Darf man träumen? Im Jazz gibt es ja alle möglichen Konstellationen. In kaum einem anderen Genre sind Musiker über die
verschiedenen Facetten so kompatibel. In meinen Träumen habe ich mir gewünscht, dass es mal eine Scheibe mit Jon Anderson
und Pat Metheny geben wird. Also Prog meets Jazz in der sanften Ausgabe.
Umso erstaunter war ich, als bekannt wurde, dass die „Stimme von Yes“ auf dem neuen Album von Dennis Haklar zu hören sein
wird. Ein Blick auf das Lineup von „Lizards Tale“ verrät sofort eine großartige Besetzung. Aber fangen wir mal ganz vorne an:
Ende der 70er gab es eine Renaissance der akustischen Gitarre im Jazz und gipfelte in dem grandiosen Album „Friday Night in
San Francisco“. Nicht so bekannt ist, ursprünglich spielte Larry Coryell im Trio und wurde angeblich aufgrund einer Formschwäche
durch den Gitarren-Flitzefinger der Return To Forever-Band (Al Di Meola) ersetzt. Coryell ist durch seine außergewöhnlichen
Fähigkeiten an der für den traditionellen Jazz typischen halbakustischen Gitarre bekannt und hat diese Spielart entscheidend
geprägt. Auf diesem Album ist er auf neun von elf Stücken zu hören.
Weiterhin wird das Bandgefüge durch den Bassisten Mark Egan erweitert. Mark dürfte den Fans wohl an ehesten als Bandmitglied
der Pat Metheny Group und seiner eigenen Combo „Elements“ und seinen zahlreichen Gastrollen bei diversen Musiker bekannt sein.
Mit Schlagzeuger Thierry Arpino bilden sie somit eine herausragende Rhythmus-Fraktion. Dennis Haklar bietet mit seinen Melodien
und Läufen auf den hier verwendeten diversen Gitarren eine harmonische Einheit und einen klanglichen Kontrast zum Meister
Coryell.
Oben drauf wird bei vier Stücken noch Jon Andersons Stimme gesetzt. Jon erstaunt mich immer wieder, denn er erinnert hier stark
an die ganz frühen Songs der beiden ersten Alben mit Yes und an sein erstes Solo-Album „Olias of Sunhillow“. Er kommt sehr
relaxed rüber, man kann seine Stimme genießen.
Jon Anderson/Stephanie und Dennis Haklar
Die Songs bestechen durch Tiefe, Vielfältigkeit und vermitteln mir ein wohliges Gefühl. Jazz, Folk, Fusion und World-Music treffen
aufeinander. Auch wenn sich eher unbekannte Musiker gern mit bekannten Größen schmücken, um die Alben einem größeren
Publikum anzubieten, so geht diese ungewöhnliche Musiker-Fusion hier voll auf. Es entsteht ein dichtes Album, welches aber nie
überladen wirkt.
Tracks:
1. Lizard's Tale
2. Low-Lee-Tah
3. Leap Of Faith
4. Prelude To Dawn
5. Dawn Of An Era
6. A Message
7. Swift Messenger
8. Angels in Bahia
9. Crossing Over
10. Jaywalkin'
11. Naima
Als weitere Stimmen sind Stefanie Haklar und K.S. Resmi zu hören sowie N. Scott Robison an verschiedenen Perkussionsinstrumenten.
Die Vielfältigkeit zeigt sich auch durch die Wanderung durch die verschiedenen Stile. Songs wie „Lizard’s Tale“, „Naima“ und Dawn of
an Era“ sind eher dem traditionellen Jazz zugewandt, „Low-Lee-Tah“, und „Crossing Over“ neigen zum Jazz-Rock bzw. Fusion.
„Leap of Faith“, Prelude to Dawn“, „Swift Messenger“ und „Angels in Bahia“ kann man zum Folk/World-Jazz zählen und „A Message“
und “Jaywalkin’” sind ausdrucksvolle Stücke für Jazz-Guitar-Music. Wer auch mal über den Tellerrand von Prog/Rock/Pop hinausschaut
und ein Album mit viel Gitarre sucht, der wird hier fündig und wird dieses Kleinod nicht in der Sammlung missen wollen. Hier werden
keine Trends bedient, sondern zeitlose Musik geboten, die fernab von Klischees ist. Mr. Haklar hat ein großartiges Album mit
großartigen Musikern geschaffen – Hut ab!
Homepage/weitere Infos/Bilder:
http://dennishaklar.com/the_making_of_lizards_tale/
9/10 Punkte
