[REVIEW] Jon Anderson - Survival & Other Stories (2010)

(2010)
Benutzeravatar

Topic author
JJG
Ehren-Admin
Beiträge: 9738
Registriert: Fr 27. Okt 2006, 16:20
Wohnort: Bad Lobenstein
Has thanked: 1442 times
Been thanked: 1077 times

[REVIEW] Jon Anderson - Survival & Other Stories (2010)

Beitrag von JJG »

Jon Anderson – Survival & other Stories 2010

Mr. Tausendsassa hat es endlich geschafft. Hurra, es gibt wieder eine reguläre CD, die eine ansprechende Qualität hat.
Viele Projekte hat Jon in den letzten Jahre angekündigt, war gefühlt an zwei Duzend CDs als Gastsänger beteiligt, hat
alte Freundschaften aufgefrischt, war mit vielen jungen Musikern unterwegs und scheint nun wieder in geregelte
Bahnen zu kommen.

Dabei hat(te) er es nicht leicht, seine Gesundheit war (ist) stark beeinträchtigt, für den Sänger ein harter Schlag.
Hinzu kommen finanzielle Probleme, Uneinigkeit mit der Band, die er gegründet hat, rechtliche Probleme und eine
gewisse Unstetigkeit. Das alles sind keine guten Voraussetzungen für das Dasein eines professionellen Musikers.

In den letzten Jahren gab es für Jon viele Freunde mit denen er, überwiegend via Internet, zusammengearbeitet hat.
Endlich gibt es wieder ein komplettes Album und gleich bahnt sich wieder das nächste Problem an – die Insolvenz
der neuen Plattenfirma. Also dürfte sich die offizielle Veröffentlichung dieses Albums wieder verschieben.
Zum Glück wurde die Erstpressung gerettet und kann wenigstens zur laufenden Tour, mit seinem Freund Rick Wakeman,
verkauft werden.

Bild

Die Entstehung dieses Albums begann vor vier Jahren mit dem Aufruf auf seiner Website „Musiker gesucht … sendet mir eure Musik“.
So gibt es die unterschiedlichsten Song-Komponisten, deren Songs Jon mit seinen Melodien und Texten veredelt hat.
Die verschiedenen Urheber merkt man diesem Album aber nicht an. Natürlich wurden einige Songs auf den Tasten und
einige Stücke auf den Saiten komponiert.

Folgende Komponisten werden im Booklet verzeichnet:
Jamie Dunlop
Peter Kiel
Jann Castor
Dan Spollen
Kevin Shima
Steve Layton
Jeremy Cubert
Paul Quinn

“New new World” ist ein typischer Song, der in der Tradition von „State of Independence“ steht. Streicher, verschieden Gitarren
und Perkussion prägen Song. Jon schichtet mehrere Stimmen übereinander, Jane (seine Frau) darf auch helfen, ein prägender Riff
löst sich wechselseitig mit den Streichern ab und verdichtet die gesamte Komposition.

„Understanding Truth“, eine kurze Ballade, ist im Gegensatz zum Vorgänger sehr einfach gehalten, nur Gesang und akustische Gitarre.
Vergleichbar etwa mit „From the Balcony“, weil hier Dr. Howe dem Gitarristen Pate stand. Ein wundervoller Song im Stile eines Folk-Songs.

Schwebende Keyboard-Teppiche, helle Akkorde auf der Westerngitarre und ein computergenerierter Drum-Sound prägen den Song
„Unbroken Spirit“. Dessen Geist einen Song wie „Holy Lamb“ wieder aufleben lässt. Sehr relaxed verkündet Anderson im Text, dass
er nicht rückwärtsgewandt ist, sehr wohl die Fehler erkennt, die er gemacht hat. In kaum einem Text kehrt er seine Seele so nach
außen wie in diesem. Er zeigt auf seine eigenen Grenzen und die Grenzen, die wir für uns selbst erkennen müssen.

Treibende Rhythmen führen in spirituelle Sphären, Divine Mother wird zitiert, für Jon den unermüdlich Liebe anmahnenden Minnesänger
eher ungewöhnlich funkig, mit viel Bass und Perkussion kann man dem „Love oft he Live“ lauschen, der einen gewissen 80er Touch
besitzt und wohl auf das Album „Animation“ gepasst hätte.

Dann kommt der „Big Budda Song“, eine rockige „unplugged“ Nummer, im ersten Teil nur eine akustische Gitarre und ein sparsamer Rhythmus,
dann setzt die elektrische Gitarre mit schönen Hooklines ein. Für mich vermittelt der Song Optimismus pur. Auch ein paar Yes-Zitate gibt es.
Im Hintergrund gibt es Textzeilen wie „He is here“ oder auch „We have heaven“ zu hören. Ein schöner Song, den man zum nächsten Forumstreffen
gemeinsam singen könnte.

Mit fast acht Minuten kommt dann der Longtrack des Albums. Wundervolle Piano-Akkorde werden von einer spanischen Gitarre „overdubbed“,
Jane singt die auf ein Wort reduzierten Backing-Vocals „Soon“, graziöse Streicher, ein melancholischer Yes-Sänger lässt diesen Song in der
höchsten Tönen zu einem Juwel werden. Zum Ende erfolgt eine dramatische Steigerung, ich möchte mir nicht vorstellen wie dieser Song
im klassischen Yes-Lineup geklungen hätte (*schmacht*).

Ein kurzes Stück, das Jon im Singer/Songwriter-Stil hält, ist das anschließende „Effortlessly“. Back to the Roots, Mr. Anderson? – So geht
es dann auch weiter mit „You Move“ ähem „Love and understandig“ Steve Howe an der Steel-Guitar, möchte man meinen.

Auch in diesem Song wird deutlich, dass die Komponisten wirklich Ahnung von Jon und Yes haben. Alle Songs sind ideal auf ihn zugeschnitten.
Ähnlich wie bei Yes bieten viele Grundgerüste das Terrain, auf das Jon seine Gesangsmelodien setzen kann.

Ob es jemals wieder ein Yes-Album mit Jon geben wird? Ich würde es mir wünschen.

Ein großer Song, der auch (in einer anderen Fassung) auf „The Living Tree“ zu finden ist, folgt im Anschluss -
„Just one Man“. Jon beschreibt den Einfluss einzelner Menschen auf ganze Generationen. Zerbrechlich zugleich stark,
mahnend zugleich nachdenklich, schlicht zugleich orchestral sind die Dinge, die ich zur Musik dieses Songs sagen kann,
eine weitere Perle …

Der persönlichste Song des Albums ist “Sharpening the Sword“, in dem Jon seine Erfahrungen, seine Gefühle, seine Nahtoderfahrung, seine Reisen,
seine Eindrücke beschreibt und einen Bezug zu seiner eigenen Lebenseinstellung herstellt. Ein Rückblick auf sein Leben – ich hoffe er hat damit
noch nicht seine Memoiren geschrieben, aber so wirkt dieser Song auf mich. Er braucht niemand noch etwas beweisen, dennoch treibt ihn die
Liebe zur Musik weiter.

Einen Rückblick auf seine pre-Yes-Zeit kann man im Booklet lesen. Jon gibt hier detailliert Einblick in den Beginn seiner musikalischen Reise
(als Waschbrettspieler einer Skiffle-Band) bis zu seiner Rückkehr von Schweinfurt (im Booklett-„Swinefurt) nach London …

Den Abschluss bildet dann eine der besten, emotionalsten Stücke, die Jon je gesungen hat. War „Sharpening the Sword“ ein Rückblick,
so ist „Cloudz“ ein Ausblick in die Zukunft. „Cloudz“ wird sich für den aufmerksamen Zuhörer nahtlos in all die großen Songs, die nur auf ganz wenigen,
sparsam gesetzten Piano-Noten bestehen, einfügen. Wer „Bridge across forever“ oder die Piano-Version von „Here comes the flood“ so liebt wie ich,
wird sich auch in „Cloudz“ wiederfinden. Ein Song für späte einsame Stunden, in denen man Kraft schöpfen will.

Hat es was zu bedeuten, dass das Cover in hellgelben Tönen gehalten ist?

Hat es etwas zu bedeuten, dass auf den Front-Cover ein einsamer Baum steht, auf der Rückseite der CD zwei eng beieinander sich zugewandte Bäume zu sehen sind?

Bild

Danke Jon!
"We are truth made in heaven, we are glorious" (Anderson/Stolt 2016)

Saaldorf

Royale
Alumni-Admin
Beiträge: 1830
Registriert: So 8. Jul 2007, 16:20
Wohnort: Schönste Stadt der Welt

Re: Jon Anderson - Survival & Other Stories (2010)

Beitrag von Royale »

JJG hat geschrieben:Danke Jon!
Du hast dich vertippt: Danke Jan!

(Und den anderen Dank --> siehe Plauderecke ;) )
Leb in meiner Welt

BBQ.Master
Keymember
Beiträge: 1957
Registriert: So 24. Sep 2006, 13:41

Re: Jon Anderson - Survival & Other Stories (2010)

Beitrag von BBQ.Master »

Danke für die Rezension, Jan! :)
"It's better to burn out than to fade away ...because rust never sleeps." - Neil Young

Bild

Royale
Alumni-Admin
Beiträge: 1830
Registriert: So 8. Jul 2007, 16:20
Wohnort: Schönste Stadt der Welt

Re: Jon Anderson - Survival & Other Stories (2010)

Beitrag von Royale »

Was wären denn deine Antworten auf die beiden Fragen, die du am Ende gestellt hast, Jan?

Ich steh da auf dem Schlauch...
Leb in meiner Welt
Benutzeravatar

Aprilfrost
Keymaster
Beiträge: 9264
Registriert: Mo 7. Apr 2008, 16:20
Has thanked: 158 times
Been thanked: 112 times

Re: Jon Anderson - Survival & Other Stories (2010)

Beitrag von Aprilfrost »

Deine Rezi ist fast selbst wie Musik. Danke für Deine persönlichen Eindrücke und die Informationen zu dem Album. Hoffentlich ist das Album auch bald für uns Nicht-Konzert-Besucher erhältlich.
Zu Deinen Fragen zum Cover fällt mir ein:
ein einsamer grüner Baum in gelber Wüste - der nicht allein bleibt
wie ich Jon einschätze, steht da bestimmt etwas Spirituelles dahinter.
Benutzeravatar

SOON
Website-Betreiber
Beiträge: 11867
Registriert: So 9. Mär 2008, 16:20
Has thanked: 656 times
Been thanked: 753 times

Re: Jon Anderson - Survival & Other Stories (2010)

Beitrag von SOON »

Ich kann JJG’s Einschätzung nur bestätigen, sicherlich kann man Survival & other Stories zu den 5 besten Jon Anderson Solo Alben zählen.
Jon hat hier eine famose Songkollektion zusammengestellt die alle Facetten dessen was ihn wohl zurzeit beschäftigt wiedergibt.
Die CD, des 66 jährigen, hätte auch „September of my Years“ heißen können, ein Zeitraum in dem sich die Blätter der Bäume braun färben aber nicht verwelken sondern in vielen Pastelltönen strahlen.
So strahlt auch seine Musik, verwurzelt mit der Vergangenheit aber auch mit gänzlich neuen Trieben.
Egal ob er sich beschwingt, nachdenklich, träumerisch oder spirituell gibt, mal akustikgitarresk, mal pianoperlend, mal mit streichersamtenem Schweben,
den Kern bilden immer diese wunderschönen Herbstmelodien seiner mit hohem Wiedererkennungswert ausgestatteten Songs.

Für mich steht fest, Survival & Other Stories ist das YES, Solo & Related Album 2010, womit ich gleich an diese Umfrage erinnern möchte!

http://yesforum.phpbb8.de/post29915.html#p29915
MAKE PROG NOT WAR ! ---> ---> My 2023 Album Faves

Royale
Alumni-Admin
Beiträge: 1830
Registriert: So 8. Jul 2007, 16:20
Wohnort: Schönste Stadt der Welt

Re: Jon Anderson - Survival & Other Stories (2010)

Beitrag von Royale »

SOON hat geschrieben:Die CD, des 66 jährigen, hätte auch „September of my Years“ heißen können, ein Zeitraum in dem sich die Blätter der Bäume braun färben aber nicht verwelken sondern in vielen Pastelltönen strahlen.
So strahlt auch seine Musik, verwurzelt mit der Vergangenheit aber auch mit gänzlich neuen Trieben.
Egal ob er sich beschwingt, nachdenklich, träumerisch oder spirituell gibt, mal akustikgitarresk, mal pianoperlend, mal mit streichersamtenem Schweben,
den Kern bilden immer diese wunderschönen Herbstmelodien seiner mit hohem Wiedererkennungswert ausgestatteten Songs.
Was'n mit dir los? :D

Egal, der Text ist wunderschön 8-)
Leb in meiner Welt
Benutzeravatar

SOON
Website-Betreiber
Beiträge: 11867
Registriert: So 9. Mär 2008, 16:20
Has thanked: 656 times
Been thanked: 753 times

Re: Jon Anderson - Survival & Other Stories (2010)

Beitrag von SOON »

Royale hat geschrieben:
Was'n mit dir los? :D
Sorry, das ist mir vor Entzückung gerade so rausgeflutscht! ich gelobe Besserung! schon bald! :mrgreen:
MAKE PROG NOT WAR ! ---> ---> My 2023 Album Faves
Benutzeravatar

Topic author
JJG
Ehren-Admin
Beiträge: 9738
Registriert: Fr 27. Okt 2006, 16:20
Wohnort: Bad Lobenstein
Has thanked: 1442 times
Been thanked: 1077 times

Re: Jon Anderson - Survival & Other Stories (2010)

Beitrag von JJG »

SOON hat geschrieben:
Royale hat geschrieben:
Was'n mit dir los? :D
Sorry, das ist mir vor Entzückung gerade so rausgeflutscht! ich gelobe Besserung! schon bald! :mrgreen:
Och nö, keine "Besserung" schreib so wie Du denkst, das war eine Wohltat für mich.
"We are truth made in heaven, we are glorious" (Anderson/Stolt 2016)

Saaldorf
Benutzeravatar

Topographic
Keymember
Beiträge: 2943
Registriert: So 24. Feb 2008, 15:20
Has thanked: 61 times
Been thanked: 412 times

Re: Jon Anderson - Survival & Other Stories (2010)

Beitrag von Topographic »

Jans tolle Rezi und Soons wunderbar weihrauchwolkige Wertschätzung des Albums sind sicherlich großteils berechtigt.
Wenn man bedenkt, was Jon in den letzten Jahren alles mitgemacht hat, muss man wirklich froh um so ein Album sein.
Nach den vielen, wenig ausgegorenen Facebook-Schnipseln, hatte ich mich aber ein wenig vor dem Album gefürchtet. Nicht schon wieder so ein Flop Marke "The More..", "Earthmotherearth" oder "The Promise Ring" - alles schon über zehn Jahre her.
So wollte ich auch nach dem ersten, oberflächlichen Durchhören mit dem Empfinden "Eine nette Ansammlung von Belanglosigkeiten" nicht mehr so recht an diese CD (ich bin zu sehr Jon-Fan, als dass ich mir eine weitere Enttäuschung antun wollte). Je öfter ich das Album aber höre, desto mehr erschließen sich verborgene Schönheiten, kleine ungeschliffene Halbedelsteine und feine musikalische Arrangements. Dennoch bleibt es eine Ansammlung von Songs sehr unterschiedlicher Qualität. Was mir gut gefällt, ist die saubere Produktion, auch der Vocals (im Gegensatz zum Living Tree), weniger beeindrucken mich Jons melodische Inspirationen. Das liegt vielleicht daran, dass Jon - wie bei Living Tree und anders als oftmals bei YES- die Songs bereits in ihrem Grundgerüst geliefert bekam und dann erst Lyrics und Melodie beisteuerte.
Mein Favorit ist "Cloudz" - der Song erreicht eine beinah ähnliche Intensität wie "Sadness of Flowing".

Was mich wirklich verwundert, ist diese merkwürdige Vermarktungsstrategie des Albums. Kein Hinweis auf Jons HP, eine reguläre Veröffentlichung sei erstmal nicht geplant, lässt das Management verlauten. Da haben Jan, Melanie und ich ja ein echtes Sammlerstück im Regal stehen.
Wer mal reinhören will...
Antworten

Zurück zu „Survival & Other Stories“