[REVIEW] Jon Anderson - Song of Seven (1980)

(1980)
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JJG
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[REVIEW] Jon Anderson - Song of Seven (1980)

Beitrag von JJG »

Song of Seven – Siebenlied (Jon Anderson)

Vor 30 Jahren erschien Jons zweites Album. Drehen wir das Zeit-Rad mal zurück. Jon hatte Yes verlassen, nachdem es keinen musikalischen Grund mehr gab ein Album miteinander aufzunehmen. Die vorangegangenen Sessions verliefen recht erfolglos. Die musikalische Ausrichtung strebte in verschiedene Richtungen. Jons Kommentar war damals: „nun können die Jungs machen, was sie wollen“.

In der Tat hatte Jon eine Alternative. Das Duo-Album (Short Stories) mit Vangelis war in aller Munde und Jon erweiterte seinen Bekanntheitsgrad. Doch fehlte dieser Zusammenarbeit etwas, was für Jon im Gegensatz zu Vangelis besonders wichtig war. Er wollte auf der Bühne stehen und live singen. Zwar gab es ein paar Auftritte mit Vangelis, aber als echte Tour konnte man das nicht bezeichnen.

Während der Sessions mit Yes entstanden bereits die Songs „Days“ und „Some are born“. Jon fühlte sich frei, hatte die finanzielle Möglichkeit eine eigene Band um sich zu formieren. Diese Tatsache widerspiegelte sich auch darin, dass er für das Album ganz unterschiedliche Songs komponierte. Alles was sich angestaut hatte, konnte sich nun entladen. Die emotionale Aufarbeitung der Trennung von „seiner“ Band Yes fand erst später auf „Animation“ (1982) statt. Jon hatte nun auch wieder Zeit sich mehr um seine Familie zu kümmern. Seine jüngste Tochter Jade war geboren und Jon war im siebten Himmel …

Die Gazetten nahmen Jon Ende der 70er recht unterschiedlich wahr. Während der „Sounds“-Redakteur Manfred Gillig, sich selbst als Nicht-Yes-Fan bezeichnend, mit Wortfindungen wie „pseudo-tiefsinninger Kitsch“ über Jon und Co. glänzte, gab es auch ganz andere Meinungen. Roland Radic (Melodie und Rhythmus) sah Yes als "eine der weltbesten, populärsten und künstlerisch fortgeschrittensten Rockgruppen“ überhaupt.

Viele Fans erwarteten einen Nachfolger in Stile von „Olias of Sunhillow“. Jon hatte diese Sounds ausgereizt und wollte einen anderen Klang. Hierzu bediente er sich musikalisch sogar aus einer Zeit, als er noch mit seinem Bruder Tony durch die Klubs tingelte.

Songs:

„For You For Me“ ist ein Stück im Stile von “Jon & Vangelis”, bei dem eindeutig die Keyboards im Mittelpunkt stehen. Diese werden von Jon selbst und Ronny Leahy bedient. Dazu noch ein 80er Rhythmus mit Frettless-Bass und eine Solo-Gitarre im Hintergrund. Kein auffälliger Song, der Jon in einem neuen Gewand zeigt.

Some are born“, welches ja noch von den Yes-Sessions stammt, in der Yes-Version als Bonus Track auf der Expanded-Tormato erschienen, erscheint in einem völlig neuen Gewand. Ein Song mit Hit-Qualitäten. Jon mit kristall-klarem Gesang und an der akustischen Gitarre und Ian Barinson an E-Gitarre und Bass können hier völlig überzeugen. Im Mittel- und Schlussteilwird wird der Song mit Saxophon (Dick Morissay) veredelt und mit Leahys Keyboard aufgelöst.

„Don’t forget“ ist dann eine bluesige Nummer, mit Big-Band Einflüssen, die an die Klänge amerikanischer Hinterhof-Klubs in den 30ern erinnert. Ganz großes Kino mit tollem Groove. Für Jon Fans sicherlich völlig unerwartet.

Sonne pur und ein gutgelaunter Jon trällert dann den nächsten Song „Heart of the Matter“. Mit einer Star-Besetzung : Drums –Simon Philips (u.a. Toto), Bass – Jack Bruce (u.a. Cream), Guitar – Clem Clempson (u.a. Colosseum), Keyboards – Ronny Leahy (u.a. Nazareth), Saxophon – Dick Morrisay (u.a. If), Backing-Vocals – Christopher Rainbow (Alan Parsons).
Ein kurzes, aber wirkungsvolles Akustik-Intermezzo gibt es mit dem Song „Hear it“. Ian Brainson setzt mit wirkungsvollen Akkorden auf der Gitarre die Hauptpunkte und unterstützt Jons klaren Gesang wirkungsvoll. Der Song ist wohl ein Paradebeispiel für die unterschiedlichen Ausrichtungen, die Jon von der damaligen „Rest-Besetzung“ trennte.

“Hear it” :
[Der Song wird hier als “Take Your Time” bezeichnet, was nicht zutreffend ist]

Mit zwei seichteren Songs geht das Album in die zweite Runde, die zweite Seite. „Everybody loves you“ und „Take your Time“. Während das erste Stück eine Liebesballade darstellt, ist der zweite Song im Text wohl ein wenig (selbst-) ironisch zu verstehen. Jon hat dazu wirkungsvoll das Tempo aus dem Song genommen. Der Zuhörer sollte sich Zeit für den Song und seinen Text nehmen.

Krönender Abschluss des Albums ist der „Doppelsong“ Days/Song of Seven. Während „Days“ sehr sparsam instrumentiert ist, mutiert „Song of Seven“ zur Minisuite und braucht Vergleiche mit „And You And I“ nicht zu scheuen.
Jons Naturverbundenheit kommt hier sehr zum Ausdruck, er hat Zeit allein und träumend durch die Wiesen und Wälder zu streifen. Akustische Gitarren und ein Bass-Lauf stehen im Mittelpunkt. Ein Chor bildet den Background. Zu Schluss kann man Jon an seiner Harfe hören.


Days (Tage)

Dieses Lied vom Abend-Licht
erinnert mich an mein Verlangen zu fliegen
die Bäume hören das
und schnelle Flügel tragen mich durch die allgegenwärtigen Gärten
es ist der Abend

In den tiefen und fernen Wäldern
durchschreitet ein junges Reh das Licht des Morgennebels
die Schwalben steigen auf
das erste Licht durchströmt die Baumwipfel
belebt alles wie leuchtende Blumen
der Hauch des Morgens

Mit diesem Lied der vergangenen Zeiten
lege ich mich in Frieden in das saftige Gras
um den Himmel zu erfassen
in dem die Lerchen in höchster Freude singen
und sich meine Sinne ergießen
es sind gesegnete Tage
es sind gesegnete Tage
es sind gesegnete Tage


Der Song wird nicht beendet, sondern mit Realitätszitaten (Naturgeräusche, spielende Kinder) untermalt und führt dann in eines der fulminantesten Werke, die Anderson je geschrieben hat. „Song of Seven“ steht in der guten alten Tradition großer Yes-Epen.

Jon liegt im Gras und ist von den Geräuschen seiner spielenden Kinder umrahmt. Aber er entschwindet völlig und mit seinem Blick in die Wolken beginnt er zu träumen. Das wundervolle Streichquartett wird durch den Chor abgelöst. Ein kurzer Choral (hier von Chris Rainbow)steigert sich in eine Ouvertüre, die von akustischer Gitarre und vom E-Piano abgelöst werden. Nun setzt Jons glasklarer Gesang, den er mit voller Inbrunst intoniert, ein. Jon ist im Glücksrausch und das spürt man in jeder Sekunde, feine Gitarren-Läufe von Clem Clemsons Gitarre werden vom Bombast ala Yes abgelöst. Nun prallen Chöre, Streicher und Rock-Band aufeinander, die wundervoll miteinander harmonieren.
Im Schlussteil kann man auch Deborah im Duett mit ihrem Vater hören, Sohn Damian und Jade kann man im Hintergrund vernehmen. Jon erwacht aus seinem Traum, als das erste Sternenlicht am Firmament erscheint.

Song of Seven (Siebenlied)

Ich sitze am Treffpunkt zwischen den Himmelspunkten
gegen Sieben umgab mich eine freundliche Stimmung
ach wie diese Zahl meine Seele mystifiziert und meine Gefühle erfasst
Zweifel und Verstand gehen Hand in Hand und lassen mich taumeln

Ich traf einen Fremden, der hier in die Stadt kam
trug Geschenke voller Versprechungen, Entdeckungen des Lichts
sprach mir viele Gründe für meine lustigen Geschichten zu
und dass diese begründet sein könnten

So saßen wir zusammen und ich sage dir einen Grund, sagte er,
„Gott segne dich, du Narr, du Narr“
du möchtest einfach glauben, aber du willst viel mehr
du bist ein Suchender

Nun sehe ich, du bist verwirrt,
bist wieder in Angst vor dem Unvorhersehbaren, kennst nicht die Partitur
überall wohin du schaust, lässt du deine Sinne entfalten
und überall dort ist die Bestimmung, die Antwort auf deine Träume

Ich kann dich sagen hören, was für ein Träumer, was für ein Lebensnarr
ist es nicht schade, dass er nicht auf die Erde zurückkommt
hast du nicht die Phantasie, ist es unmöglich
wie wirst du früher oder später darüber denken

Hast du nicht die Vorstellung, ist es unmöglich
ist das alles, was du dich fragst, damit du es deutlich siehst

In diesem Augenblick ist deine Geschichte gefangen
eine Wüste, der Untergrund, auf den hohen Bergen
ein Gletscher, die Hitze des Tages
Großstadt-Dschungel, das Firmament bei Nacht
eine unmögliche Stimmung
du bist nie wirklich geschützt

So sprachen wir über die Kraft der Träume
und wir sprachen lang über jeden Traum
und wir sprachen von dieser Macht der Träume
und wir sprachen von der Stärke der Träume

Gegen sieben umgab mich eine freundliche Stimmung
diese Zahl mystifiziert meine Seele und erfasst meine Gefühle
jene der Zweifel und des Verstandes
gehen Hand in Hand und lassen mich taumeln

Im siebten Traum einsam zu stehen
aber nicht ohne die Kraft der Liebe,
die dich jeden Tag auf deinem Weg führt

Oh, der siebte Traum, dein Lächeln kann die Liebe ewig entfalten
und die Zeit wird für immer wahrhaftig fließen

Schon sehr bald werden wir mit unserer Liebe dahin schreiten
die Liebe, die ich für dich singen kann – Du, Du

Es ist die Zeit, die mich erkennen lässt,
die Sonne kommt heraus und wird wieder scheinen
ist es die Zeit der Zeiten, die zwischen den Tageslichtern erscheint
sind da so viele Träumer in diesem leben
zwischen der Zeit eines Augenblicks
und die Treppen der Liebe
das Sternenlicht
das Sternenlicht

Sag mir dass da etwas ist
an das man sich schmiegen kann
an das man sich schmiegen kann


Hier noch ein You-Tube-Clip (Ausschnitt von "Song of Seven") vom Auftritt Jons in München:



Bild

• Jon Anderson - Vocals, Lyrics, Guitar, Keyboards, Harp
• Ronnie Leahy - Keyboards
• Morris Pert – Percussion , drums
• Simon Phillips - Drums
• Clem Clempson, Ian Bairnson - Guitar
• Johnny Dankworth - Alto sax
• Jack Bruce, Jon Giblin, Ian Bairnson, Mel - Bass
• Chrstopher Rainbow, Ian Bairnson, Deborah Anderson - Backing vocals
• Delme String Quartet - Strings
"We are truth made in heaven, we are glorious" (Anderson/Stolt 2016)

Saaldorf
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Topographic
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Re: Jon Anderson - Song of Seven (1980)

Beitrag von Topographic »

Ich bin schlicht begeistert von deiner Abhandlung, Jan. Ein weiterer Meilenstein im Rezensions-Katalog des Forums. Danke dafür!

Song of Seven ist eine Perle. Ich glaube, nie kamen auf einem Jon Anderson Album so großartige Musiker ins Studio, um so tolle Kompositionen einzuspielen. Ich mag es sehr!

Caravan
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Re: Jon Anderson - Song of Seven (1980)

Beitrag von Caravan »

Toll!!!

Habe mir daraufhin die CD aus dem Keller geholt und gehört.....
Bei der LP höre ich eigentlich immer nur Seite 2, da stecken meiner Meinung nach auch die Highlights.
"Days" und "Song of seven" allein lohnen die Anschaffung, vergleichbar nur mit dem wunderschönen "Animation" der gleichnamigen LP/CD.
Mit "Heart of the matter" habe ich so meine Schwierigkeiten......
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Aprilfrost
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Re: Jon Anderson - Song of Seven (1980)

Beitrag von Aprilfrost »

Ich kenne das Album gar nicht. Aber die Hörbeispiele finde ich sehr schön, besonders den Titel-Track. Nicht so New-Age-mäßig wie Olias oder auch 3 Ships.
Danke für die Rezi, JJG.
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MelloKey
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Re: Jon Anderson - Song of Seven (1980)

Beitrag von MelloKey »

Ich kenne das Album auch nicht, nach deiner Rezension hört es sich aber vielversprechend an! "Some Are Born" gefällt mir jedenfalls schon mal gut ;-).

Sollte ich jemals in Erwägung ziehen, mir ein Solo-Album von Jon Anderson zu kaufen, wäre das hier wahrscheinlich meine erste Wahl ;-).

Vielen Dank für die tolle und ausführliche Rezi, JJG! Klasse [smilie=thumbsup.gif]!
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SOON
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Re: Jon Anderson - Song of Seven (1980)

Beitrag von SOON »

ich mag die Platte von der ersten bis zur letzten Minute.
Natürlich ist hier kein Heavy Metal Thunder zu erwarten.
Gerade die stilistische Vielfalt macht J. Anderson-Alben aus, er ist überall zuhause.
Der Titelsong ist natürlich das Highlight.
BITTE MEHR DAVON JON!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Danke für die umfassende Präsentation dieses Werkes.
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Member X
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Re: Jon Anderson - Song of Seven (1980)

Beitrag von Member X »

Ist ja teilweise richtig fetzig, unser guter alter Jon :mrgreen:

Fragile
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Re: Jon Anderson - Song of Seven (1980)

Beitrag von Fragile »

Ich hatte mir das Album neulich noch mal zu Gemüte geführt, es war bei der Rückfahrt vom Forumstreffen auf der langen Fahrt von Frankfurt nach Hamburg. Ich denke, "Song Of Seven" ist für mich zusammen mit "Animation" das beste, was Jon als Solokünstler zustande gebracht hat, wahrscheinlich braucht er einfach die richtigen musikalischen Mitstreiter und hier hatte er sie eindeutig.
Für "Olias" muss ich dagegen in der richtigen Stimmung sein, da ist es bei mir ganu so wie mit "Tales".
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SOON
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Re: Jon Anderson - Song of Seven (1980)

Beitrag von SOON »

Fragile hat geschrieben:Ich denke, "Song Of Seven" ist für mich zusammen mit "Animation" das beste, was Jon als Solokünstler zustande gebracht hat
inzwischen gefällt mir Survival and... genauso gut, Olias ist außer Konkurrenz!

Fragile hat geschrieben:.... wahrscheinlich braucht er einfach die richtigen musikalischen Mitstreiter und hier hatte er sie eindeutig.
dem kann ich nur beipflichten, man merkt einigen seiner Scheiben doch ein mangelndes musikalisches Involvement an, z.B. bei The More You Know oder The Promise Ring.

Andere Alben wie zum Beispiel Deseo wurden meines Erachtens aus der falschen Perspektive beurteilt.
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MelloKey
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Re: Jon Anderson - Song of Seven (1980)

Beitrag von MelloKey »

Fragile hat geschrieben:Ich denke, "Song Of Seven" ist für mich zusammen mit "Animation" das beste, was Jon als Solokünstler zustande gebracht hat, wahrscheinlich braucht er einfach die richtigen musikalischen Mitstreiter und hier hatte er sie eindeutig.
Wäre das das Album, mit dem man einsteigen sollte, wenn man sich auch mal mit Jons Solowerken beschäftigen möchte? Ich kenne solo von ihm bisher nur das ganz aktuelle "Survival..."-Album.
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