Faust

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nixe
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Faust

Beitrag von nixe »

Ich durfte Faust zweimal auf Burg Herzberg beiwohnen! Das erst Mal als Event of the Year von Kalle gepriesen:
Vor der Bühne: Absperrung, sowas gab*s noch nie; dahinter ein FörderBand, aha, Sicherheit!!!
Während des gesamten Konzertes wurden RiesenBrocken auf das FörderBand gelegt, nach oben gefahren & auf ein Blech geknallt!!! Dazu röhrende Orgel, Hämmer auf EisenBahnSchienen usw. Die Eindrücke sind leider nicht mehr komplett.
Da kaufte ich mir You Know Faust Bild& live in Edinburgh Bild!!!
Ein oder zwei Jahre später eröffeten Faust am Donnerstag Abend das Festival mit Faust Wakes Nosferatu, ein MultiMedia-Event zum Original Film mit Max Schreck Bild
Band, Statement, Krach, Genie oder Wahnsinn ???
Faust ist eine der sogenannten Krautrockbands erster Stunde welche polarisiert wie wenige andere.

So ein bischen gehen die Quellen auseinander, aber es scheint wohl, daß die Gründungsmitglieder Péron, Sosna, Wüsthoff, Diermaier, Irmler und Meffert keine unbeschriebenen Blätter waren, sondern schon vorher in anderen Bands spielten. Irgendwann zwischen 1968 und 1970 findet dieser Secherpack zusammen und auch der Musikjournalist Nettelbeck stösst dazu.

In einer obskuren Aktion verschafft dieser dann Faust einen Plattenvertrag mit der Polydor ohne daß irgendwelche Demoaufnahmen existierten. Heute wäre so was unvorstellbar!.
Mit dem Vertrag in der Tasche geht es in das ländliche Wümme in ein altes Schulhaus. Dort entstehen dann 71-72 das selbst betitelte erste Album (legendär das klare Vinyl und die Röntgenbild artige Covergestaltung). Schock: eine scheinbar konzeptlose Mischung aus kakophonischen Klängen und eher milden, konventionellem. Revolutionär, genial oder einfach nur Dilettantisch???

Wie auch immer, die Kritiken eher positiv, Verkaufszahlen dafür absolut unbefriedigend.
Auch das zweite Album „So Far“(1972) , nun in fast monochromen Schwarz gehalten erleidet dank seiner ähnliche Strukturen das gleiche Schicksal.

Hier steigt die Polydor wieder aus und die Fäustlige Orientieren sich in Richtung des interessierteren UK.
Man landet nun bei dem noch jungen Virgin Label. Her entstehen dann die Alben „The Faust Tapes“ und „Faust IV“.
Branson lässt sich hier einen tollen Marketing-Gag einfallen: Faust Tapes wird zum Single-Preis verkauft und die Verkaufszahlen steigen enorm.
Aber schon bei Faust IV wieder Absturz. Branson unzufrieden, Faust frustriert, ein geplantes, fünftes Album wird nicht mehr realisiert.
Faust löst sich auf.

Ab 1975 ist Faust als Band erst mal Geschichte. Fünfzehn Jahre wird es still um die Bandmitglieder. Einzig Chris Cuttler´s Recommended Records
veröffentlich einiges an Archivmaterial aus der Zeit von 71 – 75 und hält in den geneigten Kreisen das Interesse an Faust am Leben.

Péron, Diermaier und Irmler fanden sich schließlich im Jahr 1990 wieder für ein Konzert zusammen. Daraus entstanden in wechselnden Besetztungen
um diesen 3er Kern die Alben Rien (1994), You Know Faust (1997),Faust Wakes Nosferatu (1997) und Ravvivando (1990). Ganz anders als in der ersten Phase, genau so kompromisslos, aber deutlich homogener und vom Krachpotential zurückgenommen. Aber eingängig und massenkompatibel—nie im Leben !!!!
Es gab auch diverse Tourneen in dieser Zeit. Speziell das Konzert 1997 hab ich als einer der extremsten Konzerte meiner Musiklaufbahn in Erinnerung.
Verstandzerschmetternde Klangkollagen in infernalischer Lautstärke……….. starker tobak


Von ca. 2000 bis 2005 gehen die Musiker wieder getrennte Wege.

Ab 2005 wird es zeitweilig Unübersichtlich. Da gibt es dann zeitweilig 2 Formationen mit dem Namen Faust, einmal ein Kollektiv um Diermeier/Peron und ein anders um Irmler. Irmler hat sich aber nach einem Album wieder von dem Namen Faust verabschiedet, wärend Diermeier/Peron immer noch unter dem Namen Faus auftreten und veröffentlichen.
Vermutlich immer noch kompromisslos unkommerziell und nur in Fankreisen erfolgreich, aber unbeirrt den eigenen Weg gehend.
Faust rules !!
Tschüß
nixe

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Re: Faust

Beitrag von nixe »

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1997 You know FaUSt
BildBild
BildBild
Allgemeine Angaben:
Erscheinungsjahr: 1997
Besonderheiten/Stil: Krautrock
Label: Klangbad
Durchschnittswertung: 10.5/15 (2 Rezensionen)

Besetzung:
Werner Diermaier drums
Hans Joachim Irmler organ, electronics
Jean Hervé Pèron bass, vocals
Gastmusiker:
Thomas E. Martin guitar

Tracklist:
1. Hurricane 4:15
[BBvideo 360,250][/BBvideo]
2. Tenne Laufen 0:14
3. C Pluus/Pause 7:06
[BBvideo 360,250][/BBvideo]
4. Irons 0:21
5. Cendre/Pause 2:05
6. Sixty Sixty 2:52
[BBvideo 360,250][/BBvideo]
7. Winds 0:31
8. Liebeswehen 2 4:51
[BBvideo 360,250][/BBvideo]
9. Elektron 2 1:11
10. Ella/Pause 2:02
11. Men from the Moon 1:59
12. Der Pfad 0:54
13. Noizes from Pythagoras/Pause 0:37
14. Na Sowas 14:36
[BBvideo 360,250][/BBvideo]
15. L'Oiseau/Pause 2:53
16. Hüttenfreak 0:31
17. Teutonentango 6:58
Gesamtlaufzeit 53:56

http://babyblaue-seiten.de/index.php?al ... ent=review
von: Achim Breiling (Rezension 2 von 2)

Kennen Sie Faust? Nein, nicht Johannes oder Georg Faust, Arzt, Astrologe und Schwarzkünstler, der einen gewissen J. W. von Goethe zu einer zweiteiligen Tragödie inspiriert hat. Die anderen Faust meine ich, die seltsame Krautrocktruppe. Nein? Die kennen Sie nicht? Nun, dann wäre "You know Faust" eigentlich eine ganz gute Möglichkeit daran etwas zu ändern.

Nicht daß das Album zu den besten Werken der Band gehören würde. Doch bietet "You know Faust" einen ganz guten Überblick über die Faustschen Klangwelten. Hier wird industrieller, monoton dahinwütender Krach mit seltsamen, mitunter beschaulichen Liedchen gemischt, mit freieren elektronisch-akustischen Klangbildern, wirren Dadaexkursen und krautigen, ziemlich extremen Lärmrockorgien. "na sowas" ist z.B. ausgesprochen heftig. Fast eine Viertelstunde lang zischen, dröhnen, rumpeln, schweben und wüten Bass, unzählige perkussive Sounds, verzerrte Gitarren, elektronische Kakophonien und kaputte, menschliche Lautäußerungen durcheinander. Sehr wirr ... Faust eben. Demgegenüber stehen fast schöne, beschauliche Melodien, wie in "cendre" z.B., mit dezenten Akustikgitarrenläufen und warm wummerndem Bass. Dann gibt es natürlich diese eigentümlichen faustschen Klangschöpfungen, irgendwie absurd und billig, aber doch auch faszinierend atmosphärisch, simpel, aber tiefschürfend und einzigartig ("c pluus" z.B. oder "liebeswehen"). Schließlich sind da noch bizarre Rocksongs, wie der "teutonentango" oder "sixty sixty". Dazwischengestreut werden noch eine ganze Ladung seltsamer Miniaturen ... wie das medieval-barocke "der pfad" z.B., mit seinen hymnischen Trompetenfanfaren.

Andere Alben von Faust sind sicher extremer ("Rien" und "Ravvivando"), krautiger und wirrer ("So Far" und "Faust IV"), oder viel bekloppter und seltsamer ("The Faust Tapes" und "Patchwork 1971 - 2002"). "You know Faust" steht irgendwo dazwischen und ist daher eine ganz gute Einstiegsscheibe in die Welt von Faust.

You know Faust? Nein? Dann wird es aber höchste Zeit!
Tschüß
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Re: Faust

Beitrag von nixe »

Faust-Eintrag im Leitfaden "Krautrock"
Bild
Wenn man der Geschichte in Julian Copes vorzüglichem Buch "One head's guide to the GROSSE KOSMISCHE MUSIK" glaubt, wurden FAUST auf Anregung des A&R-Mannes der Deutschen Polydor, Kurt Enders, durch Uwe Nettelbeck initiiert. Der verwendete den Vorschuss, um in Wümme ein Schulhaus in eine Studio umzuwandeln, in dem die Band ihre Ideen aufnehmen konnte. 1971 erschien die erste LP, transparentes Vinyl in einer transparenten Plastikhülle mit dem Röntgenbild einer Faust und einem ebenfalls transparenten Beiblatt. Die Platte verkaufte sich in Deutschland so gut wie gar nicht, während sie in England recht populär wurde. Dies führte dazu, dass das zweite Album "So Far" zuerst dort erschien, diesmal (fast) völlig in schwarz mit zwölf beigelegten Bildern, die die Songs illustrierten. Nettelbeck selbst beschrieb die Musik wie folgt: "...die Musik sollte nach Bootleg klingen, als hätte sie einer aufgenommen, der zufällig eine probende oder jammende Band getroffen, und der dann das aufgenommende Material wild zusammengschnitten hätte." Eröffnet wird SO FAR mit "It's a rainy day (sunshine girl)", monoton, simpel und mit einem tollen Saxophonsolo. Weiter gehts mit einer bizarren Mischung aus Freeform, Kinderlied, krautrockigen Improvisationen und diversen anderen Einsprengseln.

Für die einen waren FAUST schlicht Schrott, Dilettanten im Studio, für die anderen die Speerspitze der deutschen Bands, nur noch vergleichbar mit CAN. Sei's drum, nachdem sie beim neuen VIRGIN-Label unterschrieben hatten, veröffentlichten sie dort noch "The FAUST tapes" und FAUST IV, die ähnlich genial waren wie die beiden Erstlingswerke, ferner auf dem CAROLINE Label eine Zusammenarbeit mit Tony Conrad. Um 1975 verschwand die Band im Orkus der Geschichte, wurde aber im Laufe der Jahre zur Legende des Krautrocks. Später erschienen noch Platten mit unveröffentlichtem Material (The Last LP, Munich & eleswhere, 71minutes of.."). Mit "RIEN" legten FAUST zwanzig Jahre später (mit drei von ursprünglich fünf Mitgliedern) ein tolles "Comeback" vor. Seitdem erscheinen wieder mehr oder weniger regelmäßig neue Platten.
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Re: Faust

Beitrag von nixe »

1997 Faust wakes Nosferatu
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Allgemeine Angaben:
Erscheinungsjahr: 1997
Besonderheiten/Stil: RIO / Avant
Label: Klangbad
Durchschnittswertung: 11/15 (2 Rezensionen)

Besetzung:
Werner Diermaier Drums
Hans Joachim Irmler Organ, Electronics
Steven Wray Lobdell Guitar
Lars Paukstat Percussion
Michael Stoll Bass

Tracklist:
1. Aufbruch Nach Rumänien 21:54
[BBvideo 360,250][/BBvideo]
2. Verwirrung 18:21
3. Telepathia 6:45
4. Kampf Der Mächte 5:27
5. Das Unheil Breitet Sich Aus 12:06
6. Die Entscheidung 7:33
Gesamtlaufzeit 72:06

LP-Tracklist:
Side 1
1. "Abgrunde"
2. "Reise"
3. "Ellen (Cry For)"
4. "Wehmut und Ekstase"
Side 2
1. "Visions"
2. "Sog"
3. "Todesschiff"

http://babyblaue-seiten.de/index.php?al ... ent=review
von: Achim Breiling (Rezension 2 von 2)

... dort stund der Vampyr Nosferatu, welcher lebet und sich nährt von dem Blute der Menschheit. Unerlöset hauset er in schröcklichen Höhlen, Grabkammern und Särgen, so gefüllet seien mit gottesverfluchter Erde von den Äckern des schwarzen Todes ...

"Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" von Friedrich Wilhelm Murnau, ist einer der bedeutendsten Stummfilme der 20er Jahre. Unvergessen Max Schreck als Nosferatu bzw. Graf Orlok, der Meister, das bleiche, krallenbewehrte, dämonische Vampirgespenst. Schatten und Licht, Naturaufnahmen und finstere Gemäuer ergeben in diesem Film ein sehr stimmungsvolles, jenseitig-übersinnliches Bildgemälde, welches auch heutzutage noch zu beeindrucken weiß. Ein Klassiker!

Murnaus Film diente schon den Franzosen von Art Zoyd als Vorlage für eine ihrer beeindruckendsten Klangschöpfungen (siehe "Nosferatu") und auch Faust machten sich Ende der 90er Jahre daran, einen neuen Soundtrack für den Film zu komponieren. Eine randvolle CD und eine LP füllten Faust mit ihrer Nosferatu-Filmmusik, was etwas verwunderlich ist, bringt es Murnaus Film doch auf gerade einmal 64 Minuten. Ein 1:1-Soundtrack kann diese Musik daher nicht sein. Wie die "live interpretation of the F.W. Murnau film Nosferatu" - so der Untertitel des Albums - im Konzert abgelaufen ist, ist daher etwas unklar. Vermutlich stammt die Musik von verschiedenen Konzerten, auf denen jeweils etwas andere Live-Interpretationen gespielt wurden.

Die Musik, die auf "Faust wakes Nosferatu" zu finden ist, hat Andreas weiter oben schon recht treffend beschrieben. Freie, industriell-krautige, psychedelisch-klangwabernde, recht kaputte und schräge Klangkonstrukte strömen hier aus den Boxen, bestimmt von Orgel, Gitarren, Elektronik und viel Perkussion, die ab und an recht heftig-maschinell voranlärmen, oft aber auch etwas eintönig und langatmig dahin mäandern und holpern.

In ihrer bizarren Hässlichkeit und kantigen Schönheit passen diese Klänge durchaus gut zu Murnaus Film, doch ohne die filmische Untermalung wirkt die Musik stellenweise etwas strukturlos und langatmig, kommt als kantiges und raues Ambientgerumpel wirr und vertrackt aus den Boxen gestolpert. Durchaus Beeindruckendes gibt es hier trotzdem zu hören, doch wäre es vielleicht angebracht gewesen das Ganze etwas zu straffen, insbesondere anbetracht der Tatsache, dass der Zuhörer zuhause nicht auch den Film vor sich hat. Der Klang des Albums ist recht ordentlich, ab und zu übersteuert, nicht ganz perfekt, wie man es von Faust gewohnt ist.

Ein ziemlich seltsames, durchaus für die deutsche Formation typisches, wenn auch etwas arg zeitgedehntes Klangerlebnis bietet "Faust wakes Nosferatu". Faust-Liebhaber können hier daher ohne Zögern zugreifen. Wer Faust noch nicht kennt, sollte allerdings nicht mit dieser CD in deren Klangwelten einsteigen. Eigentlich ist jede andere Scheibe der Band dazu besser geeignet.
Tschüß
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Re: Faust

Beitrag von nixe »

1998 Edinburgh 1997
Bild
Allgemeine Angaben:
Erscheinungsjahr: 1998
Besonderheiten/Stil: improvisiert; instrumental; live; Krautrock; RIO / Avant
Label: Klangbad
Durchschnittswertung: 9/15 (2 Rezensionen)

Besetzung:
Werner Diermeier Drums
Hans Joachim Irmler Organ, Electronics
Steven Wray Lobdell Guitar
Lars Paukstat Percussion
Michael Stoll Bass

Tracklist:
1. The opener 1:51
2. Allerdings weißt du 13:48
3. Drachentöter 9:09
4. Largo 9:32
5. Was soll das 8:00
6. Druck - walk under pressure 10:23
7. Water impression 4:58
8. wbd 11:32
Gesamtlaufzeit 69:13

http://babyblaue-seiten.de/index.php?al ... ent=review
von: Andreas Pläschke (Rezension 1 von 2)

Der erste Song ist einfach ein ganz leiser Keyboardton, der immer lauter wird, gegen Ende kommt dann das Schlagzeug dazu und abschließend ertönt eine Tröte, wie sie Fußballfans gern einsetzen - aber das beschreibt FAUST schon sehr gut. Bevor ich fortfahre, nun doch etwas Geschichtsunterricht für die jüngeren unter Euch ;-).

FAUST waren / sind eine der "Krautrockbands". Sie haben es in den frühen 70-ern geschafft, als völlig unbekannte Gruppe ohne Konzert oder Platte von Polydor ein komplettes Studio eingerichtet zu bekommen. Als sie dann ihr Livedebut gaben, war das ein totaler Flop. Ebenso ging es der ersten Platte, die im transparentem Vinyl in einer durchsichtigen Plastikhülle (mit einer Röntgenaufnahme einer Faust) erschien. In England hatten sie allerdings wesentlich mehr Erfolg, wie viele andere deutsche Gruppen auch. In England haben sie dann mit HENRY COW und SLAPP HAPPY zusammengearbeitet, und seit 1990 existieren sie wieder. Wie ich gerade auf ihrer offiziellen Homepage gesehen habe, haben sie allerdings in den 80-ern auch Musik gemacht, es gibt ziemlich viele Kassettenmitschnitte (für Sammler, das wird teuer !) Musikalisch sind sie schwer zu beschreiben, sie erinnern mich teilweise an CAN, an die Residents, Amon Düül II, manchmal an Tangerine Dream (von den Strukturen, nicht dem Instrumentarium), oder um 'neuere' Namen zu nennen: Throbbing Gristle.

Aber zurück zu dieser CD. Von den alten FAUST sind nur der Drummer und der Organist dabei, die allerdings auch für die Songs verantwortlich sind, wenn man das Songs nennen kann. Um es kurz zu beschreiben, würde ich sagen, Krautrock meets Industrial Music. Die Musik beim 2. Song erinnert in seiner Monotonie sehr an alte Krautrockzeiten, ein elekronischer Loop läuft im Hintergrund, jemand spielt arabisch angehauchte Flöte oder einen Flötenklang) und dazu spricht jemand manchmal ein paar deutsche Sätze. Nach knapp drei Minuten schlägt jemand derbe auf irgendwelche Metallteile (hört sich zumindest so an), die Elektronics werden schriller und verzerrter und irgendwann, nach einigen Geplänkel wird der Song schneller, ein durchgehender Schlagzeugrhythmus beginnt. Der Song erinnert mich spontan an sehr frühe Tangerine-Dream-Musik, nur mit "normalen" Instrumenten (die Phaedra"-Zeiten).


"Drachentöter" beginnt als sehr ruhige Soundcollage, dann ein sehr monotoner Orgelklang, irgendwelche Percussiongeräusche mittendrin, die allmählich sowas wie einen Rhythmus erzeugen, und schwupps ist der Sound von der Orgel her kurz bei den frühen PINK FLOYD gelandet. Manchmal erinnert mich das aber auch an "In a Gada da vida" von Iron Butterfly.

Der Song wird allerdings sehr abrupt beendet. LARGO ist dann wieder eher "Krautrock", sanfter Rhythmus und eine hallige Orgel (die CD ist das reinste Dejá Vu-Erlebnis). Dieser Song erinnert mich an ZEIT von TD gepaart mit PINK FLOYD (die UMMAGUMMA-Livescheibe). "Was soll das" gibt statt TD dafür als Zutat eher AMON DÜÜL II zu "Yeti"-Zeiten, und das Schlagzeug kommt mir auch sehr bekannt vor (kann ich allerdings gerade nicht zuordnen).

Der nächste Track ist eher eine Soundcollage, der erst gegen Ende so etwas wie eine Melodie hat. "Water impression" beginnen, als ob jemand gerade ein japanisches Saiteninstrument gefunden hat, und die ersten Seiten zupft. Dann fängt elektronsichen Blubbern und Wellenrauschen an (man beachte den Songtitel!). So etwas wie Walgeräusche werden reingemischt, dazu dann irgendwann auch mal Geigeneinsprengsel. Also ziemlich abgedreht. Und als dann am Ende das Schlagzeug richtig loslegt, beginnt auch nahtlos der letzte Song, monotone Grundlage mit allerlei Geschehen im Hintergrund.

FAUST waren/sind schon einzigartig. Wer Eingängiges erwartet, wird zumindest bei diesem Livemitschnitt herbe enttäuscht. Wer sich Aufnahmen der Psychedelic-Ära und hier speziell die genannten deutschen Gruppen CAN, AMON DÜÜL II , gepaart mit frühen TANGERINE DREAM oder auch mal PINK FLOYD vorstellen kann, und das alles gekonnt durch den Fleischwolf gedreht und neu zusammengebastelt, wird sich freuen. Für mich war diese Cd der reinste Jungbrunnen, aber ich habe auch eine sehr große Leidenschaft für den deutschen Krautrock (selig ist die Jugendzeit ;-))
Anspieltipp(s): Allerdings weisst du / Largo
Tschüß
nixe

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Re: Faust

Beitrag von nixe »

1999 Ravvivando
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Allgemeine Angaben:
Erscheinungsjahr: 1999
Besonderheiten/Stil: Krautrock; RIO / Avant
Label: Klangbad
Durchschnittswertung: 12.33/15 (4 Rezensionen)

Besetzung:
Werner Diermaier Drums
H.J. Irmler Organ
Steven Wray Lobdell Guitars
Lars Paukstat Percussion, Zither
Michael Stoll Bass
Gastmusiker:
Ulrike Helmholz Vocals


Tracklist:
1. Ein neuer Tag 4:17
[BBvideo 360,250][/BBvideo]
2. Carousel II 2:44
3. Wir brauchen dich 7:22
[BBvideo 360,250][/BBvideo]
4. Four plus seven means eleven 7:06
[BBvideo 360,250][/BBvideo]
5. Take care 4:08
6. Spiel 0:40
7. Dr' Hansl 1:30
8. Apocalypse 4:29
9. D.I.G. 5:28
10. Livin' Tokyo 8:42
[BBvideo 360,250][/BBvideo]
11. T-électronique 6:51
[BBvideo 360,250][/BBvideo]
Gesamtlaufzeit 53:17

http://babyblaue-seiten.de/index.php?al ... ent=review
von: Achim Breiling (Rezension 2 von 4)

Retrokrautrock? Im Beiheft von "Ravvivando" fragt sich Albert Koch, ob man die Musik die Faust auf diesem Album machen als "retro" bezeichnen könnte. Auch mein Vorschreiber fühlt sich bei dieser Scheibe an alte Krautrockzeiten erinnert. In der Tat, Faust klingen sehr krautig hier, sehr authentisch. Allerdings ist das Ganze durchaus modern produziert.

Im Gegensatz zu Andreas höre ich hier keine verblüffende Ähnlichkeit zu Tangerine Dream - schon gar nicht zum Album "Phaedra". Aber, Andreas benutzt ja das Wörtchen "wenn". Und wirklich, wenn da nicht der knurrige Bass und das rumpelnde Schlagzeug wären, klänge "Ravvivando" vielleicht ein wenig nach "Atem" - zu Beginn von "Atem" gibt es sogar ein Schlagzeug zu hören. Mir kommen beim Lauschen dieses dritten Studioalbums von Faust nach der Wiederauferstehung in den 90ern dagegen die frühen Can in den Sinn, Neu!, die ersten beiden Scheiben von Cluster, das erste Album von Kraftwerk, "Electronic Meditation" von Tangerine Dream (wenn die Berliner unbedingt dabei sein müssen) und besonders auch die ersten vier Alben von Faust! Faust machen auf "Ravvivando" nämlich schlicht und einfach ihre Musik, allerdings klangtechnisch und was die Expressivität anbelangt angepasst an die Standards der späten 90er Jahre.

Sehr heftig sind Faust hier nämlich zu Gange. Kreischende, verzerrte Gitarren, Bassgewummer, heftige Perkussion, kosmische Tastengebirge, lärmender Krach, wabernde Orgel-Elektronikkonstrukte, dezente Tonwolken, ein wenig Gesang, Sprachfetzen und allerlei elektronische Geräusche hallen hier durcheinander, meist sehr rhythmisch und industriell, wüst und ziemlich kaputt. So extrem waren die Krautrocker vor 30 Jahren wohl nicht unterwegs, aber fast. Ein Stück wie die abartige, dröhnende Industrial-Tanznummer "wir brauchen dich" hätte es damals nicht gegeben. Anderes, wie z.B. das gleich anschließende "four plus seven means eleven", hätte auch schon gut auf die "Faust Tapes" gepasst.

Retro sind Faust hier also. Da sie aber in den 70er Jahren ihrer Zeit schon weit voraus waren, klingt diese Musik dann auch heute noch ausgesprochen progressiv, avantgardistisch und anderweltig. Dazu kommt, dass vom konfusen Dilettantismus der frühen 70er hier nichts mehr zu spüren ist. Faust liefern mit "Ravvivando" ein souveränes, professionell produziertes, sehr extremes Klangbild des zu Ende gehenden Jahrtausends ab, mit dem sie sich von jeglichen kommerziellen Einflüsterungen unbeeindruckt weiter in vorderster Front der Rockavantgarde bewegen. Mein Lieblingsalbum von Faust!
Tschüß
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Re: Faust

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2000 the land of ukko & rauni
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Allgemeine Angaben
Erscheinungsjahr: 2000
Besonderheiten/Stil: live; Krautrock; RIO / Avant

Label: Ektro Records
Durchschnittswertung: 12/15 (1 Rezension)

Besetzung
Werner "Zappi" Diermaier Drums, Percussion
Hans Joachim Irmler Organ, Electronics
Steven Wray Lobdell Guitar

Lars Paukstat Percussion
Michael Stoll Bass

Tracklist:
Disc 1

1. the calling 9:35
2. ein neuer tag 8:55
3. carousel II 2:10
4. wir brauchen dich no. #7 10:15
5. vagary 4:42
6. whispering during war 5:04
7. as you might know (du weisst schon) 11:31
Gesamtlaufzeit 52:12

Disc 2

1. four plus eleven 10:49
2. double you & me 12:10
3. abbau 9:12
Gesamtlaufzeit 32:11

http://babyblaue-seiten.de/index.php?al ... ws&alpha=f
von: Achim Breiling

Was für ein Krach! Stampfende Rhythmen, rumpelnde und hämmernde Perkussion, motorisches Bassgewummer, sägendes E-Gitarrenjaulen und diverse brummende, zischende und dröhnende Elektroniksounds stürzen auf den Hörer ein. Wir brauchen dich! Wie eine gewaltige Industriemaschine wüten Faust dahin, laut, kantig, brutal und schräg. Am 20. April 2000 gab die Gruppe ein Konzert in Helsinki, welches aufgezeichnet und noch im selben Jahr in kleiner Auflage beim finnischen Label Ektro auf CD erschien. Inzwischen ist das Album schon wieder eine Rarität. Faust-Fans und Liebhaber von krautigem Krach sollten sich aber trotzdem nach den beiden Silberlingen umschauen.

Zu hören ist hier die Spätneunziger-Besetzung von Faust ohne Jéan-Herve Péron, die auch "Ravvivando" und die Livealben "Edinburgh 1997" und "Faust wakes Nosferatu" eingespielt hat. Im Vergleich zu den letztgenannten beiden Livescheiben, insbesondere "Edinburgh 1997", klingt "the land of ukki & rauni" allerdings deutlich besser, kommt sehr druckvoll und differenziert, nur ab und zu etwas übersteuert aus den Boxen. Man wähnt sich geradezu inmitten der wohl eher kleinen Gruppe von Zuschauern, die ziemlich gebannt dem abartigen Geschehen lauschen. In musikalischer Hinsicht wird hier das geboten, was auch auf "Ravvivando" zu finden ist. Das Konzert in Helsinki war wohl Teil der Tour, mit der das damals neue Album vorgestellt werden sollte.

Um die hier vorzufindenden Klänge zu beschreiben, zitiere ich mich daher der Einfachheit halber einmal selbst: "Kreischende, verzerrte Gitarren, Bassgewummer, heftige Perkussion, kosmische Tastengebirge, lärmender Krach, wabernde Orgel-Elektronikkonstrukte, dezente Tonwolken, ein wenig Gesang, Sprachfetzen und allerlei elektronische Geräusche hallen hier durcheinander, meist sehr rhythmisch und industriell, wüst und ziemlich kaputt." Was ich zu "Ravvivando" schrieb, trifft auch auf diese Konzertaufnahme weitestgehend zu. Allerdings muss man sich die Sprachfetzen wegdenken, Gesang gibt es auch kaum und alles kommt noch eine Spur roher und lärmender aus den Boxen. Sehr rhythmisch und maschinenhaft rockt die Band dahin, dominiert von der doppelt besetzen Perkussion, dem knarzenden, oft gestrichenen Bass (der mitunter klingt, als würde ihn Michael Stoll mit einer Feile traktieren), Irmlers klangfüllenden Tasten und dem abwechslungsreichen, psychedelisch-spacigen E-Gitarrenspiel Lobdells.

Sehr monoton, geradezu hypnotisch dröhnt die Musik dahin, wobei sich doch jeweils genug tut, um die Aufmerksamkeit des Hörers nicht zu verlieren. Es klappert, rumpelt, scheppert und plingt, mal scheint Diermaier auf alte Öltanks einzuschlagen, auf große Blechplatten oder Stahlröhren, mit einem Winkelschleifer Metallflächen zu bearbeiten, oder mit Schrauben und Ketten gefüllte Eimer über das Mikrophon zu kippen. Dazu erklingt auch immer "normale" Perkussion, meist ein Schlagzeug. Irmlers Orgel wabert verzerrt dazwischen, und erzeugt, zusammen mit Lobdells E-Gitarre eine seltsam altmodische, krautig-psychedelische Atmosphäre. Das Ganze wirkt daher oft wie eine aktuelle, aber um einiges extremere Version der ausschweifenden Klangexperimente, wie sie z.B. Pink Floyd in den späten 60er Jahren veranstaltet haben, oder eben die frühen Krautrocker ein paar Jahre später (Can, Neu!, Tangerine Dream und natürlich Faust). Kuzum: Faust klangen im Jahre 2000 immer noch so abgefahren und durchgeknallt wie Anfang der 70er. Allerdings haben sie ihren Sound dem neuen Jahrtausend angepasst. Das Ergebnis ist ein wirklich beeindruckender Krach ... beängstigend beeindruckend!
Tschüß
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Re: Faust

Beitrag von nixe »

2002 Patchwork 1971 - 2002
Bild
Allgemeine Angaben:
Erscheinungsjahr: 2002
Besonderheiten/Stil: Krautrock
Label: Klangbad / Staubgold
Durchschnittswertung: 11/15 (1 Rezension)

Besetzung:
Werner Diermaier Drums
Hans-Joachim Irmler Organ
Steven Wray Lobdell Guitars
Arnulf Meifert Drums
Lars Paukstat Percussion
Jean-Hervé Péron Bass
Rudolf Sosna Guitars, Keyboards
Michael Stoll Bass
Gunter Wüsthoff Synthesizer, Sax

Tracklist:
1. Patchwork I 20:07
1. Walter Adler
2. stretch over all times
3. a seventies event (edit)
4. rittersleut & anderes (excerpt I)
5. ayi ayi
6. psalter
7. tourbotrain
8. nervous
9. passings
10. duo
2. Patchwork II 22:27
1. pause (gedacht zum umdrehen der platte)
2. jassie
3. ironies
4. zerr:aus
5. drone organ
6. stretch out
7. elegie
8. rittersleut & anderes (excerpt II)
9. klaviernacht
10. out of our prison
Gesamtlaufzeit 42:34
http://www.junodownload.com/products/fa ... 282517-02/

http://babyblaue-seiten.de/index.php?al ... ws&alpha=f
von: Achim Breiling

Sechs Monate Vorbereitungszeit für ein musikalisches Experiment, und herausgekommen ist eine Pleite - für die Musiker natürlich. Die Deutsche Grammophon ist fein heraus. Sie wird die investierten Summen über Werbungs- und Entwicklungskosten wieder hereinholen, und das ganze ist dann unter der Rubrik >es war einmal< gelaufen, wie man so schön sagt. Fausts geistiger Vater, Uwe Nettelbeck, hat seine amusischen Kinder verkommen lassen - Kinder, die da glaubten, in einer Branche mitspielen zu können, und nicht merkten, wie die Branche ihnen mitgespielt hat.

Im Herbst 1971 gaben Faust ihr erstes Konzert vor Publikum. In der Hamburger Markthalle fand das Ereignis statt und wurde ein ziemlich gigantischer Reinfall. Die Band war überfordert und die Technik ein einziges Chaos. Die anwesende deutsche Musikjournaille - Faust-Mentor Uwe Nettelbeck hatte das Ganze großspurig angekündigt und die Band zur neuen Supergroup hochgehyped - höhnte voller Schadenfreude. Einer davon war der WDR-Mitarbeiter Walter Adler, der damals in einer Fernsehreportage die eingangs zitierten Worte über Faust vom Stapel ließ.

Walter Adler hätte sich wohl sehr gewundert, dass 2002 seine Worte die Einleitung zu einem neuen Faustalbum bilden sollten, insbesondere darüber, dass es die Gruppe auch über 30 Jahre nach dem Reinfall von Hamburg noch (oder wieder) gab. Faust waren ihrer Zeit voraus, oder ihre Zeit hatte damals nicht genügend Humor oder Verständnis dafür, dass da eine Band sich den herkömmlichen Vorstellungen über das Musikmachen, oder besser über die Produktion eines Rockalbums und die Veranstaltung eines Rockkonzertes, entzog und einfach frech und frei, mitunter auch ziemlich dilettantisch drauflosmusizierte.

Nur ein Bruchteil dessen, was Faust bei ihren diversen Sessions in Wümme, London und München in den 70er Jahren auf Tonband gebannt haben, ist auch veröffentlicht worden. Nur drei reguläre Alben der Gruppe erschienen 1971-73, dazu kamen die Zusammenstellungen "The Faust Tapes", "Munich and elsewhere" und "Last LP" (letztere beiden als "71 Minutes Of..." auf CD erschienen), die Teile des unveröffentlichten Material zugänglich machten. "Patchwork" ist auch eine solche Archivkompilation.


Hans Joachim Irmler und Bruno Gebhard haben hier eine Ladung von in den Jahren 1971-2002 eingespielten, und bis dato in dieser Form unveröffentlichten Stücken, bzw. Fragmenten derselben, zu zwei Suiten zusammengebastelt, die ziemlich gut die Quintessenz des Fautschen Schaffens zum Ausdruck bringen. Seltsame Songs, schräg-psychedelisches Gerocke, wüste Krachorgien, krautiges Gejamme und bizarre Klangkollagen und auch ein paar jazzige Ausflüge aus drei Jahrzehnten (wobei das Meiste aus den 70ern stammt) werden hier miteinander verwoben und purzeln ungestüm und wild aus den Boxen. Viele Stellen wird der Faustkenner wieder erkennen. "A seventies event" ist z.B. ein Fragment aus "Krautrock" von "Faust IV", oder "It's a rainy day", welches gleich in "stretch over all times" fragmentarisch auftaucht. Mitunter wird es hier ganz schön laut und schräg, wenn heftiges Schlagzeuggerumpel und allerlei kreischende, dröhnende, maschinell dahinwütende- und hupende Klänge aus den Boxen wabern (in "ironies" und "zerr:aus" z.B.). Es gibt aber auch ruhigere Stellen - "duo" z.B., "elegie" oder "klaviernacht" - und natürlich sehr krautige und kantige Jams (die beiden Teile von "rittersleut & andreres" z.B.).

"Patchwork" ist eine sehr gelungene Werkschau von Faust, die zudem nur auf bisher unveröffentlichtem Material beruht. Wer Faust schätzt, wird auch dieses Album mögen. Wer bisher Faust gemieden hat, dem wird "Patchwork" einen Eindruck davon vermitteln, was Faustmusik ist.
Tschüß
nixe

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nixe
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Re: Faust

Beitrag von nixe »

2004 BBC Sessions +
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Allgemeine Angaben:
Erscheinungsjahr: 2004 (davor als Teil der Wümme-Box, 2000)
Besonderheiten/Stil: Krautrock
Label: Recommended Records
Durchschnittswertung: 10/15 (2 Rezensionen)

Besetzung:
Werner Diermaier Drums
Hans-Joachim Irmler Organ
Jean-Hervé Pèron Bass
Rudolf Sosna Guitar, Keyboards
Gunter Wüsthoff Sax, Synthesizer

Tracklist:
1. BBC 1.3.73 22:05
01. The Lurcher 7:56
02. Kraut Rock 11:42
03. Do So 2:33

2. Party 9 5:59
3. (360) 3:38
4. Party 10 1:03
5. Party 1 3:36
6. We Are the Hallo Men 4:25
7. So Far [alternate take] 3:54
8. Meer [alternate take] 3:11
Gesamtlaufzeit 47:51

http://babyblaue-seiten.de/index.php?al ... ws&alpha=f
von: Achim Breiling (Rezension 1 von 2)

1972 waren Faust nach London umgezogen, vor allem wohl deshalb, weil ihre Musik in Grossbritannien deutlich grösseren Anklang fand, als in ihrem Heimatland. Irgendwann Ende des Jahres bat John Peel die Gruppe ins BBC-Studio, um, quasi unter Live-Bedingungen, eine Session einzuspielen. Die etwas über 20 Minuten an Musik wurden dann am 1.3.1973 gesendet. 1996 erschien diese Session erstmals offiziell auf LP, als limitierte Maxi-Single mit individuell gestalteten Covern. Danach wurde das Material im Rahmen der Wümme-Box, ergänzt um einige Bonusstücke (die nicht von der BBC-Session stammen) als "BBC Sessions +" wiederveröffentlicht. Seit einiger Zeit gibt es dieses Live-Dokument auch als Einzel-CD.

Etwas über 22 Minuten sind Faust auf "BBC Sessions +" live zu Gange. Im Zentrum des dreiteiligen Stücks steht "Krautrock" von "Faust IV", welches hier in einer früheren, etwas krachigeren Version geboten wird. Davor dümpelt die Musik entspannt, saxgetragen und jazzrockig dahin ("The Lurcher"), ehe das monotone Gitarrendröhnen von "Krautrock" einsetzt. Zum Schluss der Session gibt es noch zweienhalb Minuten Faust-Psychedelik mit Jazzeinschlag und wackeligem Gesang ("Do So").

Die Bonusstücke, die teilweise von den LPs "The Last LP" (1988) und "Munic and elsewhere" (1986) stammen, bieten Studioexperimente und Demo- und Alternativversionen von Faust-Songs, die im selben Zeitraum wie die Session aufgezeichnet wurden. Sie bieten ähnliches Material, wie es auch auf den Faust-Alben "The Faust Tapes" und "71 Minutes Of..." zu finden ist: Studiojams, Klangkollagen, Elektronikkonglomerate, Tonbandexperimente, Improvisationen und schräge Psychedelic-Songs, etwas unausgegoren und ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Trotzdem nett ist die alternative Version von "So Far", das entspannt-schwebende "Meer" und der Elektro-Rockjam "Party 9".

"BBC Session +" ist vor allem deshalb empfehlenswert, weil hier der bis dato einzige, klanglich befriedigende Live-Mittschnitt der ersten Faust-Besetzung zu finden ist, der zudem noch recht interessant und mitreissend geraten ist und mit zum Besten gehört, was Faust in den 70er Jahren aufgenommen haben. Der Rest der Scheibe ist dann noch ein mehr oder weniger interessantes Zubrot.
von: Jochen Rindfrey (Rezension 2 von 2)

Die 22 Minuten BBC Sessions sind sicherlich der Hauptgrund, sich dieses Album zuzulegen (sofern man es nicht als Teil der Wümme-Box sowieso erworben hat). Vor allem die furiose Version des passend betitelten "Krautrock" gehört zweifellos zu den Höhepunkten des Faustschen Schaffens.

Aber auch die restlichen Stücke sind nicht zu verachten, diese decken mal wieder perfekt den Grenzbereich zwischen Genie und Wahnsinn ab.


"Party 9" beginnt als reine Geräuschcollage mit etwas Percussion, wandelt sich dann abrupt zu einem Stück mit Heldon-artiger Minimal-Elektronik, um dann zunehmend rockiger zu werden. Auch "(360)" beginnt als reine Geräuschcollage: allerlei Stimmen, zunehmend mit Echo- und Verzerrungseffekten bearbeitet, dann kommt noch ein bisschen Gitarre dazu. Ziemlich bizarr.

"Party 10" ist Gitarrengeklimpere mit seltsamer Tröte und etwas Chanson-artigem Gesang im Hintergrund, "Party 1" ist ein reines Percussionstück. Beide nicht unbedingt essentiell.

Schließlich folgt mit "We Are The Hallo Men" ein schräges Psychedelic-Stück, das im wesentlichen aus Schlagzeug und eigenartig monotonem Gesang besteht, die eigentlich nicht so recht zueinander passen. Aber gerade das macht den Reiz dieses bizarren "Songs" aus!

Mit "So Far" und "Meer" folgen noch zwei Alternativversionen älterer Faust-Stücke. "Meer" ist dabei ziemlich Faust-untypisch, im schlichten Aufbau und mit seiner lyrisch-friedvollen Atmosphäre erinnert es etwas an manche Werke von Michael Rother.

Insgesamt eine lohnenswerte Ergänzung für den Krautrock-Liebhaber, vor allem wegen der BBC Sessions. Wer die Band noch nicht kennt, sollte allerdings eher mit einem der Studioalben anfangen.
Tschüß
nixe

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Re: Faust

Beitrag von nixe »

2005 FaustImpressions
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Allgemeine Angaben:
Erscheinungsjahr: 2005
Besonderheiten/Stil: DVD; Krautrock
Label: Zick Zack Records / Hit Thing Records
Durchschnittswertung: 9/15 (1 Rezension)

Tracklist:
Disc 1

1. Intro 5:16
2. D-machine (1984) 6:27
3. Ice Rain (1972) 7:31
4. Breakfast (1971) 2:04
5. Waiting for Eternity (1972) 6:06
6. Video Skin (1973) 2:21
7. Desert (1994) 6:47
8. Component (1971) 4:03
9. Listen (1994) 12:32
10. We need you (1984) 3:15
11. Irena (1971) 2:56
12. Kraut (1974) 11:48
13. Abspann 2:57
Gesamtlaufzeit 74:03

Disc 2 (Bonus-CD)
by Zappi W. Diermaier - I-Spin
1. Back of China 5:20
2. Hamburg Walzer 6:53
3. I Spin 9:45
4. Virtual Reality 5:30
Gesamtlaufzeit 27:28

http://babyblaue-seiten.de/index.php?al ... ws&alpha=f
von: Achim Breiling

Las Palmas 1971. Ein Eisbär liegt am Strand von Mallorca und liest die Sun. Die Titelgeschichte: Faust. Schwer beeindruckt beschließt er die Band zu besuchen. Er steigt ins nächste Flugzeug und düst nach Hamburg. Dort wird er mit einem speziellen, gekühlten Bus abgeholt und nach Wümme verfrachtet. Die Band begrüßt ihn euphorisch und bewirtet in mit Kaffee und Kuchen. Dann klemmt sich der Eisbär hinter ein Schlagzeug und es wird gejammt. Ausblende.

So beginnt die erste DVD von Faust (erschienen 2005). Kein Witz! Da sieht man wirklich einen Eisbär, also einen Mann im Eisbärkostüm, in Las Palmas am Strand Zeitung lesen. Später sitzt er mit den Faustmusikern am Kaffeetisch. Der Film, auf der DVD als "Intro" bezeichnet, ist wohl wirklich 1971 entstanden. Zumindest ist die Haar- und Bartlänge der Beteiligten sehr authentisch. Warum und zu welchem Zweck der Streifen gedreht wurde ist dem Beiheft der DVD nicht zu entnehmen. Nach dieser Einleitung, die übrigens durchgehend mit holprig-konfuser Faustmusik unterlegt ist, kommt dann das Hauptmenü.

"Faustimpressions" ist natürlich keine normale DVD. Hier gibt es keine Konzertaufnahmen von Faust zu sehen, keine Interviews, kein "Making Of" von Wasauchimmer. "A DVD with eleven Videos by Zappi W. Diermaier including reworked and unreleased Faust music", steht da auf der DVD-Hülle zu lesen. Und genau das bekommt man auch. Neben dem historischen "Intro" gibt es also 11 Filmchen zu sehen, zu denen Faustmusik erklingt. Hierzu hat Diermaier im Faustarchiv gekramt, hat bekannte und unveröffentlichte Musik genommen und ein wenig überarbeitet, vor allem noch mehr Schlagzeug und Perkussion hinzugefügt, und die jeweiligen Stücke mit Bildern versehen.

Zur Musik: Hier gibt es das zu hören, was man von Faust erwartet. Krautig-dillettantische Wirrnis, protoindustriellen Krach, postpsychedelische Rocksongs, Tonkollagen und kantig-holprige Klanggespinnste. Das Meiste ist auf die eine oder andere Art dem Faustkenner bekannt, von den ersten Alben und "Rien", auch wenn die Nummern mitunter leicht andere Titel haben (z.B. "Ice Rain" = "It's a rainy day", "Video Skin" = "Sad Skinhead"). Dazu kommen drei neue-alte Stücke ("D-machine", "Component" und "We need you").


Zum Bild: ... ja, nun. Film- und Bildcollagen würde ich das nennen. Etwas primitiv und billig wirkt das, stellt sich als ein wildes Durcheinander an allerlei Filmschnipseln dar, unterlegt mit mehr oder weniger tollen Videoeffekten. Diermaier hat hier offenbar an seinem Computer gesessen und gespielt. Da sieht man recht viele Aufnahmen aus dem Hamburger Hafen, Wasser, Schiffe, aber auch allerlei Essen, Komposthaufen, Schrott, Landschaften, Tiere, Pflanzen, Eis und Schnee. Dahinter und dazwischen gibt es Bilder von Indianern, Eingeborenen, Faust und Werbung. In "Video Skin" sieht man meist Diermaier selbst, wie er mit Walkman-(Discman)-Kopfhörern versehen am Headbangen ist (unterbrochen von Einblendungen von im Takt mitwippenden Springerstiefeln). Kurzum: Auch der Bildteil bietet krautig-dillettantische Wirrnis!

Eine Faust-DVD also. Wirre Töne und wirre Bilder. Eigentlich hätte ich auch auf die Bilder verzichten können. Diermaiers Aufarbeitung des älteren Materials und seine rezenten Ergänzungen sind auch rein akustisch sehr beeindruckend. Ganz witzig anzuschauen ist das Ganze trotzdem. Ein-zweimal zumindest. Als Zusatz gibt es noch ein kurzes Filmchen, in dem Diermaier zu jedem Stück kurz ein paar Erläuterungen von sich gibt (in Deutsch), überlagert von der englischen Übersetzung. Was Diermaier da sagt ist allerdings auch wortwörtlich im Beiheft abgedruckt.

Ach ja, es gibt noch eine Bonus-CD. Auf der sind vier Stücke aus Diermaiers "I-Spin"-Soundtrack zu finden. Auch den Film soll es demnächst auf DVD geben. Hier ist recht viel Schlagzeug und Perkussives zu hören, verfremdet, mit Hall versehen und mächtig. Dazu kommen elektronische Sounds, Geräusche, Krach, Sprachfetzen und ein paar Instrumentaleinlagen (Akkordeon, Bass). Interessant! Aber auch hier würde mich eher ein komplettes Album als CD interessieren.

Wer braucht nun "Faustimpressions"? Faust-Fans und Krautrockkomplettisten sollten wohl zugreifen. Ansonsten ist die Scheibe doch etwas unbefriedigend. Als Remix- und Archivalbum hätte ich eine normale CD-Veröffentlichung bevorzugt. Der Videoteil ist kaum so spektakulär, dass er wirklich eine DVD nötig machen würde. Ganz witzig anzuschauen ist das Ganze trotzdem. Ein-zweimal zumindest.
Tschüß
nixe

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