17. Mai 2016 (Di), Hamburg, Mehr! Theater

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nixe
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Re: 17. Mai 2016 (Di), Hamburg, Mehr! Theater

Beitrag von nixe »

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Das hört sich doch schonmal super an :jc_doubleup:
Tschüß
nixe

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Fragile
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Re: 17. Mai 2016 (Di), Hamburg, Mehr! Theater

Beitrag von Fragile »

Das gestrige Konzert in HH war in jeder Hinsicht das "erste Mal". Nicht nur für mich persönlich, weil es mein allererstes Yes-Konzert überhaupt war, sondern auch für Yes war es das erste Mal seit langem ein Konzert in Hamburg (wo sie 2003 das letzte Mal zu sehen waren), das erste Yes-Konzert in Deutschland seit dem kurzfristig abgebrochenen Gig in Leipzig 2004 und nicht zuletzt auch das erste Yes-Konzert in Deutschland ohne ein einziges Gründungsmitglied. Nachdem man sich nun nach einigen Jahren an Geoff Downes und Jon Davison in der Band gewöhnt hatte, lastete der Druck an diesem Abend besonders auf Billy Sherwood, den man natürlich auch schon von "früher" kennt (früher heißt in dem Fall 1994 - 2000, beschränkt auf seine Einsätze als Livemusiker und vollwertiges Yes-Mitglied), allerdings auch nur als Zweitgitarrist. Nun muss er sich gänzlich auf den Bass konzentrieren und damit das nicht gerade unbedeutende Erbe eines Chris Squire antreten und fortführen. Nachdem aber nun seit dem 27. Juni 2015 eine Reunion des klassischen Yes-Line-Ups für immer ausgeschlossen ist, ist es für mich persönlich schon einiges wert, zumindest zwei langjährige und den Bandsound für Yes prägende Mitglieder (Steve Howe und Alan White) live gesehen zu haben. Dank eines freundlichen Spenders zu meinem Geburtstag bekam ich einen Platz in der ersten Reihe direkt vor Steve Howe geschenkt, ebenso übrigens Royale, der links neben mir saß (der freundliche Spender nahm indes mittig in der vierten Reihe Platz). Eigentlich war verabredet, dass wir uns alle ca. eine Stunde vor dem Konzert vor der Halle treffen würden, dann kam jedoch noch ein unvorhergesehenes Ereignis dazwischen (die Beteiligten mögen sich an dieser Stelle lieber selbst dazu äußern :D), so dass die anderen erst kurz vor Beginn des Konzertes eintreffen konnten.

Das Konzert begann relativ pünktlich gegen 20 Uhr. Zunächst zeigte die LED-Wall auf der Bühnenrückseite in Gedenken an Chris Squire eine Bilderstrecke des im vergangenen Jahr verstorbenen Yes-Bassisten aus allen Jahrzehnten seiner Mitgliedschaft (das Ganze unterlegt mit der Squire-Komposition "Onward" vom 1978er Yes-Album "Tormato"). Zur selben Zeit stand auf der Bühne im Vordergrund ein einsamer Rickenbacker 4001-Bass, der von einem der Scheinwerfer angestrahlt wurde. Am Schluss wurde der Schriftzug "Chris Squire (1948 - 2015)" eingeblendet und es gab ruhigen, andächtigen Applaus.
Dann der eigentliche Beginn des Konzertes: Zu den Klängen des Auszugs des "Young Person's Guide To The Orchestra" von Benjamin Britten, der sich seit Ende der 70er bei Yes-Konzerten immer mal wieder mit der "Firebird Suite" als Konzertintro abwechselt, kamen die Yes-Men nacheinander auf die Bühne, winkten kurz, und begaben sich an ihre Instrumente. Los ging es mit der Komplettperformance des 1980er "Drama"-Albums, eine gute Wahl für die Herren, um sich schon einmal warmzuspielen. Soundmäßig war es aber zunächst nicht so das gelbe vom Ei. Über die ganze erste Konzerthälfte waren Steve's Gitarren deutlich zu laut zu hören. Okay, nun saß ich auch ziemlich direkt vor ihm, aber Steve selbst schien es auch gemerkt zu haben und hat zeitweise immer wieder versucht, das Ganze durch "geheime" Handzeichen an die Tontechniker zu regeln. Insgesamt könnte auch das Venue selbst an mancher soundtechnischen Katastrophe schul sein. Das im vergangenen Jahr eröffnete Hamburger "Mehr! Theater" ist im Grunde nichts anderes als eine große ehemalige Markt- und Handelshalle mit integrierten Sitzreihen. Zumindest habe ich das Gefühl, dass die ebenfalls oft für ihre Akustik kritisierten CCH und Alsterdorfer Sporthalle in der Hinsicht nicht unbedingt schlechter abschneiden. Ich bin gespannt, wie das im Oktober bei King Crimson sein wird (spielen ebenfalls im Mehr! Theater).
Was auch eher wenig zu hören war, war der Backgroundsatzgesang von Billy Sherwood und Alan White's Drum Kit (zumindest bei letzterem hörte man überwiegend nur Bassdrum, Snare und Becken, die Fills und Breaks gingen völlig unter). Die hätte ich teilweise lieber gehört als Teile von Geoff Downes' Einsätzen. Dass er kein Rick Wakeman oder Patrick Moraz ist, ist klar, aber selbst bei den von ihm persönlich mitgeschriebenen Songs der "Drama" gab es da öfters Huddel von ihm (da stehen die Aufnahmen auf "In The Present - Live from Lyon" von 2009 mit Oliver Wakeman keineswegs schlechter da). Den anderen Songs (insbesondere von "Fragile" in der zweiten Hälfte) schaffte er es auch nicht, seinen eigenen Stempel aufzudrücken, wie es etwa Patrick Moraz oder Igor Khoroshew getan hatten. So versuchte er immer, wie Wakey zu spielen, aber es war wahrscheinlich nichtmal wie Oliver oder Adam. Somit war er auch am besten, wenn er nur Hammond-Sound-Akkorde wie weiland Tony Kaye spielte (wie bei "Time And A Word" oder "Starship Trooper").
Zurück zu den "Drama"-Songs: "Machine Messiah" heizte schon mal kräftig ein und es klang auch gewaltig, ein guter Start fürs Konzert (trotz kleiner taktischer Ungenauigkeiten kurz vor dem ersten Gesangsteil). "Man In A White Car" spielte man wieder als kurze Verschnaufspause bis zum nächsten treibenderen Stück (und nicht wie auf der 1980er Tour als ausgedehnteres Geoff Downes Solo, obwohl er das vielleicht eher hätte spielen können als später "Cans And Brahms"). Als nächstes stand "Does It Really Happen" auf dem Plan, das wie auch die folgenden drei Stück dem Original sehr nahe kam. Eine echte Überraschung war tatsächlich "Run Through The Light", welches ich an sich immer eher etwas unspektakulärer fand, aber hier war es definitiv ein Highlight. Auch an den übrigen "Drama"-Songs "Into The Lens" und "Tempus Fugit" war nichts auszusetzen auch wenn sie natürlich etwas langsamer gespielt wurden als vorher und trotz der angeprochenen Schwächen von Downes.
Nun folgte "Time And A Word", auch hier hielt man sich sehr am Original, und das, obwohl von dem Line-Up, das diesen Song damals schrieb und einspielte, keiner mehr in der Band spielt. Neben Howe glänzte hier besonders Sänger Jon Davison, er schien teilweise, als sei dieser Song extra für ihn geschrieben worden. Auch hier wurde auf dem LED-Screen kurz dem 2013 verstorbenen Yes-Ur-Gitarristen Peter Banks gedacht.
Mit "Siberian Khatru" endete die erste Konzerthälfte noch einmal richtig rockig, hier musste aber neben Downes vor allem Steve Howe Abstriche machen, anscheinend wird der Song mit zunehmendem Alter immer schwerer spielbar für ihn (zumindest seit ca. 2003). Bei seinem Solo konnte er trotzdem glänzen, lediglich den Live-Schlusspart musste man sich "dazu denken", da schien er auch alles andere, aber eben nicht jenen Live-Schlusspart gespielt zu haben. Auch sah man bei Jon Davison, wie er immer wieder sehr rhythmisch auf sein elektronisches Hand-Drum-Set schlug, zu hören war davon jedoch nichts.

Nach einer Pause von 20 Minuten mit netten Gesprächen, Brezeln und Gerstensaft ging es weiter mit dem Titelsong vom "Going For The One"-Album, auch hier vermögen es die Herren einen immer noch einzuheizen. Auch auf Jon Davisons Einsatz bei den sehr hohen Gesangsstellen war Verlass, wie er überhaupt auch bei allen Songs des Abends einen ausgezeichneten Job gemacht hat, obwohl er natürlich kein Jon Anderson ist und auch nicht sein will.
"Owner of A Lonely Heart" musste natürlich sein, um auch der Ära mit Trevor Rabin Tribut zu zollen, schade ist nur, dass in den letzten ca. 15 Jahren immer nur die Nummer als Alibi-Song dafür herhalten muss. Wie gerne würde man doch mal wieder "Changes", "It Can Happen", "Hold On" oder "Hearts" hören. Vielleicht gibts das ja stattdessen bei den geplanten Anderson/Wakeman/Rabin-Konzerten zu hören. Gespannt sein kann man ja. Immerhin gab es bei der Performance des Songs nix auszusetzen. Auch Steve sah so aus, als hätte er an der Nummer endlich Spaß gefunden und orientierte sich bei seinem Solo sogar mehr als früher an Rabin. Auch beim Schlusspart durfte er nochmal ein zweites Solo nachlegen und ließ dabei sogar kurz "Yours Is No Disgrace" anklingen.
Darauf folgte nun die zweite Komplettperformance eines Yes-Albums: Es ging zurück ins Jahr 1971 und zu "Fragile". Dadurch war es auch mal sehr angenehm, "Roundabout" mal nicht im obligatorischen Zugabenteil, sondern quasi in der Mitte zu hören, was ja bei Yes nun nicht allzuoft vorkommt. An der Performance gab es nix auszusetzen (sogar Geoff Downes vermochte mal kurzzeitig zu überraschen), aber dürfte ja auch kein Wunder sein bei einem Song, der nun von Anbeginn bei jeder Tour in der Setlist gewesen ist.
Zwei der kurzen Solo-Stücke hätte man sich trotzdem eventuell sparen können, nämlich "Cans And Brahms" (eignet sich nicht wirklich live und auch Rick hat hier live immer eher auf die "Six Wives" gesetzt, zu Recht) und das Bruford-Stück "5 % For Nothing", dem Alan White nicht wirklich gewachsen war (die für das Stück charakteristischen Ghost Notes auf der Snare, die sowieso immer eher Brufords Metier waren, wurden völlig weggelassen, so dass es sich noch abgehackter anhörte, als es ohnehin schon ist). Bezogen auf die beiden sich noch in der Band befindlichen Yes-Veteranen macht sich das Alter bei Alan wohl am meisten bemerkbar. Vielleicht wäre hier stattdessen ein "And You And I" oder "All Good People" besser gewesen, die an diesem Abend überraschenderweise gar nicht gespielt worden sind (hatte immer gedacht, die wären Standard).
Von "South Side of The Sky" hat es sicherlich schon bessere Versionen gegeben, insbesondere 2003/04, wo Steve zusammen mit Rick immer so schön über den Schlusspart gejammt hatte. Hier war Downes so gut wie gar nicht zu hören, so dass es schien, als Steve immer nur für sich allein ein kurzes Solo einwarf. Auch Billy Sherwood kam nur schwer mit Bass und Backgroundgesang durch, ebenfalls eine charakterliche Spezialität des Songs. Immerhin waren Jon Davidson's E-Percussions nun endlich mal zu hören, ob man diese allerdings bei diesem Song wirklich gebraucht hat, sei mal dahingestellt, vielleicht hätte es auch ein Tambourin getan.
Nun war es Zeit für das Doppel "Long Distance/The Fish", wobei ersteres wieder sehr gut und dicht am Original war. Danach stand aber nun Billy Sherwood seine endgültige Bewährungsprobe als Squire-Nachfolger bevor. Und die meisterte er tatsächlich perfekt, wenngleich sein Bass natürlich den klirrend-scharfen Charakter von Chris' Rickenbacker vermissen ließ, ging er trotzdem wie bei seinem Vorgänger in Bein und Mark und auch die solistischen Fähigkeiten von Billy, den man, wie gesagt, ja nur als Gitarristen kannte, ließen nichts zu wünschen übrig. Ich denke, Chris hatte auf der Suche nach seinem Nachfolger einen guten Riecher.
Natürlich durfte auch Steve alleine an seiter akustischen Gitarre an diesem Abend nicht fehlen. Insgesamt würde ich sagen, dass er "Mood For A Day" immer noch so draufhat wie in den 70ern (zumindest besser als das schnellere "Clap"), auch wenn hier und da mal ein falscher Ton saß. Über die Gründe, ob die Saiten vielleicht falsch gestimmt/gespannt oder Steve mit der linken mal verrutschte, kann nur spekuliert werden.
Auch wenn Downes, so schien es mir, den Abschlusssong des regulären Songs "Heart Of The Sunrise" zumindest überhaupt nicht verstanden hat (mir kam es so vor, als spielte er die aufsteigenden Mellotronakkorde vor "...lost in their eyes as you hurry by..." völlig andere Akkorde in einer völlig anderen Tonart spielte), war es ebenfalls ein Highlight für mich (immerhin hatte mich dieser Song vor ca. 10 Jahren endgültig zu Yes genagelt und nun hatte ich es endlich auch mal live erleben dürfen). Neben Howe und Davison, die hier besonders glänzten, trumpfte hier auch Billy Sherwood (neben bass- nun endlich auch mal background vocals-technisch) auf und man sah ihm die Freude an diesem Song wirklich an. Auch das Publikum war nun spürbar aus dem Häuschen (bei die Nordlichters duurt dat nu mal 'n beten;)) und bejubelte die Band mit Standing Ovations.
Als Zugabe folgte noch "Starship Trooper", das sich alleine schon wegen Downes sehr am Original auf dem "Yes Album" hielt , auf übermäßiges Solieren a la Rick verzichtete er komplett und beschränkte sich wie weiland Tony Kaye auf Begleitakkorde im Hammodorgel-Sound. Dafür solierte dann Steve etwas länger auf der Gitarre und das machte er wieder mal ausgezeichnet.
Ein nicht ganz perfektes, aber dafür, dass es mein erstes Mal war, schönes und unterhaltsames Yes-Konzert ging somit zu Ende.
Auch die gemeinsamen Unterhaltungen mit Royale und Topo waren mal wieder eine sehr schöne Erfahrung. Man war sogar noch so freundlich, mich zum Bahnhof zu bringen, obwohl es eigentlich nur eine S-Bahnhaltestelle dahin ist. Dafür hat man von der S-Bahn bis zum Veranstaltungsort dafür doch umso länger zu gehen (und verkehrstechnisch ist es der Straßenübergang dorthin auch nicht gerade der sicherste).
Auf den dritten im Bunde, soundchasing, sind wir leider nicht getroffen, vielleicht klappt es ja bei einem Forumstreffen innerhalb der nächsten Jahre noch einmal.


-Setlist des Abends:
Visual tribute to Chris Squire (unterlegt mit der Studioversion von "Onward")
Intro (Britten's 'Young Person's Guide To The Orchestra')
Machine Messiah
Man In A White Car
Does It Really Happen
Into The Lens
Run Through The Light
Tempus Fugit
Time And A Word
Siberian Khatru

--PAUSE--

Going For The One
Owner Of A Lonely Heart
Roundabout
Cans And Brahms
We Have Heaven
South Side Of The Sky
Long Distance Runaround
The Fish (Schindleria Praematurus)
Mood For A Day
Heart Of The Sunrise

Starship Trooper
He's seen too much of life,
and there's no going back...
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MALPELO
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Re: 17. Mai 2016 (Di), Hamburg, Mehr! Theater

Beitrag von MALPELO »

Danke für die Reviews zum Hamburg -Konzert :good: .....na, da wird Vorfreude auf morgen Abend noch etwas größer

Member Z
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Re: 17. Mai 2016 (Di), Hamburg, Mehr! Theater

Beitrag von Member Z »

Na, nach dem man den ganzen Morgen von Dir nix "gehört" hatte, war zu vermuten, dass so ein toller Rundumschlagskonzertbericht quasi folgen MUSSTE :biggrinn: Große KLasse - danke!!
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JJG
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Re: 17. Mai 2016 (Di), Hamburg, Mehr! Theater

Beitrag von JJG »

Vielen dank für die Eindrücke, ich bin schon gespannt!
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Saaldorf

Soundchasing
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Re: 17. Mai 2016 (Di), Hamburg, Mehr! Theater

Beitrag von Soundchasing »

Hallo Fragile,

auch von mir vielen Dank für den sehr ausführlichen Bericht. Da konnte ich das noch einmal wieder miterleben.

Monika und ich saßen übrigens in Reihe B Platz 9 und 10. Nächstes Mal können wir uns ja besser abstimmen.

Gruß Soundchasing
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SOON
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Re: 17. Mai 2016 (Di), Hamburg, Mehr! Theater

Beitrag von SOON »

Danke für eure Eindrücke. :jc_doubleup:
Ich denke, Billy ist die Ideale Besetzung als YES-Bassist.
Er bringt wieder mehr Energie ins Spiel.
@ Fragile, mir gefallen besonders deine spieltechnischen Anmerkungen.
Das könnte ich nicht so heraushören. :laie_69:
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Royale
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Re: 17. Mai 2016 (Di), Hamburg, Mehr! Theater

Beitrag von Royale »

Für eine Cover-Band zu schlecht, als Original nicht authentisch
Und ein sehr bewegendes Konzerterlebnis.



Das Schreiben dieser Rezension stellt einen integralen Teil meines Verarbeitungsprozesses des gestrigen Abends dar. Mein erstes Yes-Konzert. Zumindestens steht es auf dem Ticket. Ich möchte im Folgenden probieren, mich von den Etiketten zu lösen und beschreiben, was ich gestern Abend gespürt habe: Da sind diese richtigen Yes-Momente, da ist dieses tolle Konzert und auch einfach einiges, was wirklich nicht gut ist.

Zunächst zum Ort des Geschehens (und den Weg dorthin); Eine umfunktionierte Großmarkthalle irgendwo im Hafengebiet. Nach einem verkehrstechnischen Zwischenfall habe ich gerade rechtzeitig noch die Halle erreicht - auf einem Schleichweg, der mich an den Ordnern vorbei auf den Parkplatz vor die Halle geführt hat. Nachdem sich deren Aufregung gelegt (und ich nachgezahlt hatte), durfte ich mich dann in die Einlassschlange einreihen. Kurze Zeit später stand ich dann in dieser dunklen, verheißungsvollen und leider auch halbleeren Halle. Ich war aufgeregt, ganz bald geht es los!
Und dann kamen sie tatsächlich! Yes! Aber nicht auf die Bühne sondern vom Band um Chris Squire mit der Studio-Version von Onward im Rahmen einer Videocollage zu gedenken. Das hat mir sehr gut gefallen, sollte aber leider auch für längere Zeit die einzige „Metakommunikation“ bleiben.

Zu den Tönen von „The Young Person’s Guide to the orchestra“ betraten die Musiker die Bühne. Ohne Ansprachen spielten sie sich durch das komplette Drama-Album. Ein Album, welches ich zwar so gut wie nie höre, aber was sehr gut auf die Bühne passt - allen voran das treibende Machine Messiah. Meiner Meinung nach, ist es eine ausgezeichnete Wahl, dieses Album (in der derzeitigen Besetzung) live zu spielen. Steve Howe, nur wenige Meter direkt vor mir, zeigte sich, ungewohnterweise, von einer sehr rockigen Seite. Auch der Rest der Band spielt das Album ohne größere Ausfälle und begeistert mich sehr! Das ist zwar alles nicht sehr „yessig“, aber macht doch großen Spaß und Lust auf mehr!

Was mir an dieser Stelle aber leider negativ auffiel, waren die einfalls- sowie belanglosen Untermalungen, die zu den Songs auf der Pixelleinwand gezeigt wurden. Auch ohne den Vergleich zu früheren opulenten Stageshows ziehen zu müssen, ist dies einfach nicht zeitgemäß und Yes auch nicht würdig. Gerade, wenn man sich entscheidet, ein komplettes Album am Stück zu spielen, hätte man dies audiovisuell besser umsetzen können.

Nach „Drama“ haben sich Davison und Howe an das Publikum gewandt und neben den üblichen Begrüßungstexten Time and a Word angekündigt. Ein reines Cover-Stück, denn keiner der auf der Bühne anwesenden Musiker hat an der ursprünglichen Aufnahme mitgewirkt. Die Performance war wirklich gelungen und Davison hat sehr gut gesungen. Die abschließende Einblendung der Lebensdaten des kürzlich verstorbenen Peter Banks empfand ich als etwas aufgesetzt.

Nun folgte nach dem im besten Sinne brachialen Anfang mein zweites Highlight: Siberian Khatru. Diesen Song live zu hören, hat mich sehr berührt. Es ist das erste Stück, was ich je von Yes gehört habe und wahrscheinlich auch das von mir am häufigsten gehörteste. Ich mag es seitdem sehr, da es die mystische Lyrik und fast jazzige Instrumentierung von Yes wie kaum ein zweites darstellt. Diversen Live-Versionen konnte ich immer etwas Neues abgewinnen, die nun dargebotene ist eine der schlechteren, aber das macht nichts.

Nach einer zwanzigminütigen Pause (die Zeit wurde teilweise auf der Videoleinwand heruntergezählt) und einer kurzen Zwischenbilanz ging mein Wunschkonzert weiter: Going for the One! Der Opener meines Lieblingsalbums und dann auch noch in so einer tollen Version. Howe und Davison glänzen beide. Überhaupt: Nach der Pause wirkt Howe wie ausgetauscht. Im ersten Teil gab es wohl Probleme mit seinen Gitarrensaiten und es wurde trotz vorheriger Bitte in den ersten Reihen mit Blitzlicht fotografiert und gefilmt. Dazu noch die halbleere Halle, das war kein guter Start für Howe. Doch nach der Pause: Zugewandt, spielfreudig und auch mit immer mehr grandiosen Momenten!
Das nächste Lied, Owner of a lonely heart, bot naturgemäß nicht viel Potential, den positiven Eindruck zu bestätigen, aber auch hier habe ich schon deutlich lustlosere und weniger inspirierte Darbietungen von ihm gesehen. Als neuer „Chef“ der Band übernahm Howe die Ansage für die nun folgende komplette Darbietung des Fragile-Albums.

Bevor ich auf einzelne Songs eingehe, muss ich vorwegschicken, dass ich die Idee, das komplette Fragile-Album live zu spielen, für einen schlechten Marketing-Gag halte. Songs wie „We have Heaven“, „Five per cent for nothing“ und auch „Cans and Brahms“ sind meiner Meinung nach einfach keine Live-Songs, und wenn sie dann auch noch von Downes und White so „reduziert“ gespielt werden (müssen?), verkommt das Ganze zur Selbstparodie. Warum hat man sich nicht für eine dynamische Setlist entschieden, die dramaturgisch Sinn macht und unter Einbezug des jüngeren Machwerks den Anschein erweckt, die Band glaube an ihre eigene Zukunft?

Aber nun zurück zum Hauptteil: Es ist in der Tat erfrischend, Roundabout nicht im Zugabenblock, sondern als „gleichberechtigtes“ Stück in der Mitte des Konzertes zu hören. Die Darbietung war zudem tadellos. Wenn ich oben genannte Kuriositäten vernachlässige, steht als nächstes South Side of the Sky auf dem Spielplan. Der Song ist wirklich ein (Live-)Kracher und auch diesmal von allen Beteiligten sehr engagiert vorgetragen, aber sie bringen es leider nicht rüber: Die Chorgesänge zwischen Davison und Sherwood sind schlecht und über die Downes-Variante des einst furiosen Gittaren-Keyboard-Battle zwischen Howe und Wakeman am Ende des Songs hülle ich am besten den Mantel des Schweigens. Wie bereits angekündigt stolpert und schleppt sich White durch Five Per Cent for nothing, ehe Davison dann furchtbar affektiert und gefühllos Long Distance Runaround intoniert. Dieser feine Song ist ein Yes-Kleinod und in dieser Version wirklich bemitleidenswert. Das war es aber nun mit (größerer) Kritik – versprochen!

Mit "The Fish" hat Billy Sherwood nun alle Chancen und allen Druck, in die unmögliche Rolle des Squire-Nachfolgers zu schlüpfen – und er macht es so toll! Man muss es selbst erleben, wie er Chris Squire und die Legende von Yes lebt und liebt. Ich hoffe, zukünftig unterlässt es Davison mit seinem viel zu frühen Einsatz Sherwoods Solo abzuwürgen und dem Moment seine Magie zu nehmen.

Band-Leader Howe gab sich nun mit Mood for a day die Ehre. Eine (fast) fehlerfreie Darbietung, die diesen unzählige Male gespielten Yes-Klassiker quicklebendig und frisch erstrahlen ließ. Etwas irritierend war hier eine Verzögerung zwischen den Lautsprechern an der Bühne und denen im hinteren Teil der Halle. Ich habe Howe praktisch doppelt gehört. Insgesamt war der Sound aber in Ordnung. Als Hamburger mit CCH-Erfahrung habe ich aber schon deutlich schlechtere Abmischungen gehört. Bei Yes war Howe zu laut im Mix, zu Gunsten von White und Downes deren Spielfehler so weniger deutlich zu hören waren. Die Lautstärke empfand ich insgesamt als angenehm.

Aber von diesen Nebensächlichkeiten zurück zur Musik: Der Abschluss des Fragile-Albums und auch der regulären Konzertdauer bildete mein drittes Highlight: Heart of the Sunrise. Von Geoff Downes fast vollständig zerschossen und von allen anderen so verdammt gut dargeboten wie es Yes, wer auch immer das sein soll, wohl nie besser gespielt haben oder werden. Davison hält, trifft und lebt jeden Ton. White macht seine Sache fast gut - während sich Steve „on fire“ Howe und Sherwood gegenseitig übertrumpfen! Das ist ganz groß!

Ich hätte an dieser Stelle eine halbe Stunde in Stille das gerade Erlebte genießen können, aber dazu kam es nicht: Nach Standing Ovations folgte der zweite Teil der Howe-Sherwood-Festspiele namens Starship Trooper.

Howe haut mich nun restlos um. Ich bin glücklich. Mein erstes Yes-Konzert war toll.

Ich möchte mich bei Fragile für seine Gesellschaft beim Konzert bedanken und natürlich bei Topo für sein großes Geschenk und die wunderbare Zeit.
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MALPELO
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Re: 17. Mai 2016 (Di), Hamburg, Mehr! Theater

Beitrag von MALPELO »

Hier noch ein Artikel zum Konzert in Hamburg.....

http://www.abendblatt.de/kultur-live/ar ... y-can.html
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SOON
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Re: 17. Mai 2016 (Di), Hamburg, Mehr! Theater

Beitrag von SOON »

Danke auch für deinen grandiosen Bericht, Royale!
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Topographic
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Re: 17. Mai 2016 (Di), Hamburg, Mehr! Theater

Beitrag von Topographic »

Das sind schon alles tolle und treffende Berichte, auch der Artikel aus dem Feuilleton. Die persönlichen Sichtweisen sind eben sehr unterschiedlich. Für mich war in Hamburg in den ersten Minuten prägend: Eine völlig übertriebene und unkoordinierte Einlasskontrolle. Das nimmt mir oft schon einen Teil der Vorfreude. Gravierender aber: das Hamburger Publikum. So kalt und reseviert wie der Veranstaltungsort. Ich hab noch nie erlebt, dass alle auf den Plätzen sitzen blieben, als die Musiker die Bühne betraten. Sollte da ein Funke von der Bühne gesprungen sein...er wurde schon in den ersten Reihen erstickt. Und ganz übel: der Sound. Die Drums klangen nach Blech, Billys Vocals verhallten ungehört, die Keyboards waberten in sumpfigen Gefilden und die Gitarrensounds schienen uneinstellbar. Das besserte sich nach der Pause ein wenig, aber hey. Für 100 Euro darfst du einen Soundcheck verlangen, der seinen Namen verdient. Ansonsten war das ein Evening of YESmusic. Die Männer sind in die Jahre gekommen. Da fehlen Brillianz und Gänsehautmomente. Steve Howe hat gegenüber der letzten Tour etwas reduzierter gespielt, aber wenn ich mal 69 bin schätze ich mich glücklich, wenn,ich noch solche Leistungen vollbringen kann. Davison und Sherwood sind als Ersatz großartig. Aber eben Ersatz. Alan White...er gibt alles. Aber so,richtig viel ist das nicht mehr und ich wünschte,mir einen zweiten Drummer, der den Sound fülliger und komplexer gestaltet. Und Geoff Downes:..ich bin sicher, er könnte alles spielen. Aber die vielen Feinheiten, die YESmusik einfach ausmachen...er spürt sie nicht oder hat keine große Lust drauf.
Gleich geht's weiter in der alten Oper...und ich freue mich darauf. Sorry für Tippfehler..auf dem Handy, das ist,für grobmotorisch veranlagte nicht so einfach ..
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