[REVIEW] 90125 (1983)

veröffentlicht: 07.11.1983

Chris Squire ; Alan White ; Trevor Rabin ; Tony Kaye ; Jon Anderson
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DocFederfeld
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[REVIEW] 90125 (1983)

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90125

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Seite 1
01. Owner of a Lonely Heart (Rabin/Anderson/Squire/Horn) - 4:30
02. Hold On (Rabin/Anderson/Squire) - 5:17
03. It Can Happen (Squire/Anderson/Rabin) - 5:29
04. Changes (Rabin/Anderson/White) - 6:19

Seite 2
01. Cinema (Squire/Rabin/White/Kaye) - 2:06
02. Leave It (Squire/Rabin/Horn) - 4:14
03. Our Song (Anderson/Squire/Rabin/White) - 4:18
04. City of Love (Rabin/Anderson) - 4:52
05. Hearts (Anderson/Squire/Rabin/White/Kaye) - 7:35

90125 wurde im November 1983 veröffentlicht. Ich war damals 16 Jahre alt und kannte von Yes die Alben Yessongs und Going For The One. Damals gab es bntlich noch kein Internet. Informationen über neue Alben oder Konzerte bekam man aus dem Musikexpress/Sounds, von Plakaten oder durch den Besuch im Plattenladen. Ich war ein Progressive Rock Fan ohne es zu wissen – denn die Bezeichnung „Progressive“ kannte ich damals noch nicht. Zu meinen Lieblingsbands gehörten Pink Floyd, Genesis, ELP, Barclay James Harvest und Saga.

Nach meiner Information gab es Yes nicht mehr. Sie hatten sich aufgelöst, genauso wie ELP. Ich wusste immerhin, dass Howe und Downes zusammen mit Carl Palmer die Band Asia gegründet hatten. Ich kann mich heute nicht mehr daran erinnern, ob meine erste Begegnung mit 90125 im Plattenladen war oder ob ich zuerst Owner Of A Lonely Heart im Radio gehört habe. Der allererste Eindruck war jedenfalls Überraschung – darüber, dass es plötzlich ein neues Album gab, Überraschung über ein völlig untypisches Cover und völlig untypische Musik. Obwohl mir „Owner“ nicht gefiel, kaufte ich mir das Album … und war begeistert.

Die Meinungen zu „90125“ und zur sogenannten YesWest-Besetzung sind ja sehr geteilt. Die Fans scheinen hier genauso polarisiert zu sein wie viele Genesisfans in der Streitfrage Gabriel vs. Collins, aber mir hat dieses Album erst den Weg zu Yes und deren Musik geöffnet. Going For The One“ und insbesondere „Yessongs“ mochte ich, insbesondere fand ich Jon Andersons Gesang fabelhaft, aber insgesamt war mir die Musik zu komplex, zu sperrig. Ich konnte zunächst keinen Zugang dazu finden – im Gegensatz z.B. zu den alten Werken von Genesis, die mir unmittelbar gefielen.

Man sollte sich die 90125 einfach unvoreingenommen anhören – vielleicht beim zweiten Song anfangen, denn „Owner Of A Lonely Heart“ wirkt für mich bis heute wie ein Fremdkörper auf dem Album – kein schlechter Song (mich erinnert er an THE POLICE und die Gitarre an „Stay The Night“ von CHCAGO), aber irgendwie deplaziert.

Aber was dann auf der ersten Albumseite folgt, ist fabelhaft, ist vielleicht das beste, was Yes seit dem Album „Close To The Edge“ fabriziert haben -Leave It, It Can Happen und vor allem Changes können mich auch heute noch, über 25 Jahre nach Erscheinen der LP begeistern. Natürlich sind diese Songs eingängiger und auch kürzer geraten als viele Songs, die die Band zwischen „The Yes Album“ und „Going For The One“ geschrieben hat, aber es ist eigentlich alles da, was Yes ausmacht – häufige Melodiewechsel, großartiger mehrstimmiger Gesang und sehr virtuose Beherrschung der Instrumente, insbesondere von Rabin an der Gitarre und von Squire am Bass. Im Unterschied zu anderen Alben klingt Yes hier wie eine Band, nicht wie eine Zusammensetzung von Solomusikern und das tut der Musik sehr gut.

Die Übernahme einiger Leadvocals durch Trevor Rabin scheint auch Jon Anderson besonders angespornt zu haben. Seine Stimme klingt fester, vielleicht besser als je zuvor – meine Lieblingspassage schlechthin stammt aus Changes:

Rabin singt “For some reason your questioning why/I always believe it gets better/one difference between you and I/your heart is inside your head”- dann folgt Anderson engelsgleich “one word from you/one word from me/a clear design on your liberty/who could believe when love has gone/how we move on like everyone” – und dann geht es im Duett weiter “only such fools...” – das ist Artrock in Vollendung, sicher kein Mainstram der Marke Toto, die damals sehr erfolgreich waren und sicher auch kein Pop, wie ihn Genesis in ihrem nur einen Monat früher veröffentlichten, gleichnamigen Album produzierten.

Die zweite LP-Seite fällt im Vergleich dazu ab – bei Cinema stört mich der in den Hintergrund gemischte Chor (aber dieses Instrumental bescherte Yes den ersten und einzigen Grammy der Bandgeschichte), City Of Love klingt nach US-amerikanischem Hardrock der Marke Foreigner. Aber Hearts ist eine sehr gelungene Yes-Ballade, die auch auf „Going For The One“ passen könnte und der a-capella Anfang von Leave It erinnert ebenfalls an die Werke der 70er.

90125 war das 11. Studioalbum von YES, das erste von insgesamt 3 der „Mark VIII“-Besetzung, umstrittenen unter den Fans wie der Vorgänger Drama, aber genauso hörenswert. Es ist bis heute das erfolgreichste Album der Band, und gerade dieser kommerzielle Erfolg wird dem Album offensichtlich vorgeworfen. Für mich persönlich ist es eines der fünf besten der Band … und es lohnt sich, gelegentlich wieder reinzuhören.

P.S.: 90125 ist das erste Yesalbum seit 11 Jahren, an dem gleich drei Gründungsmitglieder der Band beteiligt waren – und wahrscheinlich ist es das erste Rockalbum der Geschichte, bei dem ein Ex-Mitglied einer Rockband seine früheren Kollegen produzierte (das zweite war Big Generator).
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