2002
Nastroje
Allgemeine Angaben:
Erscheinungsjahr: 2002
Besonderheiten/Stil: ArtPop; Independent / Alternative; Jazzrock / Fusion
Label: Jazz'n'Java Records
Durchschnittswertung: 10.5/15 (2 Rezensionen)
Besetzung:
Józef Skrzek Keyboards, Gesang, Bass, Mounti
Apostolis Anthimos Gitarre, Bass, Keyboards, Percussion
Paul Wertico Schlagzeug, Gesang
Tracklist:
1. Muzyka W Nas, Jest Nad nami 1:54
2. Za Nami Wieki Wojowników (gewidmet der Silesian Blues Band) 4:05
3. W Ogrodzie Snu 6:35
4. Piesn Stojacego W Bramie 4:41
5. Knowing Where You Belong 5:08
6. Pisze To Zycie Scenariusze 4:29
7. ...Or Whatever (Drum Solo) 5:13
8. Calkiem Spokojne Zmeczenie 2:37
9. W Oceanie Sie Zanurza Liverpool 5:39
10. Star Of Hope (gewidmet Ryska Riedla) 6:37
11. Don't Look Back 9:20
Gesamtlaufzeit 56:18
http://babyblaue-seiten.de/index.php?al ... ws&alpha=s
von: Thoralf Koss (Rezension 1 von 2)
Plötzlich und völlig unerwartet kehrt eine (oder DIE) polnische Legende der symphonischen Rockmusik wieder zurück. Nach 22 Jahren tauchen Jozef Skrzek und Apostolis Anthimos aus der musikalischen Versenkung auf, um nach der einen oder anderen Live-Aktivität ein neues Studio-Album zu präsentieren. Aber nicht nur die Tatsache der späten Wiedergeburt verblüfft, sondern auch, dass sich ein ehemaliger Klassenfeind aus Amerika, schwer bewaffnet mit zwei Drum-Sticks, hinterm Schlagzeug niederlässt. Paul Wertico heißt er und kommt eigentlich aus dem Jazz-Bereich, wobei besonders sein Mitwirken auf einer Vielzahl von Pat Metheny Alben für seine besondere Qualität als Schlagzeuger spricht.
Und so verblüfft es wohl kaum, dass aus dieser Polnisch-Amerikanischen-Freundschaft auch eine auffällige musikalische Trendwende hervorgeht. Schon die Tatsache, dass der längste Titel dieses Albums es gerade mal auf eine Spielzeit von 9 Minuten bringt, tatsächlich anfänglich auch an Pat Metheny erinnert und auch noch (Wie unverschämt!) "Don't Look Back" heißt, lässt nicht unbedingt nur Gutes erahnen. Wer also glaubt, dass SBB sich seiner guten alten Tage besinnt und ähnlich wie auf "Nowy Horyzont", "Pamiec" oder "Ze Slowem Biegnie Do Ciebie" klingt, der hat sich gehörig geschnitten.
Bereits der Einstieg in das Album, mit Wellenrauschen und gezupfter Al-Di-Meola-Gitarre erinnert höchstens an das letzte (recht eingängige) SBB-Studio-Album "Memento Z Banalnym Tryptykiem". Doch beim nächsten Titel keimt Hoffnung auf, das klingt doch ein wenig mehr nach SBB von damals: es gibt polnischen Gesang, dieses typische Skrzek-Keyboard erklingt, auch die Anthimos-Gitarre erinnert an vergangene Zeiten - aber dieser eingängige Rhythmus, das sangesfreudige "Yeahheahhhe", das sich auf Radiotauglichkeit festlegen lässt, die recht belanglose Schlagzeugbegleitung und besonders das völlige Fehlen progressiver Momente, stört. Melodiöser Schönklang statt progressiver Komplexität. Und leider, leider, leider ist der Großteil von "Nastroje" nach diesem Grundsatz ausgerichtet. Doch wären SBB niemals SBB, wenn sie nicht wenigstens manchmal gegen diesen Mainstream-Trend verstoßen würden.
Mit "Or Whatever" darf der gute Paul fünf Minuten lang beweisen, was er als trommelnder Wirbelwind so drauf hat. Ein Drum-Solo auf 'ner Studio-Scheibe ist heutzutage wahrlich schon eine echte Seltenheit. Und außerdem ist das, was hier geboten wird, wirklich grandios!
Ganz im Gegensatz zu diesen schlagenden Argumenten stehen die zwei unmittelbar aufeinander folgenden Balladen (Titel 4 und 5), die eine in polnischer Sprache von Skrzek und die andere auf Englisch von Wertico gesungen, welche auf jeden Fall den romantischen Aspekt in altersweiser Manier diesem Album wie einen Stempel aufdrücken. Und besonders die Wertico-Ballade würde auf jedem Kuschel-Rock-Sampler einen würdigen Platz finden!
Am Aufregendsten aus progressiver Sicht ist eindeutig die Komposition von Apostolis Anthimos "Pisze To Zycie Scenariusze", die sich zwischen den Stuhl Jazz und den Stuhl Rock setzt, ohne dabei durchzurutschen.
Insgesamt erscheint dieses Comeback etwas fragwürdig. Es ist nicht schlecht, aber einer so legendären Band wie SBB wird es einfach nicht gerecht.
Übrigens kann man auf der SBB-Homepage erfahren, dass Paul Wertico ab sofort nicht mehr zur Band gehört und durch den Ungarn Gabor Nemeth, der in den Bands Scorpio und P. Mobil aktiv war, ersetzt wurde. Eine neue Studio-CD sei für 2007 auch in Planung - nur so richtig große Hoffnung verbinde ich damit nicht.
Anspieltipp(s): W Oceanie Sie Zanurza Liverpool
von: Holger Grützner (Rezension 2 von 2)
Nastroje
Der Wiederaufbau. Neubeginn. Abgesehen von der Golden Harp Session in Prag 2000 nun also das erste full length album eines Altherren–Duos, das einmal ein Trio war. Piotrowski ist ausgerechnet beim ersten USA-Trip nach dem Ende des kalten Krieges abhanden gekommen. Hat man ihm nicht gesagt, dass der eiserne Vorhang nicht mehr existiert? Egal, die restlichen beiden, als bibelfeste Polen, sagten sich: "Auge um Auge, Zahn um Zahn!“ und meinten damit mitnichten ihren Alterungsprozess:
Wenn wir unseren Drummer an Amerika verlieren, soll Amerika wenigstens für Ersatz sorgen! Prompt war Metheny seinen Drummer los und Wertico fand sich in Südpolen wieder. Mich würde ja mal interessieren, ob der wirklich nach Osteuropa gezogen ist, oder nur für die jeweiligen Gigs eingeflogen wurde. Kopfschüttel. Obwohl: Die Gegend um Kattowitz ist durchaus präriekompatibel. Zurück zum Album:
Was erwartet man von einer alternden Band, die sich nach 23 Jahren wieder vor ein Mischpult wagt?
Ich erwarte keine revolutionären Großtaten mehr. Das soll man jüngeren überlassen. Ich erwarte gekonnte Denkmalpflege. Und genau die bekommt man hier!
Die Herren ließen früher immer schon erahnen, welche Platten in ihren privaten Schränken stehen: Mahavishnu, Kraan, return to forever, Stevie Wonder, … Sie borgten sich von dort Inspiration und brannten manch beachtliches Ideenfeuerwerk ab. Auf SBB V kamen sie hörbar bei Al diMeola (Solo) an und genau da greifen sie nun den Faden wieder auf. Very contemporary leise schleicht man sich an, um sich von Track zu Track pathetisch zu steigern und letztlich wieder sanft zu enden. Sakrale Stimmung, hervorragende Effekte. Dass die Momente beeindruckender Raserei fehlen, mag manch einer vermissen wie Thoralf. Dafür hat man seither Balladen schmieden gelernt. „Singer, oh singer“ und „Golden harp“ waren Versuchsraketen für die Atmosphäre, die sich im Mittelteil dieses Albums entfaltet. Quasi aus dem linken Ärmel fließen hier die Melodiebögen nur so hervor. Metheny Einflüsse werden aufgeraut, indem sie auf eine Creambasis gestellt werden. Man stelle sich vor, die hätten „This is not America“ in „White room“ Manier gecovert! Somit wird Eintönigkeit genauso vermieden wie Langeweile. Das ist nicht schnulzig, das ist sophisticated! Aristokraten-Pop eben! Soundtrack für den gemütlichen Feierabend mit oder ohne Kamin. Die Trottelbox bleibt heute aus. Wer jetzt anruft, wird erschossen. Es ist die Stunde, die MIR gehört: Einen alten Wälzer auf den Knien. Im Glas flenst ein Pils aus dem Norden. Der Hund schnarcht leise. Und draußen übt die Klimakatastrophe Sintflut.
Kurz um Geborgenheit, weil da etwas die Gehörgänge streichelt: gut ausgereifte SBB.
Vergleichbar mit: anderen reifen Alterswerken von Camel bis Johnny Cash