Re: HEAVEN & EARTH - das neue Yes-Album (VÖ: 18.07.2014)

veröffentlicht: 18.07.2014

Jon Davison ; Geoff Downes ; Steve Howe ; Chris Squire ; Alan White
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MelloKey
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Re: HEAVEN & EARTH - das neue Yes-Album (VÖ: 18.07.2014)

Beitrag von MelloKey »

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Nun liegt es also vor, das neue Album von Yes, und nach zwei Durchläufen kann ich meine Meinung wie folgt zusammenfassen:

Es ist kein außergewöhnliches Werk, aber bei Weitem auch nicht so schlecht, wie es von etlichen Leuten gemacht wird. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht so ganz, warum das Album so viele negative, geradezu vernichtende, Kritiken einfährt, wobei interessanterweise die Reviews auf amazon.com doch etwas besser und ausgeglichener sind als die auf amazon.de. Auf amazon.com halten sich 5 Sterne und 1 Stern zur Zeit die Waage.

Was haben wir denn erwartet? Den weiteren musikalischen Meilenstein einer Band, die inzwischen seit 45 Jahren dabei ist und inzwischen fast nur aus alten Herren besteht? Warum sollten die sich noch mal neu erfinden? Haben sie doch schon bei ihren letzten Alben nicht, und die waren auch nicht schlecht.

Hatten wir eventuell die Hoffnung, ein „back to the roots“-Werk zu bekommen, weil ein neuer Sänger dabei ist und damit neue Impulse und / oder Ideen einfließen? Nein. Fakt ist, die Glanzzeiten von Yes sind vorbei, und das, was die Band in den Siebzigern zu Erfolg und Ruhm verholfen hat, wird sich nicht mehr wiederholen, das ist ein für allemal vorbei. Yes waren in den Achtzigern und Neunzigern immer wieder für die eine oder andere Überraschung, das eine oder andere kleine Highlight gut, keine Frage, aber was erwartet Fan denn von einem Album einer Gruppe überwiegend alter Herren im Jahr 2014? Musikalisch wurde offenbar schon alles gesagt.

Meine Erwartungen waren nicht hoch gesteckt, von daher wurden sie auch nicht enttäuscht. Ich fand bereits „Fly From Here“ ein schönes, solides Album mit guten musikalischen Ideen, abwechslungsreich, ansprechend, ohne wirklich der Überflieger zu sein.

Mit „Heaven and Earth“ ist es jetzt genauso. Es ist ein easy listening-Album mit dem einen oder anderen anspruchsvolleren, vertrackteren Moment; bestückt mit unaufgeregten Songs, die gefällig sind, nett anzuhören, ohne den Hörer zu sehr zu fordern.

Was ist daran aber so falsch, dass viele das Album regelrecht vernichten müssen?

Die Stärken des Albums sind meiner Meinung der erste und der letzte Song (das sehen offenbar viele genauso), nämlich „Believe again“, weil er von der Melodie und der Umsetzung her unter die Haut geht, berührend ist, „anders“ ist als die weiteren Songs des Albums (das trifft auch auf „Subway Walls“ zu).

Was ich dem Album ankreide, ist der Mangel an Abwechslung und dass fast alle Songs nach dem mehr oder weniger gleichen Schema und Tempo ablaufen. Ein richtig guter Pop- oder ein richtig mitreißender Rock-Song mittendrin wäre vonnöten gewesen, um das Album positiv aufzulockern.

Songs wie „Step Beyond“ oder „It Was All We Knew“ finde ich ein bisschen zu belanglos, das können Yes deutlich besser. Andererseits gefallen mir manche Abschnitte / Passagen in einigen Songs sehr gut, die sich manchmal erst nach mehrmaligem Hören erschließen, so z. B. Steves Gitarrenspiel in „A World of Our Own“ und die stimmungsvolle Einleitung und die Atmosphäre von „Light of The Ages“.

„Subway Walls“ ist mein persönliches Highlight, der einzige Song, auf dem Yes zeigen, dass sie Prog doch noch können. Gut durchdacht, gut durchkomponiert und vertrackt und verfrickelt genug, um als kleines, feines, wenn auch kurzes Prog-Spätwerk durchzugehen. Ein winziges Aufflackern der alten Klasse. Warum nicht mehr davon? Interessanterweise wurde der einzige angeproggte Song des Albums nicht von den großen, alten Herren geschrieben, sondern von Davison und Downes. Soll uns das was sagen?

Jon Davison gefällt mir auf diesem Album sehr gut, sein Gesang ist makellos und fügt sich gut ein. Geoff Downes bleibt zu sehr im Hintergrund und fällt kaum wirklich auf (da fehlen mir doch die spielerischen Ideen von Rick). Steve brilliert wieder in einigen Passagen, und Chris´ Bassspiel ebenfalls hier und da, vor allem in „Subway Walls.“ Und Alan? Ist eben Alan.

Ich mag das Cover von Roger Dean, vor allem den in Blau gehaltenen Hintergrund und die roten Akzente. Das bringt Leben in die Zeichnung und lockert sie auf.

Fazit:

Für mich ist das Album kein totaler Fehlschlag. Es ist auch nicht schlecht, vor allem nicht so schlecht, wie es von vielen enttäuschten Fans gemacht wird. Richtig gut ist es aber auch nicht, dafür ist es zu unspektakulär, zu wenig experimentierfreudig und abwechslungsreich und insgesamt zu seicht und unaufgeregt.

Es sind jedoch Songs, die Spaß machen, anzuhören, und die einem auch nicht „wehtun“.

Ein gute Laune-Album ohne Tiefgang, aber dennoch mit Herz und Spielfreude, das – aus einer Sicht – einfach Spaß macht. Und mehr möchte es vielleicht auch gar nicht.

Ich werde es mit Sicherheit noch öfter hören.

Dank an jeden, der sich meinen langen Sermon durchgelesen hat - ich habe versucht, meine Gedanken halbwegs zu ordnen.

Gruß von Mello (... kennt Yes erst seit 2008 ... )
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Aprilfrost
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Re: HEAVEN & EARTH - das neue Yes-Album (VÖ: 18.07.2014)

Beitrag von Aprilfrost »

Mellokey, Du hast sehr schön in Worte gefasst, wie ich zu dem Album stehe.
Es gibt also einen Weg zwischen Verriss und Lobhudelei, der dem Werk einer
Band, die Großes geleistet hat, gerecht wird. Danke dafür.
Vielleicht spricht es sich ja bis zu den Musikern herum, dass Track 1 und 8
das Wohlgefallen vieler Fans trifft. Und vielleicht sehen sie es als Auftrag für
das nächste Album, diesen Weg weiter zu gehen.
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nixe
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Re: HEAVEN & EARTH - das neue Yes-Album (VÖ: 18.07.2014)

Beitrag von nixe »

Es liegt bestimmt nicht daran, daß Jon Davison die Lyrics & die Melody geschrieben hat, es liegt eindeutig am Arrangement! Hier fehlt es eben an fast allen Ecken & Enden, denn auch kuze songs können ihren Reiz haben, egal ob rockig oder poppig! Wenn Alan wie Alan gewesen wäre, wie Mellokey schreibt, hätte mehr rüberkommen können. Dasselbe gilt dann auch für Chris! Da kann sich Steve noch so in*s Zeug legen, es fehlt einfach was, die Rafinesse, die YesSongs ausgemacht haben! Man muß nicht gleich ein zweites Close to the Edge erwarten, aber für ein Owner of the lonely Heart & alles was dazwischen liegt, reicht*s eben auch nicht. Zumindestens song zwei bis sieben plätschern größtenteils vor sich hin! Drum & Bass hätten einiges retten können!!! & über den Buggle lohnt sich kein Wort, vieleicht wäre es als gutes Asia-Album durchgegangen.
Tschüß
nixe

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Yesnik
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Re: HEAVEN & EARTH - das neue Yes-Album (VÖ: 18.07.2014)

Beitrag von Yesnik »

27. Jul 2014, 16:32 » MelloKey hat geschrieben:Ehrlich gesagt verstehe ich nicht so ganz, warum das Album so viele negative, geradezu vernichtende, Kritiken einfährt, wobei interessanterweise die Reviews auf amazon.com doch etwas besser und ausgeglichener sind als die auf amazon.de. Auf amazon.com halten sich 5 Sterne und 1 Stern zur Zeit die Waage.
Ist Euch der folgende Gedanke mal gekommen?

1980 hat die Presse ein Yes-Album verrissen, weil der Zeitgeist danach war. Sie nahmen den Titel als Steilvorlage, eröffneten die Argumentation "kein Anderson/kein Wakeman = nicht Yes", der leider bis heute hinterhergeplappert wird, und kritisierten vollkommen verständnislos ein ganz hervorragendes Album. Die ersten Fans, die die das schluckten, sprangen ab.

Danach machten Yes AOR - und verloren Album für Album weitere Fans. Die, die durch die Radiohits gewonnen wurden, waren zu Teilen (die Anteile zu schätzen wage ich nicht) das, was Fußballanhänger "Schönwetterfans" nennen: Leute, die alles gut finden, was alle gut finden. Sobald der Erfolg nachließ, hörten die was anderes, U2, DM, was weiß ich.

Das kam "Union" und mehr Leute sprangen ab. "Talk" sollte 5 Millionen verkaufen und blieb sechsstellig. "Keys" hat schon kaum jemand mehr mitbekommen. "OYE" vergraulte noch mehr Fans.

Und so weiter und so fort. Beim letzten Konzert, das ich sah, die Tour zu "Fly from here", waren nur noch ein paar hundert Hansele. In Stuttgart, nicht etwa in Fürth -

Und jetzt der entscheidende Gedanke: Von all den abgesprungenen Fans, all jenen, die Yes hörten, weil die eine Alternative zum Pop boten, all jenen, die seit 30 Jahren nur noch am Rande Wind davon bekommen, dass es neue Yes-Alben gibt, weil sie AOR nicht interessiert, all jenen, die schon seit den 80ern nicht mehr wissen, ob es die Band, die sie für "Close to the Edge", für "Tales" oder "Awaken" so heiß geliebt haben, überhaupt noch existiert, von all jenen gibt weder hier, noch auf Amazon noch einer eine Wertung für "Heaven & Earth" ab. Was denkt Ihr, wie die Bewertung der Scheibe ausfallen würde, wenn die sich alle äußerten...?

Vergesst die nicht, auch die sind Yesfans.

Namd,

Nik
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Roland
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Re: HEAVEN & EARTH - das neue Yes-Album (VÖ: 18.07.2014)

Beitrag von Roland »

27. Jul 2014, 16:32 » MelloKey hat geschrieben:
Dank an jeden, der sich meinen langen Sermon durchgelesen hat - ich habe versucht, meine Gedanken halbwegs zu ordnen.

Gruß von Mello (... kennt Yes erst seit 2008 ... )
Liebe Mello, es ist wie immer: Du schreibst selten, aber wenn Du es tust, ist es ein großen Vergnügen Deinen Worten zu folgen. :10hallo2:
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Aprilfrost
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Re: HEAVEN & EARTH - das neue Yes-Album (VÖ: 18.07.2014)

Beitrag von Aprilfrost »

Ach Nik, nu ja ... wer wüsste es nicht besser als Du und Deinesgleichen,
dass Fans nun nicht gerade die Garanten für Objektivität sind. Schon
seit ein paar Jahren hinterlässt bei mir die Frage, ob ich Fan von xyz bin,
ein Gefühl der Ratlosigkeit. Ich glaube, ich bin kein Fan mehr von irgend-
wem. Ich mag Stücke wie "Close to the Edge" (sehr) oder "Fly from here"
(gerne) und finde andere wiederum uninspiriert und vielleicht sogar belang-
los. Nur, und das finde ich entscheidend: wenn ich meine Meinung über
ein Album, einen Song von der Meinung anderer abhängig mache (u. U.
sogar von einem Kritiker), dann habe ich keinen eigenen Musikgeschmack
mehr. Insofern sind Kritiken für mich auch keine Entscheidungshilfen beim
Kauf einer CD. Sie machen mich neugierig. Und das finde ich klasse!

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Re: HEAVEN & EARTH - das neue Yes-Album (VÖ: 18.07.2014)

Beitrag von Yesnik »

27. Jul 2014, 21:39 » Aprilfrost hat geschrieben:Ach Nik, nu ja ... wer wüsste es nicht besser als Du und Deinesgleichen, dass Fans nun nicht gerade die Garanten für Objektivität sind.
'Türlich weiß ich das. Aber es gibt einen Unterschied zwischen Objektivität und Realität, und auf den wollte ich mal hinweisen. Letztere darf man auch als Fan ruhig mal sehen. Es ist doch nicht so, dass es hier die "guten" Yesfans gibt und dort die "bösen" Verrisse. Es sind viele viele Yesfans da draußen, die die jüngeren Alben schon lange nicht mehr hören - und mit äußerst unangenehmer Deutlichkeit sagen könnten, warum das so ist. Und darunter sind vermutlich sehr wenige, die sich die Mühe machen, sich zu "H&E" überhaupt noch zu äußern. Weil sie Yesfans sind. Auch wenn sie schweigen - die sollten wir nicht dadurch gering achten, dass wir sie vergessen!
27. Jul 2014, 21:39 » Aprilfrost hat geschrieben:Nur, und das finde ich entscheidend: wenn ich meine Meinung über ein Album, einen Song von der Meinung anderer abhängig mache (u. U. sogar von einem Kritiker), dann habe ich keinen eigenen Musikgeschmack mehr. Insofern sind Kritiken für mich auch keine Entscheidungshilfen beim Kauf einer CD. Sie machen mich neugierig. Und das finde ich klasse!
Das ist doch der Punkt. Eine brauchbare Meinung (und nicht jeder Scheiß, den jemand äußert, ist eine Meinung), hat eine Basis, auf die sie sich stützt. Da gibt es Gründe, Wissen, Argumente, und je klarer ich mir über die bin, je stichhaltiger die sind, kurz: je mehr ich über die Sache weiß, zu der ich da eine Meinung habe, umso unabhängiger bin ich. Selbstverständlich ist dann eine Rezension bloß noch ein Stein des Anstoßes für die eigene Neugier. Finde ich prima, dagegen ist gar nichts zu sagen.
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Re: HEAVEN & EARTH - das neue Yes-Album (VÖ: 18.07.2014)

Beitrag von JJG »

"Heaven and Earth" ist in die UK-Album Charts eingestiegen auf #20.
"Fly From Here" hatte es auf #30 geschafft.

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Re: HEAVEN & EARTH - das neue Yes-Album (VÖ: 18.07.2014)

Beitrag von hans »

Leider ist die 20 in den Album Charts heute nimmer so vielsagend. Aber ok, besser als die Treppe runter fliegen. Und was Kritikenschreiber angeht... das ist Politik. Ich flansche mich an die Musikszene, indem ich über sie schreibe. Geht für mich völlig in Ordnung, solange das mit dem Respekt einigermaßen stimmt.

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Re: HEAVEN & EARTH - das neue Yes-Album (VÖ: 18.07.2014)

Beitrag von Fragile »

Das wäre in den Albumcharts in Yes' Heimat ja immerhin die höchste Platzierung seit 1994 ("Talk" erreichte seinerzeit ebenfalls die 20), auch wenn natürlich die Charts heutzutage anders ausgewertet werden als noch vor 20 Jahren. Trotzdem ganz nett zu erfahren. Morgen erfährt man ja vielleicht auch schon die Platzierung in Deutschland.
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Re: HEAVEN & EARTH - das neue Yes-Album (VÖ: 18.07.2014)

Beitrag von Caravan »

So,

habe nun auch endlich die neue LP erhalten und einmal durchgehört. Urteil kommt aber erst nach dem nächsten Hördurchgang......
Aber: irgendwie habe ich eine Jon Anderson Textpassage im Ohr, die mich irgendwie an "In a world of our own" erinnert, da war auch etwas mit "new revolution....". Auch musikalisch ist da aus meiner Erinnerung heraus Ähnlichkeit....
Kann jemand helfen?
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