärmstens zu empfehlen.

An das Album ist in Deutschland teilweise schwer ranzukommen, wenn man nicht unbedingt Mondpreise berappen möchte. Ich empfehle, bei Tonys Store in den USA zu bestellen (http://www.papabear.com/store/store.html).
Dio mio! Da hatte geklingelt die Telefon!
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