[REVIEW] Big Generator (1987)

veröffentlicht: 28.09.1987

Chris Squire ; Alan White ; Trevor Rabin ; Tony Kaye ; Jon Anderson
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JJG
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[REVIEW] Big Generator (1987)

Beitrag von JJG »

Big Generator

Es dauerte vier Jahre bis die Band ihren Fans wieder ein neues Album vorlegen konnte. Das damals jüngste Yesmitglied (Trevor Rabin) hielt ein paar Jahre später seine Meinung nicht hinter den Berg: „Yes ist eine faule Band“.

In der Tat wurden einige Bandmitglieder nach dem großen Erfolg der Band träger. Hinzu kamen noch ein paar persönliche Probleme. Anderson und Squire trennten sich von ihren Frauen und der Bassist verlegte auch noch seinen Wohnsitz von England an die Westküste der Staaten. Da nun auch genügend Geld da war, wurde das Leben auch ein wenig bequemer ...

1987 war es dann wieder so weit, um sich für ein neues Studioalbum zusammen zu finden. Trevor Rabin überzeugte die Band gemeinsam nach Italien zu gehen. Das Aufnahmestudio in einem schönen alten Schloss wurde aber nach der Hälfte der Aufnahmen verlassen und man ging in Trevor Horns Aufnahmestudio nach London.

Derweil verkündete die Plattenfirma eigenmächtig, dass das neue Album das nächste „Dark Side Of The Moon“ werden würde. Indes waren die musikalischen Vorstellungen der Band sehr unterschiedlich ... ... trotzdem ist es ein eher homogenes ein sehr mainstreamiges Album geworden.

Das Video zum Song „Rhythm Of Love“ macht deutlich um was es im ersten Song geht. So wird ein roter Vorhang aufgezogen und der Rhythmus wird durch die visuellen Darstellungen optisch verstärkt. Trevor Rabin wurde deshalb zu Andersons Texten befragt. Mit einem Schmunzeln gab er wieder, dass die sonst kosmischen Texte des Sängers hier eindeutig sind. Es geht um Sex.
Es wird auch gleich deutlich, dass die Gitarre das tonangebende Instrument ist und sich dieser Tatbestand durch das ganze Album ziehen soll.

Der Titeltrack folgt und der Mainstream geht weiter. Der von Chris und Trevor komponierte Riff dominiert das ganze Stück. Ein wenig Abwechslung erhält der Song durch die Vocalparts, die zuweilen an „Manhatten Transfer“ erinnern. Die Keyboards rücken stark in den Hintergrund.

„Shoot High Aim Low“ stellt einen Höhepunkt der Scheibe dar und ist wohl eine Versöhnung mit den Yesfans der alten Garde. Die Keyboards sind wieder deutlich hörbar und man hat sich auch textlich Gedanken gemacht. Die damaligen Auseinandersetzungen der USA mit Nicaragua werden angeprangert. Jon und Trevor teilen sich die Gesangsparts um den Sinn des Songs darzustellen. Einerseits überfliegen Hubschrauber mit menschenmetzelnden Maschinengewehrfeuer die Blue Fields (ein Teil Nicaraguas) – Jons Part; im gleichen Augenblick amüsiert sich ein Liebespärchen in einem Auto zu den Klängen einer Steelgitarre – Trevors Part. Live entwickelt sich der Song zu einem Klassiker der damaligen Yesbesetzung aufgrund eines „Würm-Fortsatzes“ . Zu hören auf dem Output „Yes –The Word Is Live“.

Ja die Liebe ist auch wieder Inhalt des nächsten Songs (Almost Like Love). Chris hat auch „neue“ Ideen und will den Song mit einer Bläserfraktion veredeln. Zum Glück wird dies durch andere Bandmitglieder verhindert um nicht in die „Sussudio-Fahrwasser“ eines erfolgreichen Solo - Sängers der Achtziger zu geraten. Musikalisch wird hier die Heavy - Mucke bedient und die geplanten Bläsertunes letztlich durch Keyboardtöne ersetzt.

Die Liebe findet ihren Weg auch in den nächsten Song („Love Will Find A Way“). Dieser sollte an die Erfolge eines „Owner Of A Lonely Heart“ anknüpfen und verfehlte sein Ziel. Dabei hatte Trevor R. diesen Song ursprünglich für Stevie Nicks (Fleetwood Mac) geschrieben. Aber Alan gab hier sein Veto und setzte sich durch, das dieser Song auf das Album kam. Dennoch war der Song vor allem in Amerika erfolgreich und schaffte es in den dortigen Single-Charts bis auf Platz 30. Auch hier teilen sich Jon und Trevor den Führungsgesang. Stevie Nicks sang zu hause ihren eigenen Text zum Song , wenn dieser gerade mal im Radio lief ...

Mit dem Song „Final Eyes“ setzen Yes aber noch nicht den letzten Augeblick dieser Platte.
Wiederum spielt die Liebe (diesmal nicht im Titel) eine große Rolle. Ja wenn (frisch-) verliebte Jungs eine Platten machen sollen, worüber sollen sie dann wohl auch singen ?
Dennoch kann man auch hier die schönen Hooklines, die das gesamte Werk durchziehen, nicht verleugnen. Und Meister Anderson setzt auch wieder zu gesanglichen Höchstleistungen an. Die Songstruktur entspricht dem gängigem Popschema à Strophe, Refrain, Strophe, Refrain ... veredelt durch ein paar kleine Bridges und ein paar Gitarrensolos.

Der nächste Song „I’ m Running“ ist in seiner Länge wieder etwas ausgedehnter, ja progressiver und beginnt mit einem schönen Bassriff, der im Laufe des Songs immer mal wiederholt wird. Chris knüpft hier, wie auf dieser Platte selten, an seine alten Traditionen im Bassspiel an. Um was sich wohl der Text dreht ?

Der letzte Song („Holy Lamb“) des „Großen Erzeugers“ stammt ausschließlich aus der Feder von Jon Anderson, der seine Begegnung mit spirituellen Menschen in Las Vegas wiedergibt. Diese Menschen zogen durch die Straßen und sagen Lieder über die harmonische Annäherung (Harmonic Convergence – Untertitel des Songs ).

Die musikalischen und textlichen Differenzen (Trevor Rabin: „Was zum Teufel ist eine harmonische Annäherung“) zwischen den Bandmitgliedern verstärken sich noch durch die Differenzen mit dem Produzenten. So ist es Trevor Horn immer schwerer gefallen mit Jon Anderson zusammen zu arbeiten. Weiterhin bestand er als Produzent darauf, Tony Kaye nicht als Keyboarder fungieren zu lassen. Dieses sollte ebenfalls Rabin übernehmen.

Es kam zum Bruch mit Horn und Rabin produzierte die Platte zu Ende.

Dennoch wurde die Platte in Amerika ein voller Erfolg. Sie erreichte binnen weniger Wochen Doppel-Platin Status. Der Song „Rhythm Of Love“ erreichte den zweiten Platz in der Sektion der meist gespielten Radio-Songs des Jahres. In den Albencharts kletterte das Album in bis auf Platz 15.

Die anschließende Tournee wurde nicht auf Europa ausgedehnt und Anderson verließ die Band kurze Zeit später zum zweiten mal.
"We are truth made in heaven, we are glorious" (Anderson/Stolt 2016)

Saaldorf
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Aprilfrost
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Re: Big Generator - Rezi

Beitrag von Aprilfrost »

Ich hab mich immer gewundert, dass "Love will find the Way" kein Hit geworden ist, wo er doch alle Qualitäten dafür aufzeigt und noch eingängiger als "Owner oalH" ist. Big Generator ist sicher kein typisches Yes-Album (was immer das sein mag), enthält aber einige Tracks, die ich nicht missen möchte, allen voran "Shoot High Aim Low".

torstenj
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Re: Big Generator - Rezi

Beitrag von torstenj »

Danke Aprilfrost!

Und natürlich auch Dank an JJG!

Big Generator war mein drittes Yes-Album, das ich mir je gekauft habe. Aufgrund meines Alters und keines Vaters, der diese Musik hörte, war mein Einstieg bei Yes logischerweise 90125. Und das war auch erst 1985. Mir waren damals (ich war 16) so Songs wie Changes schon nicht einfach verdaulich. Ich brauchte dafür `ne Weile (so 10 bis 20 mal hören oder so).
Mein zweites Yes-Album war Gleichnamiges! Da hatten es mir selbstredend Your Move und auch Perpetual Change angetan! Auch für Yours Is no disgrace brauchte ich ne Weile...
Dann kaufte ich mir Big Generator. Da schrieben wir bereits das Jahr 1987 - wenn ich nicht irre. Love Will Find A Way und Shoot High Aim Low besaßen für mich Hit-Charakter.
Ich besorgte mir damals die Maxi-Singles von Love Will Find A Way sowie von Rhythm of Love. "Was für ein Scheiß", dachte ich damals. Habe die Maxis seit Jahrzehnten nicht mehr angerührt. Hab sie irgendwann mal aus Versehen irgendwo gehört... Auch da dachte ich: "Was für ein Scheiß".
Aber: An I´m Running, Big Generator und Final Eyes habe ich mich recht schnell gewöhnt. Ich mochte die Songs. Habe sie jetzt lange Zeit nicht gehört - bis vor wenigen Wochen. Da hab ich mir die CD rausgekramt (die hatte ich mir ein paar Jahre nach dem Platten-Kauf auch zugelegt - wie bei fast allen Platten, die ich mir mal gekauft hatte)
Shoot High Aim Low haut mich auch heute noch weg. Find ich einfach Klasse - aber nur, wenn´s richtig laut geht...
Der Wechsel in die 90er Jahre erfolgte für mich auch über Union. Aber da kam dann auch schon die Zeit, in der ich mir Fragile, Gates Of Delirium regelmäßig reinpfiff.
Aber Big Generator gehörte neben 90125 und talk zu den am häufigsten von mir gehörten Yes-Alben - bis Ende der 90er Jahre. Erst dann erfolgte bei mir ein Wechsel zu den Prä-Rabin-Alben...

Ich hoffe, ich habe mit meinen Ausführungen jetzt niemanden gelangweilt...
Wenn ja, lasst´s mich ruhig wissen.

Schönen Gruß

TJ
Meine nächste Waage stelle ich auf dem Mond auf!
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SOON
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Re: Big Generator - Rezi

Beitrag von SOON »

@JJG [smilie=thumbsup.gif]

Im YESKatalog ist BG eher unbedeutend.
Im Melodicrock Genre zählt BG allerdings zum Besten was es gibt.
Ein absoluter Klassiker.
MAKE PROG NOT WAR ! ---> ---> My 2024 Album Faves

Fragile
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Re: Big Generator - Rezi

Beitrag von Fragile »

Der "große Generator" ist sicherlich das durchwachsenste Album der westlichen Yes-Trilogie "90125"/"Big Generator"/"Talk" und es liegt auch bei mir deutlich seltener im Player als eben die anderen beiden. Trotzdem, die beiden potenziellen Hits "Rhythm Of Love", "Love Will Find A Way" und die etwas ausgefeilteren Stücke "Shoot High Aim Low" und "I'm Running" möchte ich im Yes-Ouevre nicht missen.

Mein persönlicher Tiefpunkt ist übrigens auch "Almost Like Love" und obwohl er sicher so oder so nicht besser geworden wäre, hätte ich mir schon echte funky klingende Blechblasinstrumente gewünscht anstatt dieser total sterilen, peinlichen und nicht einmal entfernt nach Bläsern klingenden Keyboard-Plastik-Samples (auch bei Genesis haben diese Sounds schon an sich gute Songs wie "Anything She Does" oder "Feeding The Fire" ein wenig versaut).
Das Argument, das funky Bläsersections collins-typisch sein sollen, scheint in Prog-Kreisen ja Gang und Gebe zu sein, ist aber, wie ich finde, völlig haltlos. Auch ein Mike Oldfield hat mit Bläser-Ensembles experimentiert, nachzuhören vor allem auf "Platinum", "QE2" und "Five Miles Out", die waren ja ungefähr zur selben Zeit wie auch "Face Value" und "Abacab" erschienen ("Platinum" und "QE2" ein wenig früher). Mit dem Unterschied allerdings, dass Oldfield dafür weit weniger Schelte einstecken musste. Verkehrte Welt. :?

Nachtrag: Der letzte Absatz ist nicht(!!!) gegen die Prog-Fangemeinde gerichtet, sondern nur eine allgemeine Beobachtung von mir. ;)
He's seen too much of life,
and there's no going back...
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