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Dieses Teil wird wohl unerreichbar bleiben!!!:
1974 Complete Tapes (2007)
Allgemeine Angaben:
Erscheinungsjahr: 2007
Besonderheiten/Stil: live; Blues; HardRock; Jazzrock / Fusion; Klassischer Prog; Psychedelic
Label: Metal Mind Productions
Durchschnittswertung: 11/15 (1 Rezension)
Besetzung:
Józef Skrzek Bass, Piano, Synthesizer, Vocals, Harmonica
Apostolis Anthimos Guitar
Jerzy Piotrowski Drums
Tracklist:
Disc 1
1. I need you, baby 3:53
2. Odlot (incl. Odleciec z wami) 24:11
3. Wizje (incl. Erotyk) 25:24
4. Wicher w polu dmie 16:28
Gesamtlaufzeit 69:56
Disc 2
1. Pamiec z nami (incl. Ku pamieci, Wyjatek z wolnoscie) 15:39
2. Zostalo we mine 12:11
3. Wolnosc do tylu (incl. Przed permiera, Freedom with us, who knows, 350 do tylu) 19:39
4. I need you, baby (Bonustrack) 5:06
5. Zostalo we mine (Bonustrack) 5:49
6. Figo-Fago (Bonustrack) 13:44
7. Rock for Mack (Bonustrack) 3:32
Gesamtlaufzeit 75:40
von: Achim Breiling
Mitte 1973 trennte sich die Begleitband Czeslaw Niemens von ihrem Mentor. So ganz harmonisch ist diese Trennung wohl nicht verlaufen, zumindest kann man aus den dazu bekannten Kommentaren der Protagonisten gewisse negative Untertöne herauslesen. Nichts desto trotz stürzte man sich ins Musikmachen, was offenbar zu Beginn recht schwierig war, da man sich erst wieder ein eigenes Equipment besorgen musste. Später fand man mit Franciszek Walicki einen neuen Förderer, der Auftrittsmöglichkeiten fand und der Band auch die neue Auslegung des Bandnamens Szukaj, Burz, Buduj (suchen, zerstören, aufbauen) verpasste.
SBB entwickelten schnell eine ganz eigene, teils recht aggressive, teils aber auch fast zärtlich-verträumte Mischung aus (Hard)Rock, Jazz, Blues und Psychedelischem, mit der sie bei ihren Konzerten Aufsehen erregten, aber auch Unverständnis ernteten (meist verließ die Hälfte der Konzertbesucher ob des Lärms entsetzt die Veranstaltung, während die andere begeistert applaudierte). Die staatlichen Autoritäten bemängelten, dass die Gruppe mit ihrer Musik in der Jugend "animalische Instinkte" wecken und "zu spontane Reaktionen" auslösen würde und belegten die Band teilweise mit Auftrittsverboten. Trotzdem entschied man sich beim staatlichen Plattenlabel Polskie Nagrania dafür, ein Livekonzert der Band aufzuzeichnen und Teile davon als deren Debütalbum zu veröffentlichen.
Toningenieur und Produzent Ryszard Poznakowski schreibt im Beiheft des hier zu rezensierenden Albums, dass das gar kein leichtes Unterfangen war, da man mit der großen Dynamik und der bisweilen ausgesprochenen Lautstärke eines Rockkonzertes keine Erfahrung hatte. Immerhin war "SBB" ("SBB 1") die erste Livescheibe einer Rockband, die in Polen aufgenommen wurde. Das Ergebnis war dann in klanglicher Hinsicht sicher nicht perfekt, hielt aber die rohe Kraft der Band ebenso überzeugend fest, wie ihre spontan improvisierende Kreativität und lyrische Emotionalität.
Natürlich hat man damals das gesamte Konzert (und auch eines vom Vortag) im Warschauer Klub Stodola mitgeschnitten, was uns nun endlich zum hier rezensierten Album bringt. "Complete Tapes 1974" beinhaltet nämlich das komplette Konzert vom 19. April 1974 und als Bonus noch vier am Vortag mitgeschnittene Nummern. Hier gibt es somit alle Stücke des SBB-Debüts zu hören (die ersten drei Tracks - in voller Länge, für die LP wurden diese gekürzt) und dann noch den Rest der Veranstaltung. An E-Gitarre, Bass, Piano, Davoli-Synthesizer und Schlagzeug rocken und improvisieren sich die drei Protagonisten virtuos und einfallsreich durch ihr Programm. Gut, sehr große Unterschiede sind im kompositorisch-klanglichen Konzept über den langen Verlauf der beiden CDs nicht wirklich feststellbar, doch ist das alles abwechslungsreich genug und wird so schwungvoll und mitreißend vorgetragen, dass das Zuhören immer viel Spaß macht. Man muss das Album ja nicht an einem Stück durchhören. Dass SBB einstmals eine Bluesband waren hört man schließlich noch im Bonustrack "Figo-Fago", einem reinrassigen Bluesrocker.
"Complete Tapes 1974" ist ein tolles Livedokument aus der frühen Bandgeschichte von SBB und natürlich die interessantere Version des Band-Debüts. Wer (wie der Rezensent) nur die LP sein eigen nennt (nannte) und diese schätzt, für den wäre das Album die ideale digitale Version des Materials. Leider war diese Ausgabe auf 1000 Stück limitiert und ist nur noch schwer zu bekommen. Wer den SBB-Erstling schon auf CD hat (die Einzel-CD-Ausgaben verfügen meist ebenfalls über allerlei Konzert-Bonusmaterial), der braucht hier wohl nicht nochmals zu investieren, es sei denn, er ist ein absoluter Fan und SBB-Komplettist.